Wie jemand aus heiterem Himmel von dieser Autoimmunerkrankung heimgesucht werden kann, ist noch längst nicht hinreichend erforscht. Den besten Schutz bietet vermutlich auch hier ein gesundes Darmmikrobiom …
Einen meiner letzten Patienten (Arne*, 49) hatte ich ganz anders in Erinnerung, als er mich kürzlich in meiner Praxis aufsuchte – mit einem leichten Bauchansatz zwar, aber doch groß und sportlich. Als ich ihn jetzt jedoch sah, wirkte er eingefallen und mindestens 15 kg leichter.
Meinen erschrockenen Blick schien er erwartet zu haben, denn er hielt sich nicht lange mit Vorreden auf, bevor er mich aufklärte, an einem akuten Guillain-Barré-Syndrom zu leiden.
„Ich war plötzlich wie lahmgelegt“, begann er und malte den Schock aus, als ihm die Diagnose eröffnet wurde. Dazu muss man wissen, dass Arne bis dahin noch nie von einer schweren Krankheit heimgesucht worden war. In seiner Freizeit, daran konnte ich mich noch erinnern, trieb der Software-Entwickler gern und viel Sport.
„Angefangen hat es damit, dass meine Hände und Füße plötzlich kribbelten“, fuhr er in seiner Schilderung fort. Das sei ihm zwar komisch vorgekommen, aber er habe es zunächst auf das lange Arbeiten am PC geschoben. Als das Kribbeln aber auch nach vier Tagen nicht aufhören wollte und er zusätzlich das Gefühl bekam, seine Beine würden sich ungewöhnlich schwach anfühlen, sei ihm dann doch mulmig geworden.
Zum Glück sei er mit einer Neurologin befreundet, der er seine Symptome geschildert habe. „Die stand 20 Minuten später bei mir auf der Matte und hat mich direkt in die neurologische Notaufnahme gefahren. Sie kennt mich ja und wusste, wie ungern ich zum Arzt gehe, vom Krankenhaus ganz zu schweigen. Aber das Schlimmste hatte ich da erst noch vor mir …“
„… wenn der eigene Körper nicht mehr macht, was man will.“
In der Neurologie war er – vermutlich dank der Intervention seiner Begleiterin – überraschend schnell in einem Untersuchungszimmer gelandet und dort ausführlich untersucht worden. „Zu dem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, meine Füße und Beine schon deutlich schlechter bewegen zu können als noch wenige Stunden zuvor. Ein gruseliges Gefühl, wenn der eigene Körper nicht mehr macht, was man will.“
Im Endeffekt sei er dann stationär aufgenommen worden. „Da war mir noch nicht klar, dass ich dort eine ganze Weile bleiben würde“, fügte er hinzu.
Von „komischem Kribbeln“ bis zu Lähmungen
Der von Arne geschilderte Verlauf, beginnend mit einem symmetrischen Kribbeln der Hände und Füße und einer anschließenden Muskelschwäche im Bereich der Füße und Beine, ist typisch für das Guillain-Barré-Syndrom das eine Form von Polyneuropathie darstellt.
Die Muskelschwäche wird im weiteren Verlauf von Lähmungen abgelöst, die normalerweise einige Tage nach den ersten Gefühlsstörungen beginnen.
Nach Beginn im Bereich der Beine breiten sich die Lähmungen „von unten nach oben“ weiter aus. Neben den Beinen können im Verlauf auch die Arme, die Atemmuskulatur und Hirnnerven betroffen sein. Besonders beim Stichwort „Atmungslähmung“ wird klar, dass das Guillain-Barré-Syndrom ein echter Notfall ist. Ein Glück, dass Arnes Freundin die Schwere seiner Erkrankung gleich erkannt hatte und er schnell in der Klinik gelandet war.
