Circa eine von hundert Personen erlebt im Laufe ihres Lebens eine schizophrene Episode. Leider grassieren viele Vorurteile über diese Erkrankung, und entsprechend hoch ist die Stigmatisierung der Betroffenen.
Es ist schon über ein Jahr her, dass eine neue Patientin meinen Rat suchte, nachdem sie gerade die Diagnose Schizophrenie bekommen hatte. Jana* (45) war anzumerken, dass ihr dieses Bekenntnis schwerfiel. Kein Wunder angesichts der Reaktionen in ihrem Umfeld …
Meistens meldet sich die Erkrankung im jungen oder mittleren Erwachsenenalter. Bei Frauen zeigt sich die Krankheit meist später als bei Männern, und es gibt einen Häufigkeitsgipfel um die Menopause herum, was mit sinkenden Östrogenspiegeln zusammenhängt.
Meine Patientin Jana befand sich mit ihren 45 Jahren und den gerade begonnenen Wechseljahren genau in dieser Gruppe.
Eine Schizophrenie … ist nicht wie jede andere
Die Diagnose Schizophrenie beschreibt eher eine Gruppe ganz unterschiedlicher Krankheitsverläufe – Schizophrenie ist also nicht gleich Schizophrenie. Bei jedem und jeder Betroffenen kann sie ganz unterschiedlich verlaufen – dennoch gibt es Gemeinsamkeiten. Bei der Schizophrenie teilt man diese in Positiv- und Negativsymptome ein.
Diese Begrifflichkeit mag man auf den ersten Blick etwas irritierend finden, denn als „positiv“ würde wohl niemand so eine Diagnose charakterisieren. Hier ist jedoch etwas Anderes gemeint: Einerseits können zu der „normalen“ Wahrnehmung bei einer Schizophrenie Symotome hinzu addiert werden – das wird als Positivsymptomatik bezeichnet. Dazu gehören z. B. wahnhaftes Erleben oder Störungen der Denkabläufe.
Das versteht man unter „Positivsymptomen“
- Halluzinationen
Hören (z. B. Stimmen), Sehen oder Fühlen von Dingen, die nicht real sind - Wahnvorstellungen
Die Unfähigkeit, wirkliche von unwirklichen Erfahrungen zu unterscheiden - Denkstörungen
Gedanken können nicht geordnet werden, es werden willkürliche Zusammenhänge hergestellt - Erregtheit
Hohe Anspannung und Reizbarkeit
Andererseits tritt bei der Schizophrenie aber auch eine Minderung oder Verarmung psychischer Merkmale auf – sei es eine Verarmung der Sprache, sozialer Rückzug oder Antriebsverminderung. Das sind dann „Negativsymptome“.
Die „Wechseljahre“ unter Verdacht
„Mit den Negativsymptomen hat es bei mir begonnen“, erklärte Jana damals. „Meine Stimmung war miserabel, ich kam morgens nicht richtig aus dem Bett und konnte mich im Büro spürbar schlechter konzentrieren. Das hab’ ich aber auf die Wechseljahre geschoben, die können ja auch alles durcheinanderbringen.“
Über Wechseljahre habe ich mich hier schon ausgelassen:
Solche eher unspezifischen Symptome vor dem ersten Ausbruch einer Schizophrenie sind sehr typisch und treten bei zwei von drei Erkrankten auf. Dass etwas wirklich nicht stimmte, hatte sie erst deutlich später bemerkt, als sich bei ihr auch „Positivsymptome“ äußerten.
„Ich dachte, dass Fremde meine Gedanken lesen konnten“
„Es fällt mir schwer, zu beschreiben, was da in mir vorgegangen ist“, begann Jana mir bei unserem ersten Treffen von ihrem akuten Schub zu erzählen. „Ich war total angespannt und unruhig, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Plötzlich fühlte ich mich total beobachtet und war davon überzeugt, dass Fremde gerade meine Gedanken lesen konnten. Im Nachhinein klingt das total bescheuert, aber in dem Moment hab’ ich das wirklich gedacht.“
Zum Glück hatte sie sich entschlossen, bei ihrer Familie Hilfe zu suchen und sich dank deren Initiative in einer Klinik für Psychiatrie vorgestellt. Dort hatte sie sofort Unterstützung erhalten: „Ich wurde umgehend auf Medikamente eingestellt, um nicht gleich wieder einen solchen Schub zu erleben“, erzählte sie und fügte hinzu, dass sie ihren Alltag dadurch wieder einigermaßen meistern könne. Freilich: „Ein bisschen Angst und die bange Frage ,Wann kommt die nächste Psychose’ schwingen schon immer mit“, gestand sie.
