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In schöner Regelmäßigkeit kommen Patient*innen mit einer Erkältungskrankheit in meine Praxis – in der Tasche das Antibiotikum, das ihnen der Arzt „sicherheitshalber“ verordnet hat. Da sträuben sich mir die Haare!
Dass selbst bei Durchfallerkrankungen manche Therapeuten auf die Idee kommen, ein Antibiotikum würde es schon richten, macht mich völlig sprachlos. Aus gutem Grund erkläre ich in meinen Seminaren und Vorträgen immer wieder, dass Antibiotika in solchen Fällen genau das Gegenteil erreichen: Erreger solcher Erkrankungen sind nämlich meistens Viren, die sich in den Körperzellen verstecken und so gut geschützt sind, dass ihnen Antibiotika gar nichts anhaben können!
Andererseits zerstören Antibiotika immer auch wichtige, immunologisch wirksame Bakterien und schädigen die Darmschleimhaut, unsere zentrale Barriere gegen Eindringlinge. Nur etwa ein Prozent aller Bakterien lösen Krankheiten beim Menschen aus, die anderen 99% sind essenziell für unsere Gesundheit – und vor allem für unser Immunsystem. Immerhin sitzen 80% der Immunzellen im Darm!
„Immer hereinspaziert, liebe Krankheitserreger!“
Wir haben ein durchgehendes Schleimhaut- und Lymphsystem vom Darm bis zur Nase – sogar bis ins Gehirn, wie neue Forschungen zeigen. Ein Kollateralschaden im Darm führt auf direktem Weg zu einer verminderten Immunleistung der Bronchien, des Rachens und der Nase. Immer hereinspaziert also, liebe Erreger der nächsten Erkältung …
Bakterien sind die ältesten Bewohner der Erde. Sie sind intelligent, um ein Vielfaches größer als Viren, haben einen eigenen Stoffwechsel und ihr eigenes Erbgut. Sie können sich selbständig vermehren und leben autark außerhalb der Körperzellen. Forscher sind sich sicher, dass die Mitochondrien – die Kraftwerke unserer Zellen, die täglich unsere Energie produzieren – von Bakterien abstammen. Diese sind vermutlich in der Frühzeit der Evolution eine Symbiose mit unseren Urahnen eingegangen.
Der wesentliche Unterschied liegt im Bauplan.
Genauer beschreibt es Dr. med. Clemens Fahrig, Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin am Evangelischen Krankenhaus Hubertus in Berlin. Er verweist auf die Unterschiede in der „Anatomie“ von Viren und Bakterien und führt aus, dass Bakterien im Gegensatz zu Viren eine richtige Zellwand sowie eine Innenstruktur besitzen. „Innerhalb dieser Wand“, so Fahrig, „liegen das Zytoplasma, die Ribosomen und der Erbgut-Faden des Bakteriums.“
Bei der Vermehrung verhalten sich Bakterienzellen wie menschliche Zellen: In der Regel geschieht es durch Zellteilung. Bevor sich aber das Bakterium in der Mitte durchschnürt, kopiert es sein Erbgut. So entstehen aus einer Mutterzelle zwei identische Tochterzellen, die sich ebenfalls selbst teilen können.
Antibiotika sorgen dafür, dass die Bakterien nach der Zellteilung keine neue Zellwand bilden können. Ohne die schützende Außenhülle aber platzt das Bakterium. Oder sie blockieren die Proteinbiosynthese und töten das Bakterium auf diese Weise. So können Antibiotika an verschiedenen Stellen angreifen.
Bakterien mit „pfiffigen“ Strategien
Viele Bakterien sind in Biofilmen angesiedelt, die sie durch ihre Hülle aus Zuckerbausteinen vor der Umwelt schützen. Antibiotika können diese Biofilme häufig nicht durchdringen. So sind beispielsweise bakterielle Vaginosen allein mit Antibiotika kaum zu behandeln. Insbesondere Gardnerella vaginalis, der häufigste Verursacher dieser Entzündungen, ist besonders „pfiffig“ in der Produktion eines Biofilms, der fest auf der Vaginalschleimhaut liegt und eine komfortable Wellness-Oase für Entzündungs-Erreger bietet.
