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Sicher haben auch Sie ganz andere Pläne für die Osterfeiertage gehabt und sind jetzt betrübt, dass traditionelle Einladungen und Familientreffen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr stattfinden dürfen.
Für Kinder hat Ostern natürlich noch einen ganz anderen Reiz – es fühlt sich ähnlich wie Weihnachten an und ist mit ebenso viel Vorfreude verbunden. Ein Osterfest ohne gemeinsames Eiersuchen ist für sie doch bestimmt fast so schlimm wie Weihnachten ohne Geschenke.
Keine Feier ohne Eier
Um dieser Grundstimmung etwas entgegenzusetzen und zumindest ein österliches Gefühl aufkommen zu lassen, will ich heute mal bewusst nicht über den Zusammenhang zwischen Ostereiern und Cholesterin reden (oder den zwischen Schokohasen und viszeralem Bauchfett). Stattdessen habe ich mich gefragt, was wohl erst die Osterhasen selbst über die veränderte Situation denken müssen, und so entstand diese Geschichte:
Theodor, das älteste Kind der Hasenfamilie am Kleehügel, war an diesem Ostersonntag früh aufgestanden. Er wusste, dass er die ganze Bergstraße von oben bis unten mit bunten Eiern ausstatten musste, und Papa Langohr hatte ihm noch einmal eingeschärft, beim Wechseln der Straßenseite immer erst nach links und rechts zu sichern, ob auch kein Auto käme. Frohgemut hoppelte Theodor los – voller Stolz, wieder mit dieser wichtigen Aufgabe betraut zu sein. Allerdings wunderte er sich, dass er auf der Landstraße nicht ein Auto sah. Von weitem erspähte er die Waldschänke, die sonst an Ostern sehr bevölkert war, und staunte nicht schlecht: Sie schien verlassen, der Parkplatz war komplett leer!
Kaum hatte er den Stadtrand erreicht, fand er die Erklärung für die leere Straße: Vier Polizisten standen auf einer Kreuzung und zwangen die Autofahrer, die aufs Land fahren wollten, zur Umkehr. Als Theodor sich näherte, erschrak er: Die angeblichen Polizisten waren nicht nur bewaffnet, sondern auch alle maskiert! Ihm fiel ein, was sein Lehrer in der Hasenschule einmal über maskierte Bewaffnete erzählt hatte: Diese hätten, gelinde gesagt, nicht immer die besten Absichten.
Nichts ist, wie es war
Verstört flitzte er über die Felder in Richtung Bergstraße, und auf Höhe des Hasenbergviertels fiel ihm im Vorbeihoppeln ein riesiges Reklameschild ins Auge, das für einen Baumarkt warb. Unter der Überschrift „Hast du keinen, bau dir einen“ war ein vergitterter Holzverschlag abgebildet, in dem – jetzt fuhr ihm erst recht der Schreck in die Glieder – ein Hase eingesperrt war!
Glücklicherweise war es einer aus Filz. Theodor hatte innegehalten. Er war empört und stark verunsichert, und ihm fiel wieder ein, dass seine Mama einmal in einer Gruselgeschichte den Begriff „Hasenstall“ verwendet hatte.
Schnell hoppelte er weiter, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte. Nachdem er zwei menschenleere Spielplätze passiert hatte, sah er erstmals Menschen auf dem Fußweg, die ihre Hunde ausführten. Theodor versteckte sich blitzschnell in einem Gebüsch, weil er es mit den vielen Ostereiern auf dem Buckel nicht mit den Hunden aufnehmen wollte.
Die Sache hat einen Haken
Normalerweise hätte er ihnen locker davonlaufen können, erst einen linken, dann einen rechten Haken geschlagen und ihnen lachend eine lange Nase gedreht, aber heute hatte er schließlich einen Auftrag, und der Korb mit den bunten Ostereiern drückte schwer auf seine Schultern.
Als die Spaziergänger näherkamen, sah er, dass auch sie maskiert waren! Die Hunde bellten und geiferten und zogen wie wild an der Leine, als sie seinen Geruch aufnahmen, aber die Menschen zerrten sie zurück und schimpften auf sie ein. Das klang irgendwie komisch, weil durch die Gesichtsmasken nur unverständliche Laute drangen.
Als sie endlich verschwunden waren, hoppelte Theodor zügig weiter, und weil die Straße so leer war, flitzte er aus schierem Jux von einer Seite auf die andere und wieder zurück, bis er die Bergstraße erreichte.
