Wer sein Leben der Forschung widmet, muss stets offen sein für das Unerwartete. Im hier vorliegenden Fall stießen die Forscher auf „Viren, die wir noch nie gesehen haben“. Uns alle muss interessieren, wo sie diese entdeckt haben …
In meinen Vorträgen über das humane Mikrobiom sorgt ja schon die Erwähnung der ungefähren Anzahl unserer bakteriellen Mitbewohner regelmäßig für Erstaunen: Dass ein einzelner Mensch von geschätzt 80 bis 100 Billionen Kleinstlebewesen besiedelt sein soll – das sprengt einfach unsere Vorstellungskraft.
Umso verblüffender, wenn eine Expertin auf diesem Gebiet (Erica Hartmann von der Northwestern University in Evanston) bekennt: „Wir haben viele Viren gefunden, über die wir nur sehr wenig wissen, und viele andere, die wir noch nie gesehen haben“. Wo sie diese gesucht und gefunden hat, konnte ich einem Artikel im Ärzteblatt* entnehmen, der den Titel trägt: „Forschende finden neue Mykobakteriophagen auf Zahnbürsten und Duschköpfen“.
Bakteriophagen (Phagen) sind Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren. Der Begriff Phage leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet „Bakterienfresser“
Es gibt also Viren, die Bakterien bekämpfen. Und Bakterien, die Viren bekämpfen – mehr darüber können Sie hier lesen:
Dass auf Zahnbürsten jede Menge Bakterien zu finden sind, ist nicht neu. Was die Forscher hier aber besonders interessierte, waren weniger die Bakterien, sondern vielmehr der Virenbefall: „Proben von 92 Duschköpfen und 34 Zahnbürsten in den USA enthielten demnach mehr als 600 verschiedene Viren.
Wenn Ihnen jetzt die Haare zu Berge stehen, kann ich Sie erst mal beruhigen: „Bei den Viren handelt es sich um Bakteriophagen, die für Menschen ungefährlich sind. Sie werden auch zur Behandlung antibiotikaresistenter bakterieller Infektionen erforscht.“
Durch bisher unentdeckte Virusarten erhofft man sich wichtige Erkenntnisse zu Phagen, „die speziell Mykobakterien infizieren – Verursacher von Krankheiten wie Lepra, Tuberkulose und Lungeninfektionen“.
Dass übrigens – wo hier gerade von Antibiotikaresistenzen die Rede war – der menschliche Darm seine ganz eigenen Strategien gegen Krankheitserreger verfolgt, habe ich vor wenigen Monaten erst beschrieben:
Jetzt gibt’s auch was auf die Ohren:
Der Podcast zum Blog auf Spotify.
Ganz schön K(n)ackig: Geschichten aus dem Darm
Zahnbürsten mit „Inselbegabung“
Langeweile durch identische Funde kam dabei offenbar kaum auf, denn: „Überschneidungen zwischen zwei Proben“ waren eher selten, im Gegenteil: „Jeder Duschkopf und jede Zahnbürste ist wie eine eigene kleine Insel.“
Wenig überraschend fanden sich „auf Zahnbürsten mit dem menschlichen Mikrobiom verwandte Bakterien-Gattungen“ (…) wie Klebsiella, Streptococcus und Veillonella – die drei häufigsten Gattungen in den Zahnbürstenproben, die den Phagen als Wirt dienen.“
Warum die Forscher sich bei ihrer Suche ausgerechnet auf Duschköpfe und Zahnbürsten konzentrierten, ist leicht nachvollziehbar: Diese sind einfach „leichter zu besiedeln für Mikroben, weil sie Umgebungen mit Wasser bevorzugen“.
Wer jetzt entsetzt die Hände überm Kopf zusammenschlägt, dem rät das Forschungsteam zur Gelassenheit, denn: „Mikroben sind überall, und die große Mehrheit von ihnen macht uns nicht krank“. Daher solle man auch nicht in einer Überreaktion zu „antimikrobiell wirkenden Putzmitteln“ greifen. Im Gegenteil: „Je mehr man sie mit Desinfektionsmitteln bekämpft, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Resistenzen entwickeln oder schwieriger zu behandeln sind.“
Keine übertriebene Badezimmerhygiene
Also besser im friedlichen Miteinander mit den Mikroben leben? Dies ist wohl kein Plädoyer gegen eine generelle Badhygiene, man soll es mit dem Reinigen nur nicht übertreiben. „Es genüge, regelmäßig seine Zahnbürste zu wechseln. Auch spezielle antimikrobielle Zahnbürsten seien nicht nötig, zumal sie zu antibiotikaresistenten Keimen führen könnten.“
Ich meine, mit diesen Hinweisen können wir uns ganz gut arrangieren, zumal die hier identifizierten Bakteriophagen für Menschen nicht gefährlich sind.
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Alle wörtlichen Zitate entstammen einem Artikel, der im Oktober 2024 auf dem Online-Portal des Ärzteblatt veröffentlicht wurde. © dpa/gie/aerzteblatt.de
Bakterien im Badezimmer
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.