Während sich Nachbarn arglos über den Gartenzaun unterhalten, tauschen sich auch die Bewohner ihres Mikrobioms aus. Noch intensiver trifft dies auf Menschen zu, die unter einem Dach wohnen! Diesem Phänomen ist jetzt ein italienisches Forscherteam nachgegangen.
Was ich zunächst nur zur Auflockerung meiner Vorträge vorgesehen hatte – Bilder zu zeigen, die eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen Hundebesitzern und deren Vierbeinern aufwiesen –, hat plötzlich einen wissenschaftlichen Bezug bekommen.
Natürlich ging es mir schon darum, den Blick für Assimilationsprozesse zwischen unserem und dem Mikrobiom eines Haustiers zu schärfen, doch war dies eher zur Erheiterung des Publikums gedacht als wissenschaftlich belegt.
Nun haben aber zwei Wissenschaftlerinnen* der Universität Trento in Italien die Mammutaufgabe absolviert, Analysen von „fast 10.000 Stuhl- und Speichelproben von Menschen aus der ganzen Welt“ zu vergleichen, „von ländlichen Dörfern in Argentinien über eine Stadt in China bis hin zu Bevölkerungsgruppen in Europa und Nordamerika“.
Die Studie lieferte den Beweis, dass „Menschen, die unter einem Dach wohnen, nicht nur Wohnung, Nahrung und Lebensstil teilen. Auch das Mikrobiom in Darm und Mundhöhle weist Gemeinsamkeiten auf.“
Der sterile Start ins Leben
Dass wir Menschen wie alle Lebewesen von Bakterien bevölkert sind, gehört längst zum Allgemeinwissen. Doch der Startschuss für die dauerhafte, bakterielle „Besiedlung von Darm, Mundhöhle und den Körperoberflächen“ fällt bei der Geburt, und da zeigen sich bereits die ersten Unterschiede, denn Kinder, die durch eine natürliche Geburt auf die Welt kommen, sind gegenüber Kaiserschnitt-Kindern nachweislich im Vorteil: Sie erhalten „bei der Passage der mütterlichen Vagina“ eine Art Schluckimpfung, wie ich es gern nenne, mit den wichtigsten Mikroben.
Mehr über das Mikrobiom bei der Geburt lesen Sie hier:
Eine grundlegende Erkenntnis der Studie war: „Im ersten Lebensjahr sind in den Stuhlproben von Mutter und Kind zu etwa 50 % dieselben Stämme von Mikroorganismen vorhanden. Die Gemeinsamkeiten gehen im Alter von 1 bis 3 Jahren auf 27 % zurück. Danach stabilisieren sich die Verhältnisse mit einer Übereinstimmung von 19 % im Alter von 18 Jahren.“
Nun könnte man meinen, dass sich dieses Verhältnis deutlich verändert, wenn die Kinder aus dem Haus sind, aber: „Interessanterweise halten die Gemeinsamkeiten auch dann an, wenn die Kinder nicht mehr im selben Haushalt wohnen. Sie betrugen im Alter von 30 Jahren noch 14 % und waren selbst bei älteren Erwachsenen noch nachweisbar.
Der nachvollziehbare Schluss: „Die Kinder werden von der Mutter offenbar lebenslang geprägt, wobei die Verbindung auch über ähnliche Lebens- und Ernährungsgewohnheiten zustande kommen könnten, die in einer Familie über die Generationen hinweg tradiert werden.
Treue Blog-Leser:innen wissen, dass wir über 3.000 verschiedene Arten von Bakterien allein im Darm beherbergen. Vielleicht interessiert Sie der Kongress der Bakterien:
Ein universelles Phänomen
Die lebenslange Bakterien-Prägung trifft sowohl in den „modernen westlichen Gesellschaften, in denen die Vielfalt der Darmbakterien geringer geworden ist“ als auch in „ländlichen Gemeinschaften ärmerer Regionen“ gleichermaßen zu: „Die höhere Vielfalt der Mikrobiome in den ärmeren Ländern ist nach den Ergebnissen der Studie nicht auf die Übertragung der mütterlichen Mikroorganismen bei der Geburt zurückzuführen.“
Vielmehr wird vermutet, „dass sie im späteren Leben unter den Menschen ausgetauscht oder über dieselben Gewohnheiten, etwa bei der Nahrungsaufnahme in den Darm gelangen.“ Solche verblüffenden Erkenntnisse lassen sich freilich nur bei einer global angelegten Untersuchung wie der vorliegenden gewinnen.
Anders sieht die Sache beim oralen Mikrobiom aus, denn nachvollziehbar ist: „Die Übertragung erfolgt leichter als beim Darmmikrobiom. Die Gemeinsamkeiten in einem Haushalt sind deshalb größer. Die Forscher ermittelten eine Übereinstimmung in 32 % der Stämme gegenüber 0 % bis 3 % bei Personen, die nicht im selben Haushalt wohnen.“
Wie sich gerade das orale Mikrobiom gegen allerlei Krankheitserreger wappnen lässt und welch heldenhafte Rolle dabei Streptococcus-salivarius-K12-Keime spielen, habe ich hier schon einmal beschrieben:
Und noch etwas konnten die Forscherinnen konstatieren: „Im Gegensatz zu den Darmbakterien stammen die Mikroben der Mundhöhle nicht nur von der Mutter. Die Übereinstimmung ist in den ersten Lebensjahren noch gering, sie steigt danach kontinuierlich an, und zwar sowohl zur Mutter als auch zum Vater.“ Auch dies ein klarer Hinweis auf den bakteriellen Austausch zwischen Angehörigen einer Familie.
In einer anderen Studie, die im vorliegenden Artikel erwähnt wird, „wurde sogar eine Beziehung zu Nachbarn und Bewohnern der gleichen Ortschaft erkennbar.“
Womit wir wieder bei der fundamentalen Erkenntnis angelangt wären, dass wir Menschen eine wandelnde Biotonne sind, die dem Wirken der sie besiedelnden Mikroben wenig entgegensetzen können – mit der Ausnahme von Probiotika und dem richtigen Futter (Ballaststoffen) für unsere „guten“ Bakterien, damit diese positiv Einfluss nehmen können …
Falls Sie gern mehr über die Leibspeisen der für unsere Gesundheit wichtigsten Bakterienstämme wissen möchten, finden Sie hier Anregungen:
Mit diesem versöhnlichen Schluss lasse ich es mal bewenden und grüße Sie herzlich!
Ihre
Dagmar Praßler
* Die zitierten Passagen basieren auf einem Beitrag im Online-Portal des „Ärzteblatt“ vom Februar 2023, © rme/aerzteblatt.de;
In meinem Blog beschreibe ich alle 14 Tage Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Ratoder den einer Heilpraktikerin/ eines Heilpraktikerseinholen.
Alternierend, ebenfalls 14-tägig, widme ich mich hier (unter dem Rubrum „News“)aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.