Normalsterbliche wissen mit dem Begriff „Hirschsprung“ kaum etwas anzufangen … außer vielleicht, dass es da einen gleichnamigen Ort im Schwarzwald gibt. Für Betroffene des Morbus Hirschsprung dreht sich dagegen alles um diese angeborene Darmerkrankung.
Als Mia* (18) vor ein paar Monaten erstmals in meine Praxis kam, hatte ich nicht im Entferntesten mit so einer lebenslangen Leidensgeschichte gerechnet: „Ich habe seit meiner frühesten Kindheit Verstopfung, und die ist nicht von schlechten Eltern“, fiel sie gleich mit der Tür ins Haus. „Sie können sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man nur alle zehn Tage auf die Toilette kann. Mein Bauch schwillt regelmäßig an, als ob ich dauerschwanger wäre.“
Puh, das war mal eine Ansage. Ursachen für eine chronische Verstopfung gibt es sicher viele und Therapiemöglichkeiten ebenso, aber Mias Fall schien mir doch ein besonderer zu sein.
„Wissen Sie, ich gehe nicht gern zu Ärzten“, gestand sie mir, „wahrscheinlich würde man mir zu einer Darmspiegelung raten, aber was soll das bringen?“ Mia war nicht begeistert von dieser Option.
Nun ja, eine Spiegelung und eine Biopsie vom Darmgewebe kann Veränderungen des Darms anzeigen, die ursächlich für eine solche Verstopfung sein können.
Mich hätte an dieser Stelle interessiert, ob Mias erster Stuhl nach der Geburt ein normaler war, aber wie sollte sie sich daran erinnern? Vermutlich hatten auch Ihre Eltern nichts Auffälliges bemerkt.
Die Bedeutung des ersten Stuhls
Schon das Mekonium, der erste Stuhlgang von Neugeborenen, kommt bei angeborenen Veränderungen des Darms häufig viel zu spät, und auch im Laufe des ersten Lebensjahrs haben diese Kinder immer wieder Bauchschmerzen und Verstopfung.
„Das kann schon sein, ich soll ein quengeliges Kind gewesen sein“, berichtete Mia, „und zu dünn war ich wohl auch“. Da Ihr Vater im diplomatischen Dienst tätig war, hatte sie als Kind in verschiedenen Ländern gelebt. Regelmäßige ärztliche Entwicklungskontrollen, wie wir sie in Deutschland kennen, hatten offenbar nicht in dem Maße stattgefunden.
Das ließ mich nun richtig aufhorchen. Mia war auch jetzt sehr zart, sie selbst empfand sich zwar als „wandelnde Tonne“, aber das bezog sich nur auf ihren aufgeblähten Bauch.
Falls auch Sie zu den eher Verstopften zählen, interessiert Sie vielleicht auch diese Geschichte:
Ich nahm mein ganzes diplomatisches Geschick zusammen und redete so lange auf Mia ein, bis sie sich zu einer Darmspiegelung bereit erklärte. Auch ein MRT des Bauchraums wäre eine Option, erklärte ich ihr. In jedem Fall sollte sich mal ein erfahrener Gastroenterologe Mia genauer ansehen.
Dann hörte ich mehrere Wochen nichts mehr von ihr, bis sie eines Tages wieder vor meiner Praxistür stand. Ich war mega gespannt, was sie mir berichten würde.
„Haben Sie schon mal von einer Krankheit mit dem komischen Namen Morbus Hirschsprung gehört?“ „Gehört schon“, antwortete ich, „soviel ich weiß, heißt sie auch Kongenitales Megakolon, aber untergekommen ist sie mir zuletzt als Kinderkrankenschwester, und das ist lange her:“
„Dann können Sie ja mit meinem Fall Ihre Erinnerungen auffrischen“, meinte Mia lakonisch. „Es ist wohl eine angeborene Darmerkrankung, aber bei mir ist angeblich nur ein sehr kleiner Teil des Darms betroffen“, schob sie noch hinterher.
Haueha, damit hatte ich nicht gerechnet, denn „normalerweise“ wird diese Krankheit des Darms im frühen Kindesalter gestellt – und nicht erst mit 18 Jahren. Das war wirklich sehr ungewöhnlich.