Hausmusik
Wenigstens hier war Leben: Die Bewohner machten von Balkon zu Balkon Musik, sie sangen ein Lied, und der eine oder andere klatschte im Takt dazu mit den Händen! Doch so sehr er auch unter die Büsche und Sträucher in den Vorgärten spähte – er fand kein einziges verstecktes Osternest, das man für ihn zum Befüllen bereitgelegt hätte. Theodor war ratlos: Im Jahr zuvor hatte man sich auf seinen Besuch gefreut, und heute schien es fast, als hätten die Menschen gar kein Interesse an Ostern!
Plötzlich entdeckte er, dass einige Menschen ihre Gesichtsmasken mit Hasenzähnen und Schnurrbarthaaren verziert hatten, und er wusste nicht, ob sie ihn damit verspotten wollten oder – jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen – ob sie es ihm zu Ehren gemacht hatten!
Hasenklar: Das galt alles ihm!
Natürlich, so musste es sein, das war sicher der Sinn hinter all den merkwürdigen Vorkommnissen: dass die Polizisten ihm nämlich extra die Straße freigehalten hatten, damit er ohne Gefahr und möglichst unbeobachtet seine bunten Ostereier verteilen konnte! Alle waren nur deswegen in ihren Häusern geblieben, um ihn, den Hasen Theodor, nicht beim Eierverstecken zu stören. Dies erklärte auch die leeren Parkbänke und den einsamen Stadtpark mit den vielen Büschen, die für Eierverstecke wie gemacht schienen, ebenso wie die leeren Kaufhäuser, die wohl nur geschlossen hatten, damit die Menschen nicht auf die Idee kamen, selbst Ostereier zu kaufen. Schließlich war Theodor überzeugt, dass die Menschen nur für ihn gesungen und geklatscht hatten!
Selbst die Kinder waren offenbar brav zu Hause geblieben und warteten wohl ungeduldig auf den Osterhasen. Theodor war jetzt so gerührt, dass er erstmal ein paar Tränchen verdrücken musste, bevor er voller Begeisterung losstratzte.
Verstecken ist doch „eierleicht“!
Er versteckte die Eier überall, wo es ihm gefiel: am Eingang zum Seniorenheim, in den Blumentöpfen vor dem Kindergarten, hinter den Kisten der Essens-Tafel für die Obdachlosen und auf den Fensterbänken des Pförtnerhäuschens am Krankenhaus. Der kleine, geschlossene Friseurladen wurde ebenso bedacht wie das leere Café und die Boutique mit den schönen Frühlingskleidern. Ehe er sich’s versah, war sein Korb mit den Schokoladeneiern leer, aber dabei wollte es der kleine Hase nicht belassen.
Schnell zog er seinen Zauberkorb hervor, prall gefüllt mit besonderen Eiern, aus denen die schönsten Frühlingsblumen wachsen sollten. Diese verteilte er großzügig auf der menschenleeren Wiese, im Park, im Wald, sogar an den Straßen versteckte er diese Super-Eier, die Ostern bunte Blüten treiben sollen.
Seine Aufgabe hatte er erfüllt, also flitzte Theodor, so schnell er konnte, zurück in den Wald, wo die ganze Hasenfamilie schon sehnsüchtig auf ihn wartete.
Er musste alles haarklein erzählen, und seine Eltern und Geschwister staunten nicht schlecht, als er von den vielen Maskierten und leeren Straßen berichtete. Für Papa Langohr aber war die Sache klar: „Was auch passiert, mein Sohn“, sagte er und strich seinem Sohn dabei zärtlich über die Löffel, „über uns Osterhasen werden sich die Menschen noch in tausend Jahren freuen.“
Knickebein mit Maske
Während sie dort vor ihrem Bau in der warmen Nachmittagssonne im Kreis saßen, hatte seine kleine Schwester Knickebein still und heimlich eine Maske aus Baumrinde und Grashalmen gebastelt – mit einer Aussparung für die Augen. Die streifte sie Theodor nun über die Löffel, worauf alle Hasenkinder vor Lachen schier platzten. Mama Langohr fiel auf, dass Theodor damit ja fast aussähe wie Zorro, und alle Hasenkinder riefen im Chor „Zorro, Zorro, Zorro“! Seitdem hatte Theodor seinen Spitznamen weg, und er trug ihn mit ziemlichem Stolz. Mittlerweile roch es aus dem Bau schon verführerisch nach frischem Hefezopf, und gemeinsam feierte die Hasenfamilie noch bis in den Abend hinein das Osterfest.
Möge auch Sie der kleine Hase Zorro mit einem bunten Ostergruß bedacht haben. Wenn nicht, haben sie ihn wahrscheinlich nur noch nicht gefunden – er ist in dieser Geschichte versteckt!
Ich wünsche Ihnen gesunde, fröhliche Ostern!
Ihre
Dagmar Praßler
Klasse Osterhasen Geschichte. Bin gespannt was der Weihnachtsmann machen wird. Aber unabhängig von der Geschichte, der Blog ist einfach Super!