Warum eigentlich bekommen Altersforscher leuchtende Augen, wenn von der Osterinsel die Rede ist? Passend zu den Feiertagen lüften wir hier das Geheimnis eines Stoffes, der nicht nur die Alters-, sondern auch die Transplantations- und Krebsmedizin elektrisiert hat.
Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt überschlugen sich die Anti-Aging-Forscher vor Begeisterung: Gerade war ein Mittel entdeckt worden, das lebensverlängernde Wirkung haben sollte! So berichtete etwa der SPIEGEL (im Juli 2009) von einem „Naturstoff von der Osterinsel“, der ein längeres Leben versprach – „zumindest für Mäuse“.
Sicher haben Sie auch schon mal Bilder der bis zu 1.500 Jahre alten monumentalen Steinstatuen gesehen, die auf der gesamten Osterinsel verteilt sind, aber wissen Sie auch, woher die Insel ihren Namen hat? Es ist ganz banal: Ein holländischer Seefahrer hatte die Insel an einem Ostersonntag des Jahres 1722 entdeckt und … ihm fiel kein besserer Name ein!
Auch die Süddeutsche Zeitung jubilierte 2009: „Der lang ersehnte Menschheitstraum vom Jungbrunnen könnte womöglich in Erfüllung gehen.“ Doch wie kam es zu dem Hype?
Eine Gruppe nordamerikanischer Biochemiker und Altersforscher um David Harrison hatte
einer Gruppe älterer Nager, die – auf ein Menschenalter bezogen – die 60 bereits überschritten hatten, einen Bakterienextrakt (!!) von der Osterinsel zugeführt und festgestellt, dass diese rund zehn Prozent länger lebten als ihre Kontrollgruppen.
Ein Jungbrunnen … nur für ältere Nager?
Der Wirkstoff, um den es sich handelte, heißt Rapamycin (in Anlehnung an den Namen, den die ursprünglichen Bewohner ihrer Insel gaben: Rapa Nui). Er wird aus einem Bakterienstamm isoliert, der ausschließlich auf der südpazifischen Osterinsel vorkommt.
Dieser war zwar schon in den 1970er-Jahren entdeckt worden, wurde aber aufgrund seiner immundämpfenden Wirkung in erster Linie bei Organtransplantationen eingesetzt, weil damit eine Abstoßung des Fremdgewebes verhindert werden konnte.
Zudem wird Rapamycin bei Stent-Operationen eingesetzt, um die Herzkranzgefäße offen zu halten, und gerade die Krebsforschung erhofft sich bis heute viel von diesem Stoff.
Was sich für die Anti-Aging-Forscher wie ein echter Durchbruch anhörte, war allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn erstens – wie bereits erwähnt – fährt dieser Stoff das Immunsystem herunter, und zweitens ließe sich der Gewinn an Lebenszeit leider nicht 1:1 auf den Menschen übertragen. Wir leben nun mal nicht unter sterilen Laborbedingungen, und ein inaktives Immunsystem würde uns vermutlich eher früher als später sterben lassen.
Außerdem steht Rapamycin im Verdacht, die Hoden schrumpfen zu lassen – böses Erwachen für die Mäuseriche! Aber das wären schließlich Peanuts im Vergleich zur erhöhten Lebenserwartung …
Ein weites Feld für die Forschung
Wie genau Rapamycin wirkt, ist noch nicht abschließend geklärt. Es wird aber vermutet, dass der sogenannte mTOR-Signalweg (mammalian Target Of Rapamycin = Ziel des Rapamycin bei Säugetieren) eine entscheidende Rolle spielt. Dieser ist stark mit der Regulierung der Nahrungsaufnahme verknüpft. Welche tragende Rolle mTOR in unserem Körper spielt – darüber habe ich erst kürzlich ein Video produziert:
Seit langem ist bekannt, dass die Lebenserwartung bei Mäusen steigt, je weniger Kalorien sie zu sich nehmen. Das trifft im übrigen auch auf uns Menschen zu! Rapamycin scheint am gleichen biochemischen Mechanismus anzusetzen. Genau deshalb hofft die Forschung, hier neue Angriffspunkte gegen altersbedingte Krankheiten zu finden.
Fakt ist, dass sich Rapamycin hemmend auf TOR auswirkt, wodurch die Zellen gewissermaßen in einen Sparmodus schalten: Sie hören auf, neue Moleküle zu produzieren, und steigern dafür den Abbau von überflüssigen Proteinen. Diesen Prozess nennt man Autophagie, und deshalb erhofft man sich von Rapamycin eine heilende Wirkung gerade bei Krankheiten wie z. B. Alzheimer oder Krebs.
Ewige Jugend? Ein dickes Ei!
Doch wie groß das Potenzial von Rapamycin für die Bekämpfung solcher Krankheiten auch sein mag – ausgerechnet die Hoffnungen auf einen lebensverlängernden Effekt dieses Stoffes oder gar die Entdeckung eines „Jugendelixiers“ wurden zwischenzeitlich sehr relativiert:
So hat 2013 ein Forscherteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Helmholtz Zentrums München* festgestellt, „dass Alterungsprozesse dabei kaum aufgehalten werden. Der lebensverlängernde Effekt könnte vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass Rapamycin das Wachstum von Krebsgeschwüren bremst. Dadurch wirkt das Präparat einer der Haupttodesursachen von Mäusen entgegen.“
Sehr ernüchternd auch das Fazit der Studie, wonach „Rapamycin das Leben zwar verlängert, aber nur sehr begrenzte Effekte auf das Altern an sich hat“.
Übrigens: Mit welchen Maßnahmen sich Alterungsprozesse auch ohne Rapamycin verlangsamen lassen, habe ich in diesem Video zusammengefasst:
Doch ganz egal, was aktuelle Forschungen noch ergeben mögen – die wichtigste Voraussetzung für ein langes, gesundes Leben ist zweifellos ein ausbalanciertes Darmmikrobiom. Schließlich sehen wir an dem Bakterienstamm auf der Osterinsel, wozu Mikroben fähig sind. Wer weiß, welches Langlebigkeit-Bakterium wir in unserem Darm beherbergen! Wird unsere bakterielle Diversität durch Probiotika, viel vollwertige Kost und Ballaststoffe abgesichert, können uns auch ein paar Schokolade-Ostereier nichts anhaben.
Wenn das keine gute Osternachricht ist!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen schöne Feiertage!
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Veröffentlichung des DZNE (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen)
Alterungsmedizin
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.