Morbus Hirschsprung – hier springt kein Hirsch
Mia fühlte sich zwar bei ihrem Arzt gut aufgehoben, hatte aber dennoch viele Fragen an mich. Was so ein Hirschsprung nun ist, wusste sie inzwischen, aber für alle, die damit höchstens jene gleichnamige Schlucht zwischen Titisee und Kirchzarten im Schwarzwald verbinden, hier ein kleiner Exkurs:
Der Name der Krankheit geht auf den Kinderarzt Harald Hirschsprung zurück, der das Phänomen bereits im Jahr 1888 erstmals als „Megakolon“ beschrieb.
Die Krankheit Morbus Hirschsprung beschreibt ein Fehlen von Nervenzellen in Teilen des Darms. Meist ist davon das letzte Drittel des Dickdarms, das sogenannte Sigma und das Rektum, betroffen, die Erkrankung kann aber auch auf große Teile des Darms ausgeweitet sein, was bei Mia zum Glück nicht der Fall war.
Diese Nervenzellen im Darm, das sogenannte enterische Nervensystem, sind für unsere Gesundheit sehr wichtig. Immerhin haben wir im Darm genauso viele Nervenzellen wie im gesamten Rückenmark!
Darüber habe ich mich hier schon begeistert ausgelassen (ja, es ist eine kleine Adventsgeschichte, aber dennoch):
Dauerkrampf im Darm
Das enterische Nervensystem übt vielseitige Funktionen aus – neben der Darmmotilität, also der Bewegung des Darms, wird auch die Blutversorgung über das enterische Nervensystem gesteuert. Übergeordnete Kontrollinstanzen sind hierbei der Parasympathikus, der die Darmbewegungen und Verdauungsprozesse steigert, und sein Gegenspieler, der Sympathikus. Beides sind wichtige Nerven unseres autonomen, also nicht durch uns steuerbaren Nervensystems.
Das Fehlen von Nervenzellen in der Darmwand führt dazu, dass keine Neurotransmitter mehr ausgeschüttet werden, die der Muskulatur des Darms Entspannung signalisieren. Deshalb kommt es zu einer fortwährenden Anspannung der Darmmuskulatur und an dieser Stelle zu einer Verengung des Darmlumens. Ein Dauerkrampf im Darm, sozusagen.
Der Stuhl kann ab dieser Stelle den Dickdarm nur noch schwer passieren, er staut sich also im Bereich direkt vor dieser Engstelle – deshalb auch die Bezeichnung „Megakolon“. Das führt zu dem von Mia beschriebenen Gefühl, als „Tonne“ herumzulaufen.
Und was ist nun „mega“ an diesem Kolon?
Die gerade beschriebene Ansammlung von Stuhl vor dem betroffenen Abschnitt, in dem die Nervenzellen fehlen, und ein generell stark gefüllter Darm (Megakolon) machen den Betroffenen erhebliche Probleme. Wegen der Schwierigkeiten beim Weitertransport des Stuhls zeichnet sich bei Säuglingen ein aufgetriebener Bauch ab, der eigentlich von außen deutlich sichtbar ist.
Besonders, wenn größere Teile des Darms von der Erkrankung betroffen sind, besteht sogar die Gefahr eines Darmverschlusses. Da diese Komplikation der Krankheit lebensbedrohlich sein kann, ist es wichtig, den Morbus Hirschsprung rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Das war bei Mia ganz anders gelaufen und hätte richtig schief gehen können. Außerdem ist ein Darmverschluss nicht die einzige drohende Gefahr für Betroffene. Durch die teils lange Verweildauer des Stuhls im Darm kann es leicht zu lokalen Entzündungsprozessen kommen. Leider wird beim Morbus Hirschsprung – darauf werden wir später noch genauer eingehen – natürlich auch die Darmmikrobiota in Mitleidenschaft gezogen.
„Oha, da hab’ ich ja irgendwie sogar Glück gehabt!“ Mia war sichtlich erschrocken, aber zugleich auch erleichtert.
