So banal es klingt: Welchen Lebensstil wir beherzigen, bleibt nicht ohne Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Körperlich sowieso, logisch, aber offenbar beeinflusst unser Lifestyle auch gewaltig die Psyche …
Es sind durchweg Tipps, die wir alle schon tausendfach gehört haben, aber in zugespitzter Form und in der Kombination hält ein Forscher-Team einer chinesischen Universität diese Verhaltensweisen für entscheidend, das Risiko einer Depression zu mindern:
„Mäßigung beim Alkoholkonsum, Verzicht auf das Rauchen, ausreichender Schlaf, regelmäßiger Sport, eine gesunde Ernährung, soziale Kontakte und das Meiden sitzender Tätigkeiten sind gut für das psychische Wohlbefinden.“
Jetzt werden Sie vielleicht einwenden, dass dies ja wohl kaum für genetisch bedingte, also „ererbte“ Depressionen gelten könne, und diese landläufige Meinung wird auch in dem Artikel* des Ärzteblatt gewürdigt, der mir vorliegt:
„Depressionen werden häufig als schicksalhafte Krankheiten betrachtet, die ihre Ursache in den Genen haben oder in einer Störung des Serotoninstoffwechsels im Gehirn. Früher wurden Depressionen auch als ,endogen‚ bezeichnet, da die Erkrankung von innen (endogen) komme und von außen kaum zu beeinflussen sei.“
Dem stehen jetzt die Ergebnisse einer „prospektiven Beobachtungsstudie“ entgegen, die bei Beachtung jener sieben oben erwähnten Verhaltensweisen – vom Alkoholverzicht bis zu sozialen Kontakten – einen „Rückgang von Neuerkrankungen an Depressionen“ nachweisen, und zwar „auch bei Menschen mit einer genetischen Anfälligkeit“.
Die Forscher gehen sogar noch weiter: Demnach „könnten äußere Einflüsse mindestens ebenso wichtig sein wie die genetischen Vorgaben.“ Dies dürfte nicht nur das hartnäckige Vorurteil zum Wanken bringen, dass von einer Depression Betroffene kaum Aussicht auf Besserung hätten. Es könnte womöglich auch zu einer Neubetrachtung bisheriger Therapievorschläge führen.
Einfluss des Lebensstils größer als genetische Faktoren?!
Aber wie ist es nun vorgegangen, das Team um Wei Cheng von der Fudan Universität in Shanghai? Die Rede ist von 287.282 Teilnehmern dieser Studie, von denen „in den 9 Jahren seit ihrer Untersuchung 12.916 an einer Major-Depression erkrankt“ seien.
„Major-Depressionen“ stehen für schwere Verlaufsformen, zu den häufigsten Ursachen gehören psychosoziale Einflüsse wie der Verlust von Partner*innen oder Angehörigen, Traumata oder belastende Erfahrungen aus der Kindheit.
Die Ergebnisse wurden anhand von Magnetresonanztomografie (MRT) und Labortests gewonnen, doch am Anfang standen die persönlichen Angaben der Teilnehmer:
Alle mussten Fragen zu ihrem Lebensstil beantworten, und es zeigte sich, „dass Teilnehmer mit einem gesunden Schlaf von 7 bis 9 Stunden am Tag zu 22 % seltener erkrankten. Häufige soziale Kontakte senkten das Depressionsrisiko um 18 %, wobei sie vor allem vor wiederkehrenden depressiven Störungen schützten.“
Ähnlich sieht es bei den anderen untersuchten Verhaltensweisen aus: „Ein mäßiger Alkoholkonsum verminderte das Erkrankungsrisiko um 11 %, eine gesunde Ernährung um 6 % und regelmäßige körperliche Aktivitäten um 14 %. Nichtraucher erkrankten zu 20 % und Menschen, die weniger Zeit in sitzenden Tätigkeiten verbrachten, zu 13 % seltener an einer Depression“ – trotz genetischer Vorbelastungen.