„Wieso ich?“
Die medikamentöse Behandlung mit sogenannten Antipsychotika, wie Jana sie dann erhielt, ist Standard bei Schizophrenien. Zusätzlich wird psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Das hatte sie auch schon gehört, aber nicht auf Anhieb einen Platz gefunden und stand deshalb auf mehreren Wartelisten.
Einer der Gründe, weshalb sie mich damals aufsuchte, war ihr Interesse an der Ursache: „Wieso trifft es gerade mich? Und kann ich neben den Medikamenten sonst noch etwas tun, um weitere Krankheitsepisoden zu vermeiden?“
Zur Ursache von Schizophrenien wird viel geforscht. Man ist sich heute einig, dass viele Faktoren bei der Krankheitsentstehung eine Rolle spielen. Zum einen gibt es eine eindeutige genetische Komponente, da das Risiko für Menschen, deren enge Verwandte an Schizophrenie erkrankt sind, deutlich erhöht ist.
Auch ein Sauerstoffmangel während der Geburt oder Virusinfektionen der Mutter während der Schwangerschaft erhöhen das Schizophrenie-Risiko des Kindes. Außerdem scheint der Missbrauch von Cannabis im Jugendalter das Risiko einer Schizophrenie zu erhöhen.
Direkt zu den Symptomen einer Schizophrenie scheint dabei – wie auch bei vielen anderen psychischen Erkrankungen – ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern zu führen.
Darm-/Hirn-Achse im Fokus der Forschung
Wenig überraschend hat auch das Darmmikrobiom seine Zotten im Spiel – genauer: die Darm-/Hirn-Achse. Unser Darm kann bekanntlich über Botenstoffe, die von Darmbakterien hergestellt bzw. moduliert werden, mit dem Gehirn kommunizieren und so zum Beispiel unser Verhalten beeinflussen!
Bei Schizophrenie scheint zum Beispiel der Stoffwechsel der Aminosäure Tryptophan eine Rolle zu spielen. Wird Tryptophan nämlich vermehrt in die neurotoxische Chinolinsäure umgewandelt, wie es bei Schizophrenie-Patient:innen der Fall ist, hat dies Auswirkungen auf das Verhalten und die Reaktion auf externe Reize. Diese Umwandlung von Tryptophan entsteht bei einer Silent Inflammation, also einer chronischen, stillen Entzündung, und diese hat ihre Ursache häufig im Darm.
An der Analyse der Zusammensetzung des Mikrobioms bei Schizophrenie wird noch immer geforscht. Forschungsgruppen, die sich mit dem Thema beschäftigen, sind sich aber einig: Veränderungen im Mikrobiom spielen bei Entstehung und Verlauf der Schizophrenie eine wesentliche Rolle.
So kann auch ein löchriger Darm zur Entstehung der Schizophrenie beitragen. Außerdem konnten zwei Studien eine Reduktion der Bakteriengruppen Faecalibacterium und Roseburia bei Schizophrenie-Patienten zeigen. Diese beiden Bakterienarten sind wichtig für die Produktion von Butyrat, dem wichtigsten Nährstoff für unsere Darmbakterien und einem ganz entscheidenden Entzündungshemmer. Butyrat erhält die Struktur der Darm-/Körper-Schranke – und der Blut-/Hirn-Schranke.
Wird zu wenig Butyrat produziert, kann das die Entstehung eines Leaky Gut begünstigen – mit weitreichenden Folgen, wie ich hier schon einmal beschrieben habe:
Ich erinnere mich, dass Jana darauf sofort ansprang: „Woher weiß ich denn nun, was mein Darm braucht? Kann ich irgendwie dafür sorgen, dass es meinen Darmbakterien gut geht?“ fragte sie sehr interessiert.
