Wir wissen bereits eine ganze Menge über die Essgewohnheiten unserer Darmbewohner, doch jetzt gibt es sogar eine Methode, ihnen „bei der Mahlzeit zuzusehen“! Warum dies ein echter Durchbruch ist, lesen Sie hier.
Unsere „Darmflora“ ist wahrlich keine Blumenwiese. Da wird ein ständiger Kampf zwischen Mikroben ausgefochten, die sich um die besten Futterplätze streiten, und je nach dem, wessen Leibspeise vermehrt den Weg in den Darm findet, entscheidet sich letztlich, ob die „Guten“ oder die „Bösen“ siegen.
Ein solches „Hauen und Stechen“ verträgt sich nicht mit dem verharmlosenden Begriff „Darmflora“, weshalb sie heute auch „Darm-Mikrobiota“ genannt wird. Das klingt nicht nur rationaler, sondern verweist auch bereits auf das Mikrobiom – jenes ewig dunkle Habitat, in dem sämtliche Protagonisten ihr Mit- und Gegeneinander organisieren.
Freilich dürfen wir uns nie als neutrale Beobachter dieses faszinierenden Geschehens tief in unserem Inneren begreifen – im Gegenteil: Die jüngere medizinische Forschung hat eindeutig geklärt, dass unser intestinales Mikrobiom, in dem alle im Verdauungstrakt lebenden Mikroorganismen versammelt sind, „Einfluss auf unsere kognitiven Leistungen, unseren Erschöpfungszustand und sogar auf unsere Stimmung“* hat.
Darüber habe ich unter anderem hier geschrieben:
und hier:
Wenn Sie diesen Blog bereits länger verfolgen, wissen Sie auch, dass das Funktionieren unseres Immunsystems ganz wesentlich von der Zusammensetzung unseres „intestinalen Mikrobioms“ abhängt, sitzen doch 80% unserer Immunzellen im Darm!
Und sie bestimmen unser Essverhalten! „Darmbakterien können Pizza bestellen“ sagt der bekannte Neurowissenschaftler Prof. John Cryan. Womit wir beim Thema wären.
Zwar wissen wir, dass unsere Darmbakterien (wie alle Lebewesen) fressen und ausscheiden, und uns ist auch bekannt, dass einige dieser Stoffwechselprodukte schädlich und andere nützlich sind, aber ein genauer Blick auf den gedeckten Tisch unserer mikrobiellen Mitbewohner war uns bisher versagt. Bis jetzt …
Wer isst was? Die Mikroskopie verrät es
Die österreichische Zeitung „Der Standard“ berichtete erst kürzlich über „eine neue, in Wien und Boston entwickelte Mikroskopie-Methode“, die uns plötzlich ganz neue Einblicke in das Essverhalten unserer Darmmikroben eröffnet, indem sie zeigt, „welche von den Hunderten verschiedener Darmbakterienarten welche Nährstoffe verspeist“ – und zwar innerhalb von Sekundenbruchteilen!
Um dies zu erreichen, kombinierten Wissenschaftler des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien und des „Department of Electrical & Computer Engineering“ der Universität Boston (USA) zwei Mikroskopier-Methoden: die Stimulierte Raman Streumikroskopie sowie die Zwei-Photonen-Fluoreszenz-Mikroskopie.
Der Trick bestand darin, den Mikrobiombewohnern „chemisch markiertes Futter“ zu kredenzen, das „mit stabilen, nicht radioaktiven Isotopen“ versetzt war. Bevor ich Sie jetzt gänzlich verliere: Diese Isotopen sind „Varianten ein und desselben chemischen Elements mit unterschiedlichen Massen, und über den Isotopengehalt einzelner Bakterienzellen ließ sich deren Fressverhalten analysieren“. Ich find’s zwar kompliziert – aber auch genial!
Zusätzlich wurden verschiedene Bakterienarten mit fluoreszierenden Farben markiert. All dies führte dazu, dass „der Isotopengehalt von mehr als 30.000 Bakterienzellen aus menschlichen Darmproben bestimmt werden“ konnte.
Clostridien auf frischer Tat ertappt
Nur so ließ sich u. a. erkennen, dass vor allem Vertreter der Gattung Clostridium „eine wichtige und bislang unbekannte Rolle beim Abbau des Schleimhautzuckers Fucose spielen“, der eine „wichtige Schnittstelle zwischen der Schleimhaut und dem Darmmikrobiom“ darstellt und – wenn er fehlt – womöglich „ein erhöhtes Risiko für entzündliche Darmerkrankungen“ bildet.
Bekannt ist, dass „etwa 20 % aller Menschen Probleme mit dem Fucose-Stoffwechsel“ haben. Nun wird gemutmaßt, dass den Betroffenen „möglicherweise die relevanten Mikroben fehlen“.
Die aber ließen sich, wie dies hinlänglich erprobt ist, in Form von Probiotika zuführen, sprich: Die Mikrobiomforschung hat mit diesem wissenschaftlichen Durchbruch wichtige Hinweise erhalten, um nicht nur den Fucose-Stoffwechsel zu stabilisieren.
Dank der neuen Methode sehen sich die Forscher jetzt auch in der Lage, „zu untersuchen, wie Medikamente, die zur Behandlung von Parkinson und Schizophrenie verschrieben werden, das Darmmikrobiom des Menschen beeinflussen.“
Nicht, dass ich mich zu diesem Thema nicht auch schon ausgelassen hätte:
Sie sehen, es tut sich etwas an der Mikrobiom-Front, und über kurz oder lang werden wir wahrscheinlich ganz neue Probiotika begrüßen können, die unserer Darmgesundheit „personalisiert“ auf die Sprünge helfen.
Das ist mal doch eine gute Nachricht!
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Alle wörtlichen Zitate entstammen einem Artikel in Der Standard:
https://www.derstandard.at/story/2000137133489/was-unsere-darmmikroben-so-fressen
Er bezieht sich auf eine Studie, die in der Fachzeitschrift „Pnas“ veröffentlicht wurde: “SRS-FISH: A high-throughput platform linking microbiome metabolism to identity at the single-cell level”
Titelbild: © stepanstepansky / shutterstock
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.