Man muss nicht selbst das HI-Virus in sich tragen, um besorgt zu sein. Die moderne Medizin hat allerdings enorme Fortschritte gemacht, der Infektion ihren Schrecken zu nehmen.
Ich bin an dieser Stelle schon öfter auf große Errungenschaften der Medizin eingegangen, z. B. die Erfindung der Antibiotika, die bekanntlich die weltweiten Strategien gegen bakterielle Infektionen revolutioniert haben (gleichwohl leider mit großen Begleitproblemen behaftet sind, wie ich es auf diesem Blog auch immer wieder thematisiere).
In der jüngeren Medizingeschichte sticht besonders die Therapierbarkeit gegen AIDS hervor. Auch wenn Betroffene wohl nur in den seltensten Einzelfällen endgültig geheilt werden können, sind die Therapieoptionen offenbar so gut geworden, dass man bei einer antiretroviralen Therapie auf eine halbwegs normale Lebenserwartung blickt.
Die antiretrovirale Therapie (ART) unterdrückt die Vermehrung des Virus im Körper. Damit wird etwas Entscheidendes erreicht: Die Patient:innen sind fortan nicht mehr ansteckend.
1983 konnte das für AIDS verantwortliche HI-Virus (Humanes Immundefizienz-Virus) zum ersten Mal isoliert werden – nur wenige Jahre, nachdem die damals noch unbenannte Krankheit erstmals aufgetreten war und sich erschreckend schnell verbreitet hatte.
Erster Hoffnungsschimmer
Zu diesem Zeitpunkt galt eine Ansteckung mit dem HI-Virus und die daraus entstehende Krankheit AIDS als unabänderliches Todesurteil. Man darf nicht vergessen, dass seit den 1980er-Jahren rund 40 Millionen Menschen an AIDS gestorben sind!
Mit dem Aufkommen der ersten antiretroviralen Medikamente zur Reduktion der Viruslast gingen die Zahlen etwas zurück: Während sich 1997 weltweit noch 2,9 Millionen Menschen neu infiziert hatten, waren es 2018 „nur“ noch 1,7 Millionen. Noch eindrücklicher ist die Zahl der Todesfälle: 2005 gab es noch 1,7 Millionen Aids-Tote, 2021 wurden 650.000 Todesfälle gezählt.
Von der Entdeckung des HI-Virus bis zu dieser medizinischen Glanzleistung vergingen gerade mal 13 Jahre! Nun könnte die Zahl der Neuansteckungen und Todesfälle weltweit noch deutlich weiter reduziert werden, gäbe es nicht die teils großen medizinischen Versorgungslücken in den ärmeren Regionen der Welt. Dies hat unmittelbar zur Folge, dass jenes tückische Virus dort immer noch ungebremst wüten kann.
Die jahrelange Verunsicherung wirkt nach
Warum ich mich heute diesem Thema widme, hängt mit dem Besuch eines „Patienten“ in meiner Praxis zusammen, der nur indirekt von diesem Virus betroffen ist: Lasse* (35), ist homosexuell, sein neuer Partner Tim* (33) HIV-positiv.
Da sich Lasse bisher nur oberflächlich mit diesem Thema beschäftigt hatte, fühlte er sich stark verunsichert: „Ich möchte Tim auf keinen Fall vor den Kopf stoßen, zumal er mir versichert hat, dass er mich nicht anstecken kann, aber so ganz wohl fühle ich mich trotzdem nicht bei dem Gedanken, mit ihm zu schlafen.“
Lasses latente Angst ist verständlich, weiß man doch, dass HIV am häufigsten beim Geschlechtsverkehr übertragen wird, allerdings nicht nur: Auch der Kontakt mit kontaminiertem Blut oder die Übertragung von Mutter auf Kind spielt eine (wenn auch untergeordnete) Rolle.
Nun wurde mir sein Partner Tim ja nicht vorgestellt, daher konnte ich auch nicht beurteilen, ob dieser adäquat behandelt wird, aber ich versicherte Lasse, dass bei einer antiretroviralen Therapie kaum noch ein Ansteckungsrisiko besteht.
Zwar wirkte er erleichtert, aber ihn quälte noch eine andere Sorge: „Ist es denn so, dass Tim unter dieser Therapie dann auch nicht an HIV sterben wird?“ Auch in dieser Hinsicht konnte ich ihn beruhigen, denn klar ist, dass nicht die HIV-Infektion selbst zum Tode führt, sondern deren Endstadium AIDS (Acquired ImmunoDeficiency Syndrome = erworbenes Immunschwäche-Syndrom).
Kann man ein Virus hinterhältig nennen?
„Das Hinterhältige an dem HI-Virus ist ja, dass es erst mal unauffällig bleibt“, meinte Lasse. „Klar kann man das so sehen“, entgegnete ich, „aber diese Strategie beherrschen viele Viren. Viel bedenklicher finde ich ja, dass immer mehr Virus-Erkrankungen ihren Ursprung einer Zoonose verdanken, also der Übertragung von einem Tier auf den Menschen.“
Um Zoonosen ging es auch in einem zurückliegenden Blog-Beitrag, den Sie hier nachlesen können:
Die ersten Opfer des HI-Virus sind T-Helfer-Zellen in unserem Körper, die für die Immunabwehr von entscheidender Bedeutung sind. Tatsächlich treten dann nach der Erstinfektion über Jahre oft keine Symptome auf. Ohne eine entsprechende Therapie verringert sich allerdings die Zahl der funktionstüchtigen Abwehrzellen immer weiter.
Schlussendlich ist die körpereigene Immunabwehr so geschwächt, dass andere Erregerleichtes Spiel haben. Dies zeigt sich dann zumeist in „Nicht-AIDS-definierenden Krankheiten“ wie z. B. Gürtelrose oder Pilzerkrankungen im Rachenbereich als erste Anzeichen einer HIV-Infektion.
