Zum zweiten Mal legt sich der Schatten der Corona-Pandemie über alle Planungen fürs Osterfest. Wer hätte im letzten Jahr geahnt, dass das Leben jetzt noch immer diesen Beschränkungen unterliegen würde! So findet, was als einmaliger Oster-Ausflug in die Hasenwelt gedacht war, hier seine Fortsetzung – die Abenteuer des kleinen Hasen Theodor alias Zorro*, Teil 2.
Lockdown für die Waldschule
Zwar hatte die Hasenfamilie am Kleehügel im Jahr der Großen Pandemie nicht gar so sehr wie wir Menschen unter dieser ständigen Ungewissheit zu leiden, der bangen Frage nämlich, ob den Lockerungen nicht doch wieder ein Lockdown folgen würde, doch auch ihr Leben war nicht ganz in den gewohnten Bahnen verlaufen – ganz besonders für Zorro, wie sich gleich herausstellen wird.
* Falls es Sie interessiert, wie Zorro zu seinem Namen gekommen war, können Sie es hier nachlesen:
So war der Unterricht in der Waldschule zuletzt für mehrere Wochen unterbrochen worden, was bedeutete, dass Zorro viel Zeit mit seiner kleinen Schwester Knickebein verbringen musste. Sie streiften praktisch den ganzen Tag durch die Felder und Wälder der Umgebung, und besonders gern kletterten sie auf umgefallene Bäume … um auf der anderen Seite wieder runterzuspringen.
Balduin, the „Bald One“
Begleitet wurden sie dabei gelegentlich von ihrem Klassenkameraden Balduin, einem jungen Eichhörnchen, dem der Hasenkunde- und Englisch-Lehrer Schlaumichl den Spitznamen „The Bald One“ gegeben hatte, also „Der Kahlkopf“, was angesichts seiner buschigen Ohren ziemlich absurd erschien. Balduin wiederum machte die beiden mit einer Zwergkaninchenfamilie bekannt, die weit jenseits der Rehkoppel direkt neben dem Wildbach ihren Bau hatte.
Von den sieben quirligen Kaninchenkindern hatte es Zorro besonders die kleine, pechschwarze Nori angetan. Er spürte, wie sein Herz klopfte, wenn ihr Blick ihn streifte, was auch Knickebein nicht verborgen blieb. Auf dem ganzen langen Weg nach Hause hörte sie nicht auf, ihren Bruder zu necken und „Zorro ist verlie-hiebt!“ zu rufen.
Leider durfte sich Nori nie weit vom Bau ihrer Familie entfernen, und deswegen machte sich Zorro, wann immer er konnte, auf den Weg zum Wildbach, um sie zu besuchen. Das ging schon fast ein Jahr lang so, und Papa Langohr musste seinen Sohn öfter mal ermahnen, die Schulaufgaben über seinen vielen langen Ausflügen nicht zu vernachlässigen.
Alarm am Kleehügel
Eines Tages – Ostern war nicht mehr fern – herrschte plötzlich Aufregung am Kleehügel: Der Lehrer – ein behäbiger, in Ehren ergrauter Dachs, der stets eine Brille ohne Gläser trug, hatte alle Schüler und Eltern auf den Pausenhof der Waldschule beordert. Ihm war zu Ohren gekommen, dass das Bundesgesundheitsministerium Alarm geschlagen hatte: Es bestehe die Gefahr, dass der Osterhase die Menschen mit dem „Spanischen Hasenvirus“ infizieren könnte. Mit ernster Miene und etwas kurzatmig berichtete er der Schulversammlung von dieser neuesten Entwicklung.
„Da hört sich doch alles auf“, empörte sich Papa Langohr, und die Schüler*innen guckten alle verwirrt und ängstlich drein. „Solche haltlosen Unterstellungen sollte sich ein Minister eigentlich Spahn“, fügte er noch hinzu.
„Soll denn das Eierverstecken jetzt ganz ausfallen“, fragte Zorro, dem das Herz in die Hose gerutscht war, hatte er doch heimlich schon geplant, Nori einfach abzuholen, wenn er mit dem Eierkorb Richtung Hasenbergviertel hasten würde. Wie hatten ihre schwarzen Augen geleuchtet, als er sie in seinen Plan einweihte, aber jetzt … schien sein Traum gerade zu platzen.
Nichts für Hasenfüße:
Ein verwegener Plan
„Kommt nicht in Frage“, entfuhr es Papa Langohr, „im Gegenteil, wir werden dieses Jahr erst recht viele Eier verstecken!“ „Genau, und zwar solche, die ganz ohne umweltschädliche Chemikalien gefärbt sind“, griff der Bio-Lehrer Dr. Schachtelhalm die Idee auf. Und Herr Schlaumichl, der gern das letzte Wort hatte, stellte klar: „Dann sollten wir dafür aber auch Bio-Eier verwenden! Gleich morgen werde ich mit der gesamten Klasse zu Bauer Schniepenkarl laufen und die Eier besorgen!“
„Nun, Theodor“, wandte er sich an Zorro, „woran erkennt man denn, ob es sich um Bio-Eier handelt?“ Zorro schaute betreten zu Boden, aber ausgerechnet seine kleine Schwester Knickebein half ihm aus der Verlegenheit und flüsterte ihm zu, „sie müssen mit ’ner Null gestempelt sein.“
„Äh, da muss eine gestempelte Null drauf sein“, antwortete Zorro nun, und der Lehrer schaute ihn erstaunt an. „Sehr richtig“, sagte dieser, „nur so weiß man, dass die Hühner artgerecht gehalten wurden und viel Platz und Auslauf hatten. Denn je höher die Zahl auf dem Ei“, dozierte er, „desto schlechter hatten es die Hühner.“
Während Lehrer Schlaumichl – zu den umstehenden Eltern gewandt – noch weiter sein Wissen ausbreitete und erläuterte, was es mit den Kennziffern 2 und 3 auf sich hätte, war Balduin schon losgeflitzt und hatte die kleine Farblehre aus der Schule geholt. Schnell bildete sich ein Kreis aus Schüler*innen um ihn herum.