Lesen Sie mehr über Vaginalinfektionen:
Studien haben allerdings hinlänglich bewiesen, dass bestimmte Laktobazillen diesen Biofilm durchbrechen und so Antibiotika überhaupt erst zur Wirkung verhelfen können (wenn diese dann überhaupt noch benötigt werden). Die vier in OMNi-BiOTiC® FLORA plus+ vorkommenden Laktobazillen sind zum Beispiel in der Lage, das vaginale Immunsystem langfristig zu stabilisieren.
Fluch und Segen der Biofilme
Als gesicherte Erkenntnis gilt, dass in Biofilmen organisierte Pathogene (krankmachende Keime) für einen Großteil der Infektionen im Menschen verantwortlich sind. Es wäre jedoch grundverkehrt, Biofilme als „die Bösen“ anzusehen – schließlich organisieren sich auch jene freundliche Mikroorganismen, die sich haufenweise in unserem Magen-Darm-Trakt tummeln (ca. zehn mal so viele wie Körperzellen), zum Großteil in Biofilmen. Zum Wohle unserer Gesundheit.
Unerhört: Viren programmieren unsere Körperzellen einfach um!
Viren können sich nicht selbständig vermehren. Weder kopieren sie ihr Erbgut selbst, noch können sie ihre Hülle selbst herstellen. Sie befallen daher unsere Körperzellen, die sogenannten Wirtszellen, in die sie ihr Erbgut einschleusen. Die Körperzelle wird quasi „umprogrammiert“, um in der Folge viele weitere Viren-Zellen zu produzieren. Und noch etwas unterscheidet Viren von Bakterien: Im Gegensatz zu diesen haben Viren keinen eigenen Stoffwechsel (daher zählen sie auch nicht zu den Lebewesen).
Wichtig zu wissen ist, dass Bakterien und Viren uns auf unterschiedliche Weise krank machen, denn in ihrem Vermehrungsprozess (s. o.) können Viren Körperzellen zerstören. Bakterien wirken hingegen größtenteils durch ihre Stoffwechselprodukte: Sie fressen und scheiden aus. Diese Ausscheidungen sind bei pathogenen Keimen sogenannte Toxine, die den Menschen krank machen. Aufmerksame Leser*innen meines Blogs werden sich erinnern, dass Ausscheidungen von Bakterien für den Menschen aber auch nützlich sein können. Diese Stoffwechsel-Produkte physiologischer Bakterien unterstützen den Körper in vielerlei Hinsicht.
Hier muss zwischen Gut und Böse klar unterschieden werden
Genau das aber können Antibiotika nicht! Sie greifen unterschiedslos die Zellwand der Bakterien an und können so zum Absterben der Bakterien führen oder sie zumindest an der Vermehrung hindern. (Körperzellen sind nur deshalb vor Antibiotika sicher, weil die Zellwand von Bakterien anders aufgebaut ist als die Zellmembran der Körperzellen.) Da Bakterien aber eigenständige Zellen sind, die sich auf veränderte Umweltbedingungen einstellen können, entwickeln sie manchmal auch Antibiotikaresistenzen.
So wird auch jedem medizinischen Laien klar, warum Antibiotika bei Viren nichts ausrichten können: Da diese keinen eigenen Stoffwechsel und auch keine Zellwand besitzen, greifen Antibiotika hier ins Leere. Zwar gibt es mit Virostatika auch Mittel, die Viren in Ihrer Vermehrung hemmen, doch bei vielen viralen Infekten wie z. B. Erkältungen beschränkt sich die Behandlung auf eine Therapie, die nicht die Viren selbst bekämpft, sondern die Symptome der Krankheit lindert und den Körper in seiner Abwehr unterstützt. So oder so – zumindest werden die guten Bakterien, die wir für unsere Immunabwehr benötigen, in Ruhe gelassen!
Antibiotika sind bei nicht-bakteriellen Infektionen unwirksam
Anders beim Einsatz von Antibiotika, die zwischen guten und „bösen“ Bakterien nicht unterscheiden. Insofern sind Antibiotika-Gaben bei nicht-bakteriellen Infektionen nicht nur unwirksam, sondern geradezu Wegbereiter für nachfolgende Infektionen! Antibiotika können bei schweren bakteriellen Infektionen Leben retten, keine Frage. Aber ihr Einsatz muss wohl überlegt sein, insbesondere bei Kindern, deren Immunsystem noch nicht ausgereift ist.
