Dass bei einer bipolaren Störung die Gefühle „Achterbahn fahren“, ist als Metapher sicher angebracht, doch was macht so eine Erkrankung mit Beziehungspartnern? Eine spannende Frage, die zu ergründen ich quasi genötigt wurde …
Als mich kürzlich eine Patientin anrief und dringend um einen Termin bat, wollte ich zunächst so antworten, wie ich es in letzter Zeit öfter tun muss: „Tut mir leid, aber …“
Doch als sie so verzweifelt berichtete, dass sie „schon seit Wochen praktisch keine Nacht mehr durchgeschlafen und auch dramatisch an Gewicht verloren“ hätte, ließ ich mich doch erweichen.
So „face to face“ erlebte ich sie dann auch als ein „Häufchen Elend“. Bettina* (26) hatte ich eigentlich als humorvolle junge Frau in Erinnerung, die mit beiden Beinen im Leben stand und den beruflichen Stress als Hotelfachfrau gar nicht so sehr an sich ranließ. Nun aber sei sie nur noch erschöpft und ständig den Tränen nahe. Warum?
Für eine solche Phase der Erschöpfung gibt es natürlich viele mögliche Ursachen, aber Bettina legte ihre Vermutung sogleich offen: „Eigentlich geht es mir erst so schlecht, seit ich Probleme in meiner Beziehung habe.“ Mit ihrem Partner Sven sei sie nun seit einem halben Jahr zusammen, und am Anfang sei „alles so super“ gewesen, dass sie sogar überlegt hätten, zusammenzuziehen.
„So verliebt war ich noch nie“, gestand sie, „aber seit einigen Wochen kommt mir Sven manchmal wie ausgewechselt vor. In einem Moment erzählt er mir noch euphorisch von einem Erlebnis aus seinem Alltag, im nächsten wirkt er teilnahmslos, phasenweise auch richtig depressiv, und nichts scheint ihn mehr aufheitern zu können.“
Gefangen in einer toxischen Beziehung
Ihre zaghaften Vorschläge, er solle doch mal einen Psychotherapeuten aufsuchen, habe er allerdings rundweg abgeblockt, Kein Wunder, dass Bettina unter diesem Beziehungsstress litt. Sie war offenbar gefangen in einer „toxischen Beziehung“, wie es heute heißt.
„Natürlich macht man sich da schon Gedanken, ob es die Beziehung wert ist, aber erstens weiß ich, warum ich mich so in Sven verliebt habe, und zweitens hab’ ich auch nicht das Gefühl, dass er das mit Absicht macht.“ Vor zwei Wochen habe er dann endlich eingesehen, dass es so nicht weiter ging, und auf Anhieb einen Therapeuten gefunden. Jetzt stehe allerdings eine Bipolare Störung im Raum.
Ich verkniff mir die launige Bemerkung, dass es wahrlich bessere Einrichtungsvorschläge gebe, und ahnte schon, was Bettinas nächste Frage sein würde:
Bipolare Störung, Borderline – was ist das überhaupt?
Worin denn der Unterschied zu Borderline bestehe, wollte sie wissen, „das geht doch auch in die Richtung, oder?“ Zumindest werden diese beiden psychischen Erkrankungen gern verwechselt und treten teilweise auch zusammen auf.
Eine bipolare Störung wird in der Medizin (wie z. B. auch Depressionen) zu den affektiven Störungen gezählt, während das Borderline-Syndrom den Persönlichkeitsstörungen zugeordnet wird. Anzeichen für eine bipolare Störung sind vor allem der Wechsel zwischen den beiden Polen Depression und Manie. Auf eine Phase mit viel Energie und starkem Tatendrang folgen Niedergeschlagenheit und Energiemangel.
Das Borderline-Syndrom ist zwar auch durch Stimmungsschwankungen gekennzeichnet, doch diese können extreme Ausmaße bis zur Selbstverletzung annehmen. Zudem lässt die Impulskontrolle sehr zu wünschen übrig …
Die Ursache beider Erkrankungen wird in einem Zusammenwirken von genetischer Veranlagung und traumatischen Erlebnissen gesehen, Genaueres weiß man aber bis heute nicht.