Dort hatten sich Arnes Lähmungserscheinungen zunächst weiter ausgebreitet: „Das war wirklich nicht lustig, auf einmal überhaupt nicht mehr laufen zu können, aber wenigstens blieb mir die Intensivstation erspart.“
Insgesamt spiegelte Arnes Beschreibung den typischen Verlauf dieser Erkrankung: Innerhalb von Tagen oder Wochen erreicht die Symptomatik ihren Höhepunkt, bevor sie bei den allermeisten Betroffenen wieder rückläufig ist. Dass der gesamte Prozess allerdings länger dauern kann – auch davon konnte mein Patient ein Lied singen:
„Nach fast drei Wochen im Krankenhaus war ich anschließend vier Wochen in der Reha“, schloss er seinen Bericht. Immerhin erleben circa 85% aller Betroffenen einen kompletten Rückgang der Symptome. Lediglich in fünf bis zehn Prozent der Fälle bleiben dauerhafte Lähmungen zurück, und – auch das muss leider gesagt werden – bis zu drei Prozent der Betroffenen versterben an akuten Komplikationen wie der Atemlähmung.
Viele potenzielle Auslöser, aber kein Grund zur Panik!
Leider weiß man bis heute noch nicht, wie es zu den Lähmungen beim Guillain-Barré-Syndrom kommt. Vermutet wird, dass eine Autoimmunreaktion hinter den Lähmungen und Gefühlsstörungen steckt, bei der sich Antikörper gegen Bestandteile von Nerven bilden. Als erwiesen gilt lediglich, dass die Auslöser für diese Autoimmunreaktion meist Infektionen sind.
Besonders häufig tritt das Guillain-Barré-Syndrom nach einer Magen-/Darm-Infektion mit dem Bakterium Campylobacter jejuni auf. Auch bakterielle Erreger von Atemwegsinfekten und verschiedene Viren wie EBV, Herpes oder auch Coronaviren können im Verlauf ein Guillain-Barré-Syndrom auslösen.
Daneben können auch operative Eingriffe, Impfungen oder sogar eine Schwangerschaft das Syndrom triggern. Bevor Sie jetzt in Panik geraten und bei jeder bevorstehenden Impfung oder nach jedem Infekt Angst vor dem Guillain-Barré-Syndrom bekommen: Mit ein bis zwei Fällen pro 100.000 Einwohnern bleibt diese Erkrankung letztlich doch eine seltene Erscheinung.
Medikamente sind leider noch Fehlanzeige
„Ob es ein Medikament dagegen gibt, war natürlich meine erste Frage“, erinnerte sich Arne. Leider hätte ihm das Ärzteteam erklären müssen, dass es kein zielgerichtetes Medikament gegen die Erkrankung gebe. Kein Wunder, ist doch der genaue Auslöser des Guillain-Barré-Syndroms noch ein Mysterium. Dennoch gibt es Therapie-Ansätze:
Neben der stationären Überwachung kann eine Gabe von Immunglobulinen, also Antikörpern aus Blutplasmaspenden, über die Vene erwogen werden. Auch eine Plasmapherese, bei der die Autoantikörper aus dem eigenen Blut „herausgewaschen“ werden sollen, kann durchgeführt werden. Ansonsten gilt: abwarten, die Betroffenen überwachen und bei Rückläufigkeit der Symptome Rehabilitationsmaßnahmen durchführen.
„Was mich am meisten interessiert, wäre eine Erklärung, warum ausgerechnet mich diese Krankheit ereilt hat. War ich vielleicht besonders anfällig für das Guillain-Barré-Syndrom?“
Hat auch hier der Darm seine Zotten im Spiel?
Wie bei etwa 30% der Betroffenen weltweit hatte auch Arne vor seinem Guillain-Barré-Syndrom einen Magen-/Darm-Infekt, ausgelöst vermutlich durch das schon erwähnte Bakterium Campylobakter jejuni. Es wird vermutet, dass die bei einer Infektion gebildeten Antikörper gegen Campylobacter jejuni nicht nur das Bakterium erkennen, sondern auch ähnliche Strukturen auf unseren Nerven.