Das konnte sie in der Tat. Ich empfahl ihr die Einnahme des Probiotikums OMNi-BiOTiC® SR-9, damit sie das Gleichgewicht ihrer Darmbakterien und zusätzlich ihre Darm-/Hirn-Achse stärken konnte. Außerdem legte ich ihr ans Herz, ihren Vitamin D-Status von ihrer Hausärztin überprüfen zu lassen und einen eventuellen Mangel durch die zusätzliche Einnahme von Vitamin D auszugleichen.
Eine Studie konnte nämlich zeigen, dass sich eine Einnahme von Lactobazillen und Bifidobakterien (beides enthalten in OMNi-BiOTiC® SR-9) in Kombination mit einer Vitamin D-Supplementation positiv auf die Symptomatik der Schizophrenie auswirkt!
Selbst die alleinige Einnahme eines Probiotikums mit Bifidobakterien konnte in einer anderen Studie eine Reduktion der Angst- und Depressions-Symptomatik bewirken.
Geteiltes Leid ist halbes Leid
Neben den Medikamenten und der Psychotherapie, auf die Jana damals noch lange warten musste, gibt es noch weitere Möglichkeiten, besser mit der Erkrankung umzugehen und effektiv einen weiteren Schub zu verhindern: Selbsthilfegruppen sind da ein guter Ansatz, weil der Austausch mit anderen Betroffenen vieles erleichtert – gerade auch in Bezug auf die Stigmatisierung, die Jana durch die Diagnose Schizophrenie erlebt hatte. Sie wollte gleich recherchieren, ob es so etwas in ihrer Nähe gab.
Viele Betroffene machen auch mit regelmäßiger Bewegung und Struktur im Alltag gute Erfahrungen. So fällt es leichter, die Antriebslosigkeit, die auch Jana von ihrer Erkrankung kannte, zu überwinden. Außerdem riet ich Jana, ihr Stresslevel immer im Auge zu behalten. Gerade von Schizophrenie betroffene Menschen scheinen besonders empfindlich auf Stress zu reagieren.
Auch zum Thema Ernährung hatte ich einen Tipp für sie. Da Untersuchungen gezeigt haben, dass viele Betroffene der Schizophrenie sehr niedrige Vitamin-C-Spiegel haben und dies mit einer besonders schweren Symptomatik zusammenzuhängen scheint, war Vitamin C ein absolutes Muss für die Bürokauffrau.
Ob in Form von Paprika, Brokkoli, Sanddornsaft, Hagebutte, Gartenkresse oder verschiedenen Obstsorten wie schwarze Johannisbeere – auf eine ausreichende Aufnahme von Vitamin C mit 1.000 mg/Tag sollte Jana unbedingt achten, zur Not mit Supplements. Und ich warnte sie vor, dass viele der Medikamente, die bei Schizophrenie eingesetzt werden, als potenzielle Nebenwirkung eine Gewichtszunahme mit sich brächten. Sollte ihr also auffallen, dass sie trotz unveränderter Essgewohnheiten einige Kilos zunähme, wäre möglicherweise eine Umstellung der Medikamente angezeigt.
Zuletzt hatte ich meiner Patientin dringend ans Herz gelegt, sich bei einer Verschlechterung der Symptome oder ersten Anzeichen einer erneuten Psychose – wie schon beim ersten Mal – ohne Verzug an eine psychiatrische Klinik oder zumindest an ihre Hausärztin zu wenden, und außerdem sei ich ja auch noch da …
Aus der Tatsache, dass ich so lange nichts von ihr gehört habe, schließe ich, dass Jana auf einem guten Weg ist und keine weiteren „Episoden“ dieser Art erleiden musste.
Psychische Phänomene sind gar nicht so mysteriös, wie viele meinen. Es ist ganz trostreich zu wissen, dass Darmbakterien indirekt auch zu unserer seelischen Gesundheit beitragen!
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Schizophrenie Behandlung
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.