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Ein Plädoyer für pflanzliche Farben
„Rein pflanzliche Farben“, las er stockend vor, „erzeugen besonders warme, harmonische Farbtöne. „Ja ja“, unterbrach ihn Knickebein ungeduldig, „aber woraus machen wir die Farben denn nun?“
„Hier steht’s“, sagte Zorro, der Balduin kurzerhand das Plakat abgenommen hatte. „Für blaue Farbe nimmt man getrocknete Heidelbeeren oder Holunderbeeren, und für Gelb Birkenblätter, Zwiebelschalen, Kurkuma oder Johanniskraut.“ „Was ist denn Kurkuma“, wollte Knickebein wissen, was niemand in dem Kreis zu beantworten wusste, aber immerhin gab es ja genügend Alternativen, die sie besorgen konnten.
Jetzt schwang Balduin wieder das Zepter: „Also, für Grün brauchen wir Spinat, Petersilie, Gras oder Brennnesseln, Rotkohl sorgt für eine violette Färbung, und wenn wir welche braun färben wollen, müssen wir die Eier in einen Sud aus Zwiebelschalen legen oder sie in Kaffee oder Schwarztee kochen.“
Wofür Zwiebelschalen und Kaffee gut sind
„Puh, da haben wir ja noch einiges zu organisieren“, meinte Knickebein, aber da sie sehr praktisch veranlagt war, fing sie gleich an, die Aufgaben zu verteilen: „Clemens, Du übernimmst die Birkenblätter“, wandte sie sich an das Rehkitz, „Zorro, Du fragst Mama nach Zwiebelschalen und Kaffee, und ich flitz’ rüber zu Tante Irma und bitte sie um getrocknete Heidelbeeren und Rotkohl. Den hat sie eigentlich immer vorrätig.“
„Oh, wir brauchen auch noch Essig“, merkte Balduin jetzt an. „Hier steht, dass die Pflanzenteile ungefähr 30 bis 45 Minuten in einem Liter Wasser ausgekocht werden müssen. Danach wird der Sud gefiltert, und mit dem Essig lässt sich die Brillanz der Farben noch verstärken!“
Die Eltern und die Lehrer kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wie eifrig sich selbst die Kleinsten meldeten, um von Knickebein eine Aufgabe zugeteilt zu bekommen!
Brodelnde Töpfe überall
Die nächsten Tage standen ganz im Zeichen emsiger Vorbereitungen: Überall sah man dampfende, brodelnde Töpfe, und eifrige Pfoten reichten 1A Bio-Eier an, die in das kochende Wasser gelegt wurden. Gegen Ende machte sich zwar ein beißender Essiggeruch breit, aber schließlich waren Dutzende leuchtend bunter Eier entstanden – gelbe, grüne, rote, braune und violette. Nun wurden die Jüngsten, die bis dahin nur zusehen durften, damit beauftragt, die fertigen Eier zum Trocknen auf das Moos zu legen. „Aber vooooorsichtig“, schärfte Clemens ihnen ein.
Ganz früh am nächsten Tag – es war noch fast dunkel – war Zorro gerade dabei, den großen Korb zu befüllen, als er von Nori überrascht wurde. Sie war einfach zu Hause „ausgebüxt“, um sicherzugehen, dass er sie zum Eierverstecken mitnehmen würde. Zärtlich legte sie von hinten ihre Pfoten über seine Augen, und sein Herz fing sogleich an zu hüpfen.
Als erste Station peilten sie die Kita an der Bergstraße an, danach ging’s zum Impfzentrum am Dorfanger, und nachdem sie das Seniorenheim Hoheneichen beglückt hatten, flitzten sie hinunter zur Feuerwehr am Hasengrund.
„Wie viele haben wir noch?“ Nori warf einen Blick in Zorros Korb und schlug vor, die restlichen Eier bei der „Stiftung Lebenshilfe“ zu deponieren. „Ich kenne sonst keinen, der sich so über bunte Eier freuen würde“, sagte sie und hoppelte entschlossen voraus. „Hach, sie hat so ein gutes Herz“, seufzte er verliebt und nahm die Läufe in die Pfote bzw. die Beine in die Hand.
Viele Stunden später trafen sie wieder am Kleehügel ein, erschöpft, aber glücklich und zufrieden. Und endlich konnte Zorro seinen Eltern Nori vorstellen, das schwarze Zwergkaninchen, an das er sein Herz verloren hatte. Auch Mama und Papa Langohr schlossen Nori sofort in ihr Herz.
Balduin wurde angewiesen, so schnell er konnte, Noris Eltern und Geschwister abzuholen, und gemeinsam feierten sie alle bis in den Abend hinein eines der fröhlichsten Osterfeste, an das sie sich erinnern konnten. Wenn Sie ganz still sind und ans offene Fenster treten, können Sie vielleicht sogar den Gesang und das Gelächter vom Kleehügel hören!
Auch Ihnen wünsche ich, dass Sie in diesen besonderen Zeiten den Mut nicht verlieren und vor allem, dass Sie gesund bleiben. Frohe Ostern!
Herzlich,
Ihre
Dagmar Praßler
Titelbild: © staukestock / shutterstock