Da jedoch nicht alle Menschen nach einer Campylobacter-jejuni-Infektion am Guillain-Barré-Syndrom erkranken, scheint die Autoimmunreaktion zusätzlich durch weitere Faktoren beeinflusst zu werden.
Ein naheliegender Verdächtiger ist ohne Zweifel das Darmmikrobiom, weil es bekanntlich Immunreaktionen des Körpers ganz wesentlich beeinflusst und bei vielen Autoimmunprozessen eine zentrale Rolle spielt. Die Forschung zum Zusammenhang zwischen Guillain-Barré-Syndrom und Mikrobiom steht zwar noch ganz am Anfang, aber es gibt schon erste Daten.
So konnte an einer großen Zahl finnischer Frauen gezeigt werden, dass die Bakterienarten Ruminococcus gnavus und Ruminococcus gauvreauii mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Guillain-Barré-Syndroms zusammenhingen**. Etwas mehr Daten gibt es dafür zur Infektion mit Campylobacter jejuni, die mit einer Dysbiose des Darmmikrobioms assoziiert ist.
Wie man wieder „auf die Beine kommt“
Wie er wieder vollständig fit werden könne, war auch die Frage, die Arne umtrieb, war er doch „aktuell noch sehr schnell erschöpft“. Zwar werde er von einem Physiotherapeuten gut betreut, doch an „richtigen Sport“ müsse er sich erst noch herantasten.
Ob ihm vielleicht Probiotika dabei helfen könnten, fragte er und rannte damit bei mir offene Türen ein, denn das können sie in der Tat – nicht nur durch Wiederherstellung eines gesunden Gleichgewichts der verschiedenen Darmbakterien, sondern auch durch eine Stärkung der Nerven und der Darm-Hirn-Achse.
Zunächst wollte ich aber sicherstellen, dass der Keim Campylobacter jejuni endgültig eliminiert würde, denn sehr wahrscheinlich war er Auslöser des ganzen Dramas, und es ist bekannt, dass ein erheblicher Anteil der Betroffenen nach der akuten Erkrankung noch über Wochen an Verdauungsstörungen leidet.
Daher empfahl ich meinem Patienten das Multispezies-Probiotikum OMNi-BiOTiC® REISE.Arne guckte verdutzt, denn verreisen wollte er jetzt eigentlich nicht. Doch dieses Probiotikum bezieht seinen Namen aus der Tatsache, dass es gezielt gegen unerwünschte Keime wirkt, die man sich gern auf Reisen einfängt und dann „Montezumas Rache“ auslösen – anhaltende Diarrhoen.
Im Gegensatz zu den häufigsten Durchfallerregern, die sich selbst limitieren, weil sie mit dem Durchfall ausgeschieden werden, sind Campylobacter neben Shigellen und Salmonellen besonders hartnäckig und problematisch. Bekannt ist nämlich, dass Campylobacter sich an der Darmschleimhaut festsetzen und diese langfristig verändern bzw. entzünden können. Dann besteht die Gefahr eines postinfektiösen Reizdarmsyndroms oder einer Colitis.
Um dem vorzubeugen, soll Arne jetzt für drei Monate OMNi-BiOTiC® REISE einnehmen.Dazu habe ich ihm Colibiogen® oral für vier Monate empfohlen, weil es ausgleichend auf das Immunsystem wirkt und zu einer verbesserten Regeneration der Darmschleimhaut beiträgt. (Das haben viele Fälle in meiner Praxis gezeigt.)
Der darin enthaltene Wirkstoff ist ein Fermentationsfiltrat von E.coli L1931. Die Stoffwechselprodukte dieses E.coli-Stammes versorgen die Darmschleimhaut mit wichtigen Nährstoffen. Last but not least soll Arne noch für ebenfalls vier Monate das META-CARE® Colon-Lecithin einnehmen. Von den bewährten Phospholipiden, Zink, Wermutblatt und B-Vitaminen würde seine Darmschleimhaut zusätzlich profitieren.