Schreitet die Erkrankung weiter voran, treten irgendwann „AIDS-definierende Krankheiten“ in Erscheinung: Zu den typischen Erkrankungen von HIV-Patient:innen zählen etwa Lymphome (Lymphdrüsenkrebs) oder auch Lungenentzündungen (z. B. Pneumocystis-Pneumonie).
AIDS hat leider nichts von seinem Schrecken verloren
„Aber gegen AIDS ist bisher noch kein Kraut gewachsen, oder?“ Lasses banger Frage konnte ich zwar nichts entgegensetzen, aber dass Tim dank ART höchstwahrscheinlich nicht an AIDS sterben und wohl auch an Lebensjahren nichts einbüßen würde – an dieser Prognose hielt ich fest.
„Das beruhigt mich wirklich, danke“, meinte Lasse. „Wissen Sie, im Internet gibt es natürlich viele Informationen, aber erstens kenne mich mit Medizin nicht so gut aus, und zweitens gibt es mir doch ein besseres Gefühl, das von Ihnen bestätigt zu bekommen.“
Auch wenn Tim selbst nicht zu meinen Patienten zählt, wollte ich Lasse noch ein paar Hinweise für seinen Partner mit auf den Weg geben. Wer meinen Blog verfolgt, weiß, dass ich mich auf das Mikrobiom und dessen Wirkweisen in unserem Körper spezialisiert habe. Gerade zum Thema HIV gibt es im Zusammenhang mit dem Mikrobiom einige spannende Erkenntnisse, die ich Lasse bzw. Tim nicht vorenthalten wollte:
Das Mikrobiom im Darm, sprich: unser darmansässiges Immunsystem, wird im Rahmen einer HIV-Infektion geschädigt und kann sich selbst bei guter HIV-Therapie nur sehr langsam wieder regenerieren. Bakterien können dabei vom Darm ins Blut ausgeschwemmt werden und zu zahlreichen Entzündungsreaktionen führen, da nun plötzlich Bakterien und vor allem deren pathogene Toxine in Organen zu finden sind, wo sie nichts zu suchen haben.
Ein starkes Mikrobiom unterstützt die Therapie
Welche Schäden eine solche Endotoxinämie anrichten kann, reicht von „Inflammaging“ (der vermehrten Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine bei älteren Menschen) über Organschäden bis zu einem höheren Risiko für Herz-/Kreislauf- bzw. Krebserkrankungen.
Wie Inflammaging den Alterungsprozess fördert, können Sie hier genauer nachlesen:
Wichtiger noch erscheint mir die Erkenntnis aus einer Studie der Universität Valencia**, dass die spezifische Zusammensetzung des Mikrobioms bei HIV-Patient:innen den Erfolg der antiretroviralen Therapie beeinflussen kann.
Demnach war die Infektion mit HIV mit erkennbaren Veränderungen des Mikrobioms verbunden. Unter anderem waren Bifidobakterien und Ruminokokken deutlich reduziert. Bestimmte Bakterien wurden durch eine ART-Behandlung aktiviert und begannen, anti-inflammatorische Moleküle zu produzieren. Die Erholung des Immunsystems dieser Patient:innen war dabei deutlich effektiver als das jener Studienteilnehmer:innen, deren Darmbakterien nicht mit einem vergleichbaren anti-inflammatorischen Effekt reagierten.
Die Effektivität einer antiretroviralen Therapie scheint also – wenig überraschend – von der individuellen Zusammensetzung des Mikrobioms abzuhängen. Daher würde es sich für Tim auf jeden Fall lohnen, auf ein funktional gesundes Mikrobiom zu achten. Denn auch wenn er keine HIV-typischen Symptome entwickelt, hätte eine Dysbiose, also eine Verschiebung des Gleichgewichts der Darmbakterien, sehr wahrscheinlich einen negativen Einfluss auf seine Gesundheit, wenn nicht gar (s. o.) auf den Erfolg seiner ART!
Hier wird’s konkret:
Auch Lasses Immunsystem würde von einer Probiotika-Therapie profitieren, daher empfahl ich beiden eine Initialtherapie mit OMNi-BiOTiC® 10 für zwei Monate, danach eine 12-monatige Therapie mit OMNi-BiOTiC® Aktiv. Dazu – als Futter für die „guten“ Bakterien – das Präbiotikum OMNi-LOGiC® IMMUN mit Zink, Calcium, Vitamin D, Fibregum™ und B-Vitaminen. Und zur Unterstützung der Schleimhaut noch das META-CARE® Colon Lecithin.
Lasses besorgte Miene hatte sich merklich aufgehellt. Meine Ausführungen schienen ihn wohl überzeugt zu haben, denn er gelobte, gleich auf dem Heimweg eine Apotheke aufzusuchen. Ergänzend legte ich ihm noch ans Herz, künftig ganz besonders auf eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung mit möglichst unverarbeiteten Lebensmitteln zu achten.
„Großes Ehrenwort“, versprach er zum Abschied und verließ erleichtert meine Praxis. Das konnte er auch, denn dank der modernen Medizin stehen ihm und Tim viele gemeinsame Jahre bevor, was noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre.
Ich hoffe, ich konnte auch Ihnen etwas mehr Sicherheit im Umgang mit diesem Thema vermitteln und grüße Sie wie immer herzlich!
Ihre
Dagmar Praßler
HIV antiretrovirale Therapie
* Alle Namen geändert
In meinem Blog beschreibe ich alle 14 Tage Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Ratoder den einer Heilpraktikerin/ eines Heilpraktikerseinholen.
Alternierend, ebenfalls 14-tägig, widme ich mich hier (unter dem Rubrum „News“)aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.