Dass besonders Schichtarbeiter zu Übergewicht und Adipositas neigen, muss einen Grund haben. Dem sind jetzt US-Forscher nachgegangen und haben dabei eine entscheidende Entdeckung gemacht.
Unser Körper liebt es klar geregelt. Die Nacht ist zum Schlafen da, gegessen wird am Tag. Dafür haben wir einen eingebauten Chronometer: „Die zentrale Innere Uhr befindet sich im Nucleus suprachiasmaticus des Gehirns, wo sie auf die Signale der Sehnerven zur Tageszeit reagiert.“* Der Nucleus suprachiasmaticus ist der Hauptimpulsgeber unserer inneren Uhr.
Der Sehnerv regelt dies also, logisch. Wenn’s draußen dunkel wird, sehnt sich der Körper nach Ruhe. Ganz so einfach sind wir aber nicht gestrickt, denn „auch die übrigen Zellen des Körpers haben mit „Uhr-Genen“ einen genetischen Zeitgeber.
Gerät der normale Tagesablauf durcheinander, so wie z. B. bei Schichtarbeitern, hat dies auch Einfluss auf unser Essverhalten. Um diesen Zusammenhang zu erforschen, haben Wissenschaftler bei Mäusen eben jene Uhr-Gene „gezielt in den Leberzellen ausgeschaltet. Das normale Essverhalten der Nager wurde dadurch gestört. Die Nager fraßen Tag und Nacht in unregelmäßigen Abständen.“
Was denkt sich bloß die Leber? … fragt sich das Gehirn
Von dem Ergebnis waren die Forscher allerdings überrascht, „weil sich das Appetitzentrum nicht in der Leber, sondern im Nucleus arcuatus hypothalami, also im Gehirn befindet.“ Die Überlegung war daher: Schauen wir mal, was passiert, wenn wir bei den gleichen Mäusen die Verbindung zwischen Hirn und Leber, den Vagusnerv, kappen.
Gedacht, getan: Durchtrennt wurde der Nervus vagus „im Ganglion nodosum, einer Relais-Station für die Vagusfasern von der Leber in Richtung Gehirn. Die Folge war eine Normalisierung des Essverhaltens – trotz gestörter Innerer Uhr in den Leberzellen.“
Man nennt dieses Vorgehen selektive Vagotomie, und in der Tat zeigte sich der gleiche, normalisierende Effekt auch bei anderen Mäusen, die „gezielt einer hochkalorischen Diät ausgesetzt wurden und deutlich an Gewicht zugenommen hatten. Nach der Operation stabilisierte sich das Gewicht. Andere Tiere, bei denen der Vagus nicht durchtrennt worden war, nahmen weiter an Gewicht zu.“
Wozu dies führen kann und welche Konsequenzen bei Adipositas drohen, habe ich bereits mehrfach beleuchtet, u. a. hier:
Fest steht jetzt jedenfalls: Eine „unkontrollierte Nahrungsaufnahme“ – zu jeder Zeit und losgelöst vom normalen Tagesablauf – irritiert „den Zeitgeber in der Leber“.
Hierin sehen die Forscher die Erklärung, „warum Schichtarbeiter zu Übergewicht und Adipositas neigen.“ Heißt das jetzt, man muss nur den Vagus-Nerv durchtrennen, und die Gewichtsprobleme sind Geschichte? Ich warne vor solchen radikalen Maßnahmen, denn eine Vagotomie, wie sie früher bei Patienten mit Magengeschwüren exerziert wurde (das wird hier auch nicht verschwiegen), „hat zahlreiche Nebenwirkungen“.

Neben der Magensäureproduktion ist der Nervus vagus nämlich für allerlei Funktionen im Magen-/Darm-Trakt zuständig. Beobachtet wurden nach einer solchen Operation häufig „Völlegefühl, Aufstoßen und Durchfall.“ Auch ein Reizdarm wurde vermehrt beobachtet. Ernst erscheint auch eine andere mögliche Konsequenz: „Eine Durchtrennung der Äste zur Gallenblase begünstigt die Bildung von Gallensteinen.“
Verstehen Sie mich nicht falsch: Hier wird nicht leichtfertig einer Vagotomie das Wort geredet, um Schichtarbeiter vor Adipositas zu bewahren. Der Zusammenhang zwischen unkontrolliertem Essverhalten und Übergewicht aber ist damit klar konturiert.
Was lehrt uns das? Wir sollten mehr auf unsere innere Uhr hören und essen, wenn wir wirklich Hunger haben. Und nicht aus Gewohnheit oder Langeweile.
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Artikel auf dem Online-Portal des Ärzteblatt vom 19. November 2024. © rme/aerzteblatt.de
Übergewicht Schichtarbeit
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.