Als Langzeittherapie empfahl ich Arne die Einnahme von OMNi-BiOTiC® SR-9 mit B-Vitaminen, einem Probiotikum, das nicht nur neun ausgewählte Bakterienstämme, sondern zusätzlich auch die „Nerven-Vitamine“ B2, B6 und B12 enthält. Aus meiner Praxis kann ich berichten, dass insbesondere Patienten mit einem „Nerven-Thema“ von diesem Multispezies-Probiotikum besonders profitieren.
Gefahr droht auch in hiesigen Gefilden …
Dass man sich aber nicht nur auf Reisen in exotische Länder mit Campylobacter infizieren kann, soll auch nicht verschwiegen werden. Das RKI schreibt zu heimischen Infektionsherden:
„Die Kontamination von Lebensmitteln und Wasser erfolgt primär durch Ausscheidungen von mit Campylobacter kolonisierten Tieren. Geflügelfleisch kann während des Schlachtprozesses über den Darminhalt der Tiere kontaminiert werden. Frisches Hähnchenfleisch im Einzelhandel ist häufig mit Campylobacter kontaminiert.“
(Website des Robert-Koch-Instituts)
Den Hinweis auf kontaminiertes Wasser sollte man durchaus ernst nehmen, denn auch Badeseen können durch Campylobacter verunreinigt sein. Um eine Ansteckung zu vermeiden, sollte man beim Baden in solchen Gewässern lieber kein Wasser schlucken … Wichtiger erscheint jedoch die Warnung vor bestimmten Lebensmitteln:
Vorsicht wegen möglicher Campylobacter-Kontaminierung …
- wenn Geflügelfleisch und -produkte nicht ausreichend erhitzt werden
- wenn Hackfleisch nicht vollständig durchgegart wird
- bei Verwendung von Rohmilch oder Rohmilchprodukten
- beim Verzehr frischer Mett- oder Leberwurst
- bei verunreinigtem Trinkwasser
„Himmel, Geflügel, das ist es“, platzte es aus Arne heraus. „Ich esse häufig Hähnchenbrustfilet, besorge es mir immer frisch im Supermarkt“.
Das kann durchaus ein Auslöser gewesen sein. Nun bekommt nicht jeder, der gern Hühnchen ist, eine Campylobacter-Infektion, und natürlich auch nicht jeder Auslandsreisende. Theoretisch lässt sich eine akute Infektion auch mit Antibiotika behandeln, aber gerade Campylobacter-Bakterien haben sich als äußerst resistent gegen Ciprofloxacin erwiesen – ausgerechnet das Antibiotikum, das bei vielen bakteriellen Infektionen beim Menschen Verwendung findet.
Arne dürfte mit den oben aufgelisteten Therapiemaßnahmen auf einem guten Weg sein. Gleichzeitig beschwor ich ihn aber, seine Ernährung kritisch zu überprüfen, denn eine „darmgesunde“, ballaststoffreiche Kost ist die beste Voraussetzung, der Entwicklung einer Autoimmunerkrankung wirksam vorzubeugen. Zur Einstimmung legte ich ihm diese Lektüre ans Herz:
Ich hatte den Eindruck, dass mein Patient nicht mehr ganz so gebeugt war, als er meine Praxis verließ, jedenfalls schien er äußerst motiviert, alles für seine vollständige Genesung zu tun.
So selten das Guillain-Barré-Syndrom auch ist – den besten Schutz davor genießt auch hier, wer seinen Darmbakterien immer die gebührende Achtung schenkt …
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
** vgl. https://doi.org/10.1016/j.jad.2024.05.011
Guillain-Barré-Syndrom
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.