Doch wie lebt man mit einer solchen Störung seines Partners, gibt es erfolgversprechende Therapien, und lässt sich eine bipolare Störung auch ohne Medikamente heilen? Das waren die Fragen, mit denen sich Bettina nun beschäftigte.
Leben mit einem bipolaren Partner
Natürlich gibt es verschiedene Therapieansätze, mit denen Patientinnen und Patienten geholfen werden kann – auch wenn dies nicht gerade „von heute auf morgen“ funktioniert. Psychotherapien im Speziellen sind eher auf Jahre denn auf Monate ausgelegt …
Einerseits sind für viele Betroffene Medikamente hilfreich, um ihre Stimmung dauerhaft zu stabilisieren. Was ich in Bettinas Beisein „auf die Schnelle“ recherchieren konnte, war, dass neben Lithium wohl auch drei Medikamente aus der Gruppe der Antiepileptika eingesetzt werden.
In Akutsituationen ist bei einer bipolaren Störung neben der medikamentösen Behandlung auch die sogenannte Elektrokrampftherapie eine Option. Durch Auslösung eines gesteuerten Krampfanfalls unter Narkose können die Neurotransmitter Serotonin und Dopamin vermehrt ausgeschüttet werden, was die Stimmung stabilisiert.
Eine weitere Behandlungsoption ist die Wach-Therapie. Wie der Name schon sagt, kommt es bei dieser Form zu einem gezielten Wachhalten der Betroffenen in der zweiten Hälfte der Nacht. Studien haben nämlich gezeigt, dass genau dann bestimmte Hormone ausgeschüttet werden, die Depressionen fördern. Bleiben Betroffene wach, bessert sich die depressive Symptomatik.
„Na, ich kann nur hoffen, dass Sven da zusammen mit seinem Psychotherapeuten den richtigen Weg für sich finden wird. Die Therapie wird ihn ja wahrscheinlich noch eine ganze Zeit begleiten“, vermutete Bettina richtig. Es darf heute schon als großes Glück angesehen werden, wenn jemand so schnell einen Platz findet bzw. einen Therapeuten, der „passt“. „Das können Sie wohl laut sagen“, pflichtete Bettina mir bei.
Kann eine solche Beziehung überhaupt gut gehen?
„Ich bin ja froh, dass jetzt überhaupt etwas geschieht“, stellte meine Patientin fest und fuhr fort, „dennoch empfinde ich die Situation für mich als herausfordernd. Dauernd tauchen Fragen in meinem Kopf auf, zum Beispiel, ob man denn überhaupt eine glückliche Beziehung führen kann mit einem bipolaren Partner“.
Ob Bettina mit ihrem Sven auf Dauer glücklich sein könnte – das konnte ich natürlich nicht beurteilen, doch der allgemeinen Aussage, mit Betroffenen einer bipolaren Störung könne man keine glückliche Beziehung führen, widersprach ich energisch.
„Na ja, da hat wohl jedes Paar seine eigenen Probleme, mit denen es zu kämpfen hat, bei uns ist es eben Svens Erkrankung.“ Bettina war offenbar gewillt, der Beziehung eine Chance zu geben, trotz ihrer eigenen inneren Zerrissenheit: „Gerade mit der bipolaren Störung braucht er ja sicher auch Stabilität …“
Ich riet ihr, ihre Beziehung auch mal mit Svens Therapeuten zu thematisieren, der könne ihr vielleicht den einen oder anderen Tipp geben. Bettina nickte zustimmend und überraschte mich dann mit einem Themenwechsel, der normalerweise mir vorbehalten ist:
„Jetzt rede ich schon so lange auf Sie ein, dabei bin ich doch eigentlich wegen einer ganz anderen Frage hier.“ Sie habe nämlich gelesen, dass auch der Darm bei einer bipolaren Störung eine Rolle spielen könne. „Kann das wirklich stimmen?“ Damit rannte sie bei mir natürlich offene Türen ein…
Der Darm beeinflusst Kopf und Psyche!
„Es gibt so gut wie nichts, was nicht durch die spezifische Zusammensetzung der Bakterien in unserem Darm beeinflusst wird“, hob ich an, „dazu zählt auch eine ganze Reihe psychiatrischer Erkrankungen“. So werden z. B. auch Depressionen über die Darm-Hirn-Achse, also die Verbindung des Mikrobioms mit dem Gehirn beeinflusst.