Hinzu kommt, dass wir über unsere Nahrung ständig Antibiotika zu uns nehmen: In den Mastanstalten werden Tiere damit gefüttert, auf diese Weise landen Antibiotika in unserem Darm. Und selbst Salate und Gemüse sind nicht frei davon, denn die Gülle wird häufig als Dünger eingesetzt. Wie dringend ein Umdenken erforderlich ist, kann man hieran sehen.
Denn: Schon niedrige Antibiotikadosen, wie sie in der Tiermast eingesetzt werden, können bei unseren physiologischen Bakterien (das sind „die Guten“!) erheblichen Stress verursachen. In der Folge schütten diese Toxine aus, die bewirken können, dass sich andere Bakterien zu Krankheitserregern entwickeln und beispielsweise heftige Durchfälle verursachen. Das ist besonders für kleine Kinder sehr gefährlich.
Was Sie gegen Durchfall tun können, erkläre ich in diesem Artikel:
Mut zum Dreck – wir leben zu steril
An dieser Stelle möchte ich eine Lanze für den guten, alten Dreck brechen! Der Dreck, mit dem Kinder sich liebend gern bewerfen, von oben bis unten „einsauen“ und auch gern in den Mund nehmen – häufig zum Entsetzen der Eltern. Wie schnell ist da die Sagrotan-Flasche zur Hand! Dabei ist der frühzeitige Kontakt mit potenziellen Antigenen das beste Training für unser Immunsystem. Auf diese Weise lernt der Körper, die eigene Abwehr effektiv aufzustellen und künftig sowohl häufige Infektionen wie auch Allergien zu vermeiden.
Wir leben heute viel zu steril, insbesondere in den Großstädten. Die guten alten Bauernhöfe als Genesungsstätte für immunschwache Kinder gibt es kaum noch. Heißen Sie den Dreck also willkommen, er ist die beste Kindermedizin. Und eine heiß geliebte dazu.
Ähnlich verhält es sich mit unseren Nahrungsmitteln. Christian Vogelberg, Leiter des Dresdner UAC (Universitäts AllergieCentrum), hat den Zusammenhang so zugespitzt: „Je bunter das frühe Lebensmittelangebot, desto unwahrscheinlicher sind spätere Unverträglichkeiten.“
Je steriler Kinder aufwachsen, desto höher die Gefahr für Erkrankungen!
Die Fähigkeit unseres Immunsystems, zwischen Gut und Böse souverän zu unterscheiden und entsprechend zu reagieren, geht leider immer mehr verloren. Wissenschaftler sind sich einig, dass es nicht nur einen Zusammenhang zwischen Allergien und dem Hygienestandard in der Kindheit gibt. Auch die Gefahr für Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Asthma und Neurodermitis ist umso höher, je steriler Kinder aufwachsen. So sind die meisten Crohn-Patienten in den Städten Nordeuropas zu finden.
Das menschliche Immunsystem wird schon sehr früh geprägt. Erste Trainingseinheiten mit fremden Mikroorganismen finden bereits Wochen vor der Geburt statt. So gewöhnt sich der Darm des Ungeborenen an bakterielle Angriffe und lernt damit umzugehen. Bis zu zwei Jahre nach der Geburt dauert die Schule durch bakterielle Stimulation. Ohne sie fehlen später wichtige Komponenten der normalen Immunabwehr!
Die erste und beste Stimulation für das Immunsystem bleibt die vaginale Entbindung: Die „Schluckimpfung“ beim Rutschen durch den Geburtskanal ist der entscheidende Kontakt mit einem Umfeld voller Mikroorganismen. In vielen Geburtskliniken wird daher nicht nur Kaiserschnitt-Kindern das Multispezies-Probiotikum OMNi-BiOTiC® PANDA verabreicht. Auch generell wird es Müttern für die letzten acht Schwangerschaftswochen und für Neugeborene im ersten Lebensjahr empfohlen (über die segensreiche Wirkung dieses Mittels habe ich in früheren Blogs schon berichtet).
Sie sehen: Unser Immunsystem liebt solche Reize. Feiern Sie den Dreck – und bleiben Sie gesund!
Ihre
Dagmar Praßler
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.