Der Hirsch im Darm ist gar nicht so selten
Da das Fehlen der Nervenzellen in den betroffenen Darmabschnitten von Geburt an besteht, lässt sich die Erkrankung nicht einfach heilen. Bis heute hat man auch noch gar nicht wirklich verstanden, wie das Fehlen der Ganglienzellen zustande kommt. Aktuell weiß man nur, dass die Erkrankung, die eines von 5.000 Neugeborenen betrifft (und somit gar nicht so selten ist), teilweise über genetische Mutationen entsteht, vererbt werden kann und besonders häufig bei Kindern mit Trisomie 21 auftritt:
(https://probiotische-praxis.blog/down-syndrom/trisomie-21-krankheitsbild/)
Zu Letzteren zählte Mia zwar nicht, aber dass sie diese Krankheit weitervererben kann, war ein ziemlicher Schlag für sie.
„Medikamente gibt’s nicht – was mach’ ich denn jetzt?“
Nachdem das Team aus Ärztinnen und Ärzten, die Mia nun betreuten, über Bildgebung und eine Biopsie aus dem Darm die Diagnose Morbus Hirschsprung gestellt hatte, stellte sich die Frage nach einer möglichen Therapie. „Man hat mir erklärt, dass es kein Medikament dagegen gibt. Außerdem blüht mir wohl auch noch eine OP, bei der der betroffene Darmabschnitt entfernt werden soll! Was mach’ ich denn jetzt?“
Mias Verunsicherung und Ängste konnte ich gut nachvollziehen, aber um ihre bange Frage, ob sie „irgendwie um die OP herumkommen“ könne, zu beantworten, müssten wohl noch weitere Untersuchungen vorgenommen werden.
Klar stellte sich nun die Frage, ob Mia mit einer erfolgreichen Operation die Krankheit Morbus Hirschsprung einfach abhaken könnte. Eine OP wäre für sie wahrscheinlich die beste Chance, erstmals ein relativ uneingeschränktes und gesundes Leben führen zu können …
Operation gut, alles gut?
Auch nach einer Operation würde Mias Erkrankung weiterhin eine Rolle spielen, dann aber hoffentlich nicht mehr die Hauptrolle in ihrem Alltag. So würde sie z. B. noch genauer auf ihre Stuhlfrequenz achten müssen. Das ist insofern wichtig, weil auch nach der Operation Probleme mit der Darmentleerung und dem Schließmuskel auftreten können.
Auch die Operationsnaht würde eine sehr sensible Stelle darstellen, an der es zu Entzündungsprozessen kommen kann. Die Gefahr, dass sich dort Engstellen des Darms bilden, besteht aber bei jeder umfassenden Darm-OP. Eine regelmäßige Kontrolle würde Mia daher nicht erspart bleiben, denn eine Enterokolitis (Darmentzündung) kann auch noch nach einer Operation auftreten.
Mia wollte erst mal nichts mehr von OPs und ihren möglichen Folgen hören. Aber es gab ja auch noch andere Fragen, die sie beschäftigten: „Stimmt es, dass diese blöde Krankheit auch Auswirkungen auf die Bakterien in meinem Darm haben kann, mit weiteren Folgen für mich?“
Allerdings. Das könnte in der Tat ein Problem sein. Aber Mia – so tapfer sie auch war – wirkte so schon recht verzweifelt, da musste ich aufpassen, ihr nicht den Mut zu nehmen.
Nicht auch noch einen Leaky Gut!
Bei einer Darmerkrankung ist es nicht ungewöhnlich, dass auch die Bakterienzusammensetzung im Darm beeinflusst wird. Besonders relevant wird das im Hinblick auf die gefährliche Komplikation der oben beschrieben Darmentzündung.
Wenn sich der Stuhl zu lange an einer Stelle im Darm staut, erhöht sich das Risiko für Schäden der Darmbarriere an dieser Stelle. Es kann ein sogenannter Leaky Gut entstehen, bei dem die Darmwand durchlässig für gefährliche Eindringlinge wird. Hier gibt’s Grundlegendes zum löchrigen Darm:
Die lokale Besiedelung mit Darmbakterien ist für die Stabilität genau dieser Darmbarriere sehr entscheidend – ein gesundes Mikrobiom stellt für Mia deshalb eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Zukunft dar.
Dass Patient:innen nach einem operativen Eingriff, bei dem ein von Morbus Hirschsprung betroffener Darmabschnitt entnommen wird, eine geringere Bakteriendiversität aufweisen, ist sehr wahrscheinlich. Dies konnte auch bereits in einer ersten Studie mit Kindern gezeigt werden.