Wir wissen auch, dass ein großer Teil der von einer bipolaren Störung Betroffenen gleichzeitig an einem Reizdarm leidet bzw. einem Ungleichgewicht der Bakterien in ihrem Mikrobiom. Unter anderem die gegen Entzündungen ankämpfenden Faecali-Bakterien sind im Darm von Betroffenen deutlich vermindert! Nicht selten löst das einen leaky gut aus, und dann ist „Holland in Not“, wie ich es hier schon mal beschrieben habe:
Über so einen löchrigen Darm können natürlich schnell unerwünschte Eindringlinge in den Körper geraten, die dann Entzündungen auslösen. Diese leichten Entzündungen, die überall im Körper zu finden sein können (möglicherweise auch im Gehirn), lassen sich auch bei „bipolar Gestörten“ finden und haben selbst natürlich wieder Auswirkungen.
Zum Beispiel wird der Tryptophan-Stoffwechsel der Betroffenen verändert. Beim Abbau der Aminosäure, die besonders wichtig für die Herstellung des Glückshormons Serotonin ist, entstehen vermehrt Neurotoxine. „Wir müssen uns übrigens auch darüber klar sein“, ergänzte ich, „dass die Wirksamkeit von stimmungsstabilisierenden Medikamenten mit dem Zustand des Darmmikrobioms steht und fällt.“ Andererseits wirken sich die Medikamente selbst auch auf die Zusammensetzung des Mikrobioms aus – bei der Gabe von Lithium konnte beispielsweise in einem Tierversuch eine Verbesserung der Bakterienvielfalt erzielt werden.
Der Darm solcher Patient:innen ist also verschiedensten Einflüssen ausgesetzt. Um die Entzündungen im Körper einzudämmen und das geschädigte Mikrobiom wieder zu stärken, sollte Sven auf jeden Fall aktiv werden: Ich würde ihm das Probiotikum OMNi BiOTiC® SR-9 empfehlen, weil es alle wichtigen Bakterienstämme zur Stärkung der Darm-Hirn-Achse enthält und daher nicht nur Svens Darmmikrobiom, sondern auch seine Stimmung insgesamt wieder mehr ins Gleichgewicht bringen sollte.
Weil die Psyche immer mit am Tisch sitzt …
Natürlich könnte Sven noch einiges mehr für seine Gesundheit tun. Eine Baustelle schien die Ernährung zu sein, denn wie Bettina berichtete, ging es da bei Sven „nicht immer so gesund“ zu. Mit einer ausgewogenen Ernährung hätte Sven aber die Chance, nicht nur sein Darmmikrobiom weiter zu stärken, sondern auch seine Bipolare Störung direkt anzugehen und seine Lebensqualität zu verbessern!
Der erste Punkt auf der Liste sind Omega-3-Fettsäuren, die unser Körper zum Beispiel zur Herstellung verschiedener Botenstoffe benötigt. Gute Quellen dafür sind Fisch, Lein- oder Hanföl.
Auch eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen ist relevant, denn etwaige Mangelzustände können Stimmungsschwankungen und Energielosigkeit leicht verstärken. Genug Obst und Gemüse sollte ab jetzt also eine Selbstverständlichkeit für Sven und Bettina sein.
Bettina hatte sich zuletzt eifrig Notizen gemacht und war sich sicher, dass sie ihren Sven nicht lange überreden müsse: „Dass er sich gesünder ernähren will, sagt er schon, seit wir uns kennen!“ Ich freute mich, meine Patientin so zuversichtlich zu sehen und längst nicht mehr so bekümmert wie zu Anfang.
Zum Abschied riet ich ihr, die Tipps für eine gesunde Ernährung auch für sich selbst zu beherzigen und sich bewusst mehr Momente der Entspannung zu gönnen. Und ich bekräftigte noch einmal, dass eine bipolare Störung nicht das „Aus“ für eine glückliche Beziehung sein müsse. Bettinas Schlusswort: „Zwei Seiten einer Medaille sind immer besser als keine“.
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Bipolare Störung
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.