Da sorgen wir uns seit Jahren, weil Antibiotika-resistente Keime weltweit im Vormarsch sind, und dann kommt so eine Meldung: Im menschlichen Darm schlummern offenbar bislang unentdeckte, natürliche Antibiotika!
Man kann nur ehrfürchtig den Hut ziehen vor César de la Fuente und seinem Team von der Perelman School of Medicine in Philadelphia, dem eine phänomenale Entdeckung gelungen ist: Sie fanden im Darm gesunder Menschen „78 potenziell antimikrobielle Peptide, von denen mehr als die Hälfte in der Lage waren, Bakterien in Zellkulturen abzutöten“.*
Das Besondere war ihre Vorgehensweise, denn: „Die Entdeckung neuer Antibiotika war in der Vergangenheit ein mühseliges Unternehmen. Mikrobiologen durchstreiften Urwälder und Sümpfe auf der Suche nach ungewöhnlichen Schimmelpilzen, deren Bestandteile dann in Petrischalen auf ihre Fähigkeit untersucht wurden, Bakterien abzutöten.“
De la Fuente hingegen musste für diese Entdeckung „zunächst noch nicht einmal seinen Schreibtisch verlassen. Die Suche begann mit einer Datenbankrecherche auf der Seite des Human Microbiome Project.“
Dieses groß angelegte Projekt wurde 2008 von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde ins Leben gerufen, um das menschliche Mikrobiom zu identifizieren und charakterisieren. So entstand eine Referenzdatenbank für den Genpool des Mikrobioms gesunder Erwachsener. Schätzungsweise gelang es dem Projekt, bis zu 99 % aller ca. 10.000 Mikrobenarten im Mikrobiom zu erfassen.
In jener opulent ausgestatteten Datenbank „durchstöberten die Forscher die Daten von 1.773 Metagenomen. Das ist die Gesamtheit aller Gensequenzen, die andere Forscher in den Mikrofilmen von Mundhöhle, Haut, Darm oder Vagina gefunden hatten.“
Strategien von Mikroben in feindlicher Umgebung
Wie genau das Forscherteam methodisch vorging, lässt sich in dem unten verlinkten Artikel nachlesen. Von den zunächst gefundenen 2,5 Millionen Genabschnitten, die „möglicherweise Proteine kodieren“, blieben am Ende jedenfalls 78 Peptide übrig, „deren Sequenz bekannten antimikrobiellen Peptiden ähnelten“.
Aus diesen „78 Peptidkandidaten, die bisher nur eine Computerdatei mit einer Gensequenz waren, wurden die echten Proteine synthetisiert. Mit ihnen wurden dann in einem klassischen mikrobiologischen Experiment 11 verschiedene Bakterienkulturen geimpft.“
Versteht sich, dass diese Bakterienkulturen nicht willkürlich ausgewählt wurden. Es handelte sich u. a. um Keime, „die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den derzeit bedrohlichsten bakteriellen Krankheitserregern zählt.“
Eine gute Wahl, denn „55 der 78 Peptide waren in vitro gegen wenigstens einen der getesteten Erreger wirksam. Darunter waren fünf Peptide, die auch Acinetobacter baumannii abtöteten, einen gefürchteten nosokomialen Erreger (vulgo: Krankenhauskeim, Anm. DP) unter anderem von Weichteilinfektionen.“
Dass zum Beweis der Wirksamkeit wieder kleine Nagetiere herhalten mussten, gehört leider zur wissenschaftlichen Methodik. Die „Abszesse und tiefen Weichteilinfektionen“ der Versuchsmäuse konnten jedenfalls mit einem der neu entdeckten natürlichen Antibiotika erfolgreich behandelt werden – und zwar mit einer zum „Reserveantibiotikum Polymyxin B vergleichbaren Wirkung“.
Dabei haben die Tiere in freier Wildbahn ihre eigene, sehr gut ausgestattete Apotheke:
Schon dieses eine Peptid hat somit das Zeug zum Einsatz gegen schwere Infektionen beim Menschen, und dies ist sicher nicht das Ende der Fahnenstange.
Wie wichtig diese Forschung ist, wird klar, wenn wir uns die Verbreitung multiresistenter „Krankenhauskeime“ vor Augen führen. Dies heißt nämlich, dass bei einer akuten Infektion die meisten bekannten Antibiotika keine Wirkung zeigen. Darüber habe ich hier ausführlicher berichtet:
Dass die Forscher nicht etwa im Urwald, sondern gezielt im Darm gesunder Menschen nach einem neuen Antibiotikum suchten, erklärt sich so: „Die 100 Billionen Mikroben, die die inneren oder äußeren Körperoberflächen besiedeln, befinden sich in einer ähnlich feindlichen Umgebung wie im Urwald oder in den Sümpfen der Natur. Überleben könne dort nur, wer sich gegen seinen Nachbarn zu Wehr setze.“
Die Apotheke im menschlichen Darm hat also kräftig aufgestockt – das lässt für die Zukunft hoffen!
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Alle wörtlichen Zitate entstammen einem Artikel, der im August 2024 auf dem Online-Portal des Ärzteblatt veröffentlicht wurde. © rme/aerzteblatt.de
Probiotika Apotheke
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.