Nun hatte ich aber endlich gute Nachrichten für Mia: Es gibt nämlich ein „Baby-Probiotikum“, OMNi-BiOTiC® PANDA, dasmir für Mia als erster Schritt in die probiotische Medizin das richtige zu sein schien. „Baby-Probiotikum?“ Mia guckte ungläubig. Ja, genau, denn dieses Präparat, das eigentlich für Säuglinge und Schwangere entwickelt wurde, ist auch ideal für besonders darmempfindliche Erwachsene (also quasi Kinder jeden Alters).
Es enthält all jene Bakterienstämme, die den Darm eines Neugeborenen besiedeln und stabilisieren sollen. Ein sehr wichtiger Prozess, der bei Mia sicher nie stattgefunden hat. „Back to the roots“ war hier das Motto, außerdem wollte ich mich sehr vorsichtig an die probiotische Behandlung herantasten.
Wenn Sie wissen möchten, was es mit diesem „Baby-Probiotikum“ auf sich hat:
Nach drei Monaten – und abhängig von einer OP – würde ich Mia dann für einen langen Zeitraum das OMNi-BiOTiC® SR-9 empfehlen. Die Wirkung der darin enthaltenen Bakterienstämme sind legendär für die Unterstützung des enteralen Nervensystems – und darüber hinaus für das gesamte Nervensystem, weshalb es auch bei Stress-Patient:innen erfolgreich eingesetzt wird.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei dieser Erkrankung ist dessen antientzündliche Wirkung. Dazu werde ich Mia als natürliche Ballaststoffquelle das milde Präbiotikum OMNi-LOGIC® FIBRE empfehlen.
Ballast kann ein Segen sein!
Ballaststoffe sind für die normale Funktion der Verdauung von großer Bedeutung. Sie regulieren den Transport der Nahrung durch den Darm: Bei Verstopfung erhöhen sie das Stuhlvolumen und machen den Stuhl weicher, damit dieser leichter ausgeschieden werden kann.
Von weitaus größerer Wichtigkeit sind Ballaststoffe aber speziell für unsere Darmbakterien, denn spezifische Ballaststoffe (wie Maisdextrin und Guarkernmehl) dienen unseren kleinen „Helfern“ als Lebensgrundlage. Zu wenig Ballaststoffe führen dazu, dass viele unserer Darmbakterien verhungern!
In der Folge können sie ihren vornehmsten Aufgaben nicht mehr nachkommen, und dazu zählen die Aufnahme wichtiger Nährstoffe aus der Nahrung, die Ausscheidung von Giftstoffen und fremden Keimen, die mit manchen Lebensmitteln in unseren Darm gelangen, sowie das Funktionieren unseres Immunsystems, dessen Zellen bekanntlich zu 80 % im Darm sitzen.
Zu den natürlichen Substanzen in OMNi-LOGIC® FIBRE gehören resistentes Dextrin (Mais) und teilhydrolisiertes Guarkernmehl. Man kann es einfach in heiße oder kalte Getränke bzw. Speisen einrühren und über eine lange Zeit ohne Gewöhnungseffekt einnehmen. Ideal für Mia.
Zu guter Letzt hatte ich noch META-CARE® Colon Lecithin zum Erhalt von Mias Darmbarriere auf dem Zettel. Das darin enthaltene Phosphatidylcholin (Lecithin) ist ein zentraler Baustein der Darmschleimhaut, kombiniert mit wichtigen B-Vitaminen, Zink und der Aminosäure L-Glutamin, die vom Darm in großen Mengen benötigt wird. So würde dieses Präparat Mias Darmschleimhaut aufbauen und – nach all meiner Erfahrung – wirksam vor Schäden bewahren.
Die Aussicht auf diese begleitende Therapie stimmte Mia einigermaßen zuversichtlich. Sie versprach mir, mich auf dem Laufenden zu halten und den Ratschlägen der Ärzte zu folgen. Ich drücke ihr alle Daumen und hoffe, sie bald – nach einem großen „Sprung“ nach vorn – wiederzusehen.
Für Ihr ungebrochenes Interesse an diesem Blog und solchen „exotischen“ Themen bedanke ich mich ganz herzlich!
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Hirschsprung Krankheit
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge