Sorry für diese etwas provokante Frage. Die Antwort lautet: nichts – außer, dass es sich um zwei Patienten handelt, die mich nach einiger Zeit wieder für ein Update aufsuchten. Es freut mich immer sehr, wenn ich sehe, dass das Schicksal und der Werdegang meiner Patient:innen nicht nur mir, sondern auch den Leser:innen meines Blogs am Herzen zu liegen scheint.
Immer wieder stoße ich in der Kommentarspalte unter meinen Blogs auf interessierte Nachfragen, so auch, nachdem ich über die Epilepsie bei meinem Patienten Florian* (34) berichtet hatte. Ob denn dessen Ernährungsumstellung und das Probiotikum irgendwelche Erfolge gezeitigt hätten, wurde z. B. gefragt.
Was es mit seinen Symptomen auf sich hatte und welche Therapievorschläge ich ihm machte – hier noch mal für alle:
Low-carb, less danger
Kurz zusammengefasst: Vor ca. einem Jahr suchte mich Florian in meiner Praxis auf – unmittelbar nach seiner Epilepsie-Diagnose. Wir vereinbarten, dass er sich auf eine low-carb-Ernährung mit wenig Kohlenhydraten, dafür aber mehr Proteinen und Fetten fokussieren sollte. Warum? Weil Kohlenhydrate direkte Energie liefern und so eher das Risiko für eine Überreaktion des Nervensystems erhöhen.
Nimmt man aber mehr Fette zu sich, werden beim Abbau vermehrt Ketonkörper gebildet, aus denen sich der Körper seine Energie nur nach Bedarf holt. Das kann bei einer Epilepsie von Vorteil sein! Ketone (auch Ketonkörper genannt) sind Stoffe, die gebildet werden, wenn der Körper Fettreserven zur Energiegewinnung nutzt. Sie entstehen beim Abbau von Fettsäuren in der Leber.
Als weiterer Schritt käme eine rein ketogene Diät in Frage, die wir aber vorerst hintangestellt hatten, da sie durchaus radikal ist und ein sehr gutes Ernährungs-Management benötigt, um nicht einen Nährstoffmangel zu provozieren. Die ketogene Ernährung nimmt Einfluss auf den Wasser- und Elektrolythaushalt des Körpers, sie kann zu Nierensteinen und kurzfristigen Unterzuckerungsattacken führen. Das wäre für Florian ein Super-Gau!
Jetzt gibt’s auch was auf die Ohren:
Der Podcast zum Blog auf Spotify.
Ganz schön K(n)ackig: Geschichten aus dem Darm
Bei der ketogenen Ernährung müssen wir auch auf unsere Darmbakterien achten, die sich ja hauptsächlich von Ballaststoffen ernähren, die wir wiederum hauptsächlich in Vollkornprodukten finden.
Bei der ketogenen Ernährung wird größtenteils auf Kohlenhydrate verzichtet, aber dafür mehr Fett und Eiweiß gegessen. Sie umfasst also hauptsächlich fetthaltige Lebensmittel wie Fisch, Käse, Nüsse, Avocados oder Fleisch als zusätzlichen Eiweißlieferanten. Dazu stehen kohlenhydratarme Gemüsesorten wie Brokkoli, Blumenkohl, Weißkohl, Zucchini, Spinat, Paprika, Pilze, Gurken, Spargel und grüne Bohnen auf dem Speiseplan. Obst wird kaum gegessen, da es einen hohen Fructosegehalt hat.
In der klassischen ketogenen Ernährung sind in etwa 85% Fett, 10-15% Eiweiß und max. bis zu 5% Kohlenhydrate erlaubt. Zum Vergleich: Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) empfiehlt noch immer 55% Kohlenhydrate, 30% Fett sowie etwa 15% Eiweiß für eine ausgewogene Ernährung.
Aber zurück zu Florian. Als ich ihn zuletzt angerufen hatte, ging es ihm nach eigenem Bekunden „relativ gut“: „Ich bin seit einem dreiviertel Jahr anfallsfrei. Kurz nach der Diagnose hatte ich noch mal einen etwas heftigeren Anfall am Morgen nach einem Konzert, weil ich in der Nacht sehr wenig geschlafen hatte – zumindest war das die Vermutung der Ärzte. Seitdem achte ich aber penibel auf meine Schlafdauer und Schlafenszeiten.“
Sein Medikament gegen die Anfälle nimmt er weiter. Auch die Ernährungsumstellung hatte er wohl ganz brav umgesetzt. „Etwas nervig“ sei es anfangs zwar gewesen, aber das ist ja bei den meisten radikalen Veränderungen der Lebensweise so. Trotzdem habe Florian das Gefühl, dass da noch „Luft nach oben“ sei, denn:
„Irgendwie ist die Angst doch immer da“, bekannte er und stellte fest: „Man kann die Anfälle nun mal nicht voraussehen.“ Aber es ging ihm viel besser, die Ernährung mit dem eingeschränktem Kohlenhydratkonsum tat ihm gut. Seiner Freundin übrigens auch, die damit erfolgreich ihr Gewicht reduziert hatte.
„Ich mach’ mich doch nicht zum Roboter“
Ich hatte ihm gegenüber schon einmal den Vagus-Schrittmacher erwähnt, der implantiert wird, um die Überaktivität der Nervenzellen zu hemmen und somit das Anfallsrisiko zu verringern. Florian war überhaupt nicht begeistert gewesen, weil er sich damit „wie ein Roboter“ vorkäme.
Die Angst als ständiger Begleiter
Seine Abwehrhaltung konnte ich nachvollziehen und schlug ihm stattdessen verschiedene Übungen vor, die den Vagusnerv stimulieren und die er in seinen Alltag einbauen sollte. Damit würde er einerseits die Überaktivität seiner Nervenzellen verringern und gleichzeitig auch die quälende Angst bekämpfen, die ihn ständig begleitet.
Der Vagusnerv ist der längste Hirnnerv und verbindet das Gehirn mit dem Magen-Darm-Trakt. Er ist Teil des Entspannungssystems im Körper, und durch gezieltes Ansprechen kann sich die Wirkung im ganzen Körper ausbreiten. Es gibt verschiedene Methoden, den Vagusnerv zu stimulieren. Da er vom Kopf am Hals entlang bis zu den Verdauungsorganen verläuft, setzen viele der Übungen an diesen Körperregionen an:
Wie sich der Vagusnerv „triggern“ lässt
- Bewusstes, ganz tiefes Ein- und Ausatmen
- Sanfte, kreisende Massage der Region
zwischen Ohr und Schulterübergang - Singen
- Gurgeln
- Kalt duschen
- Einen Gegenstand fixieren und dann den Kopf von der
neutralen Ausgangsposition nach rechts und links bewegen
„Das klingt schon besser als so ’n Schrittmacher“, meinte Florian und konnte sich vorstellen, einige dieser Übungen in seinen Alltag zu integrieren.
Meine Frage, ob er denn immer noch das OMNi-BiOTiC® SR-9 einnähme, verneinte er.
„Ich hatte schon das Gefühl, dass es mir guttut. Mein Bauch war ruhiger, und ich konnte besser mit Stress umgehen. Auch habe ich besser geschlafen. Aber ich war mir zuletzt unsicher, ob es gut ist, das so lange einzunehmen“.
Warum er mich in der Frage nicht kontaktiert hätte, fragte ich ihn, und ich muss wohl etwas entgeistert geklungen haben. Als ich ihm nämlich versicherte, dass die längerfristige Einnahme dieses Probiotikums keine Nachteile mit sich bringen würde, sondern vielmehr einen positiven Effekt auf seinen Darm und sein Nervensystem hätte, lenkte er schnell ein und gelobte, wieder damit anzufangen.
Medizinisch relevante Probiotika wie OMNi-BiOTiC® kann man unbesorgt sogar über Jahre einnehmen. Ich empfehle dann jeweils 3 Monate Pause/Jahr. Das gleiche trifft auf das Präbiotikum OMNi-LOGIC® PLUS zu, dessen Inhaltsstoffe die darmeigene Butyrat-Bildung anregen. Butyrate sind essenziell für unsere Gehirne – sowohl für das im Bauch als auch das im Kopf.
Zuletzt versprach mir Florian, sich bald wieder mit einem Update zu melden.
Abschied von der Gallenblase
Eine andere Patientin, die von diesen Entspannungsübungen sicherlich auch profitiert hätte, ist Luise* (52), die in der Vergangenheit den Weg zu mir gefunden hatte, weil sie sich wegen einer bevorstehenden Gallenblasenentfernung Zuspruch erhoffte. Sie hatte enorme Angst vor der Operation und der Narkose.
Nachdem ich ihr die einzelnen Schritte detailliert erklärt hatte, war sie tendenziell beruhigt, aber ich konnte mir vorstellen, dass ihr am Tag der Operation trotzdem die Nerven etwas durchgegangen waren …
Wie so eine Operation abläuft, können Sie hier gern noch mal nachlesen:
Luise erschien ein paar Wochen nach ihrer Operation mit leichten Beschwerden in meiner Praxis. Dazu gleich mehr. Daran, wie es ihr am Tag der OP und in der Zeit danach ergangen war, konnte sie sich kaum noch erinnern, aber offensichtlich hatten meine ausführlichen Erklärungen sie beruhigen können. „Da wusste ich ja auch, dass die Informationen Hand und Fuß hatten – beim Googlen ist man ja hinterher manchmal so schlau wie vorher.“ Da konnte ich Luise nur beipflichten.
Die spezifischen Beschwerden, die ihre Gallensteine hervorgerufen hatten, seien zwar verschwunden, aber seit der Entfernung der Gallenblase habe sie immer wieder „Probleme mit meiner Verdauung“. Ob ich nicht den einen oder anderen Tipp für sie hätte?
Klar konnte ich ihr da einige Fingerzeige geben. Dass Luise nach Entfernung der Gallenblase immer wieder unter Durchfall leidet, lässt sich darauf zurückführen, dass jetzt die Gallenflüssigkeit unkontrolliert in den Darm gelangt, und das wirkt abführend.
Bei der Gallenblasen-OP wird ja das Speicherorgan der Gallenflüssigkeit entfernt. Die Leber produziert weiterhin fröhlich die Galle, die wir für die Fettverbrennung benötigen. Nur dauert das Bereitstellen der Gallenflüssigkeit für den Dünndarm zum einen länger, so dass ein Teil des Fettes unverdaut in tiefere Darmabschnitte gelangt, was zu Fett-Durchfällen führt.
Mehr zum Thema Gallenblasenentfernung habe ich in meinem Youtube-Video geschildert.
Das ist ungut, denn mit dem Fett gehen auch die wichtigen Fett-Vitamine wie A, D, K und E verloren. Zum anderen kann ein plötzlicher Schwall von Gallenflüssigkeit auch zu Durchfall führen. Schulmedizinisch würde man es als Gallensäureverlustsyndrom beschreiben und z. B. mit dem Gallensäurebinder Colestyramin in einer Dosierung von viermal 4 g über zwei bis vier Wochen behandeln.
Colestyramin, auch bekannt als Cholestyramin, ist ein Arzneistoff, der primär zur Senkung erhöhter Blutfettwerte, insbesondere des Cholesterinspiegels, eingesetzt wird. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Austauschharz, das in der Lage ist, Gallensäuren im Darm zu binden.
Da Gallensäuren aus Cholesterin gebildet werden, führt deren Bindung und Ausscheidung durch Colestyramin indirekt zu einer Senkung des Cholesterinspiegels im Blut. Der Körper reagiert auf den Verlust der Gallensäuren, indem er mehr Cholesterin in Gallensäuren umwandelt, was den Cholesterinspiegel weiter senkt.
Diese Option steht Luise natürlich jederzeit offen, aber meine ganze Erfahrung mit anderen Patient:innen hat mich darin bestätigt, dass sich mit einer angepassten Ernährung und gezielter Unterstützung des Darms schon viel erreichen lässt.
Dem ungewöhnlichen Gallensäureverlustsyndrom habe ich hier auch bereits einen Beitrag gewidmet:
Für Luise ganz zentral war es jetzt, auf eine fettarme Ernährung zu achten. Dennoch sollten Fette nicht komplett vom Speiseplan gestrichen werden, weil manche Vitamine auf Fett angewiesen sind, um resorbiert werden zu können. Besser verdaulich als langkettige Fettsäuren sind mittelkettige Fettsäuren, die z. B. in MCT-Öl zu finden sind.
MCT steht für medium-chain triglycerides und findet sich hauptsächlich in Kokosöl. MCT-Öle werden z. B. in der ketogenen Ernährung (siehe oben) verwendet. Das Besondere: Der Körper kann sie ohne Gallensäuren und fettspaltende Enzyme (Lipasen) der Bauchspeicheldrüse aufschließen.
Ballaststoffe können die Gallensäure binden
Damit die überschüssige Gallensäure nicht „wild im Dickdarm herumschwirrt“, ist es außerdem wichtig, auf eine ausreichende Zufuhr von Ballaststoffen zu achten, die die Gallensäure binden und somit auch den Durchfall regulieren. Unterstützend empfahl ich Luise für diesen Zweck OMNi-LOGiC® FIBRE, ein fertiges Ballaststoffgemisch, das geschmacksneutral und gut verträglich ist. Man kann es einfach in Getränke oder Speisen einrühren.
Probiotisch sollte Luise flankierend wieder OMNi-BiOTiC® HETOX einnehmen (sie hatte damit begonnen und sich – wie Florian – nicht getraut, es über eine lange Zeit einzunehmen …), weil sie damit ihre Darmbarriere stabilisieren und vor der toxischen Wirkung der Gallensäuren schützen würde. Da es zudem das Darmmikrobiom selbst unterstützt, würde es Luise auch helfen, ihren Durchfall in den Griff zu bekommen.
Es ist gut möglich, dass Luise ihr Gallensäureverlustsyndrom nie mehr endgültig „wegbekommt“, schließlich ist die Entfernung der Gallenblase endgültig, aber die Symptome lassen sich in der Regel gut behandeln. Ich bin gespannt, was sie in ihrem nächsten Update zu berichten hat … und werde Sie gern auch darüber informieren.
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich und wünscht einen fröhlichen Nikolaus:
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Epilepsie Therapie
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.