Dass die Art der Ernährung einen großen Einfluss auf die Stimmung hat – darüber habe auch ich schon mehrfach geschrieben, u. a. hier:
Wundern tut mich allerdings, dass der Ernährungsfaktor hier prozentual den geringsten Ausschlag zeigte, ist doch bekannt, dass mit dem „Western Eating“ (Süßigkeiten, Weißbrot, Burger, Tiefkühlpizza & Co) ein eklatanter Mangel an „hirnrelevanten“ Stoffen einhergeht, der die Entstehung von Depressionen unmittelbar begünstigt.
Absolut plausibel erscheint hingegen die Erkenntnis, dass „eine Kombination der einzelnen Faktoren den Schutzfaktor erhöhte.“ Doch weiter zum Vorgehen:
„Die Forscher haben die Teilnehmer in 3 Gruppen mit einem ungünstigen, mittleren und günstigen Lebensstil eingeteilt. Bei Personen in der mittleren Gruppe war die Wahrscheinlichkeit, eine Depression zu entwickeln, um etwa 41 % geringer als bei Personen mit ungünstigem Lebensstil. Personen aus der Gruppe mit dem günstigen Lebensstil erkrankten sogar zu 57 % seltener. Der Einfluss des Lebensstils wäre demnach größer als der genetische Hintergrund.“
Dabei erfolgte die Differenzierung nicht nur anhand des Lebensstils: „Die Forscher teilten die Teilnehmer nach einem genetischen Risiko-Score in 3 Gruppen. Bei den Personen mit dem niedrigsten genetischen Risiko war die Wahrscheinlichkeit, eine Depression zu entwickeln, um 25 % geringer als bei denen mit dem höchsten Wert.“
Es kam, wie es kommen musste: „In allen 3 genetischen Risikogruppen erkrankten Personen mit einem gesunden Lebensstil seltener an einer Depression. Cheng schließt daraus, dass das genetische Risiko nicht schicksalhaft zur Depression führen muss.“
Hieraus ergibt sich auch gleich die praktische Handlungsanweisung für die Risikogruppe: „Die betroffenen Menschen könnten zumindest versuchen, sich durch einen gesunden Lebensstil vor einer Erkrankung zu schützen.“
Weit mehr als die Ergebnisse der Magnetresonanztomografie interessieren mich die Laborparameter, die auf „eine erhöhte Entzündungsaktivität im Körper“ hinweisen. Besonders der Entzündungsmarker „C-reaktives Protein“ schien hier eine Rolle zu spielen:
„Stress kann sich laut Chen ebenfalls auf das C-reaktive Protein auswirken. Fehlende körperliche Aktivitäten und Schlafmangel könnten die Fähigkeit des Körpers beeinträchtigen, auf Stress zu reagieren. Auch Einsamkeit und mangelnde soziale Unterstützung hätten in anderen Studien das Infektionsrisiko erhöht, was ein Zeichen für eine gestörte Immunabwehr sein könnte, so die Forscher.“
Sie schlafen schlecht? Dann sollten Sie jetzt ganz wach sein:
Auffällig ist: „Viele der genannten Risikofaktoren (auch für Entzündungen, Anm. DP) erinnern an Symptome der Depression. Die Patienten klagen häufig über Schlafstörungen und pflegen nicht selten einen ungesunden Lebensstil mit einem hohen Konsum von Alkohol und Rauchen.“
Und hier öffnet sich leider auch der Blick auf den Teufelskreis, in dem so viele Betroffene gefangen sind: „Aufgrund der Erkrankung sind sie kaum zu sportlichen Aktivitäten zu motivieren, und viele verlieren ihre sozialen Kontakte.“
Zumindest wissen wir jetzt, dass es Wege gibt, einer Depression vorzubeugen. Wenn sie erst manifest ist, ist ein aufmerksames soziales Umfeld ebenso gefragt wie unsere wohlwollenden Darmbakterien, wissen wir doch, dass die Darm-Hirn-Achse einen entscheidenden Einfluss auf unsere Stimmung hat. Und diese Achse wird nun mal von Bakterien gesteuert!
Mehr dazu hier:
Es ist die vornehmste Aufgabe einer gesunden Ernährung und geeigneter Probiotika, die Darm-Hirn-Achse zu unterstützen, … womit wir wieder am Anfang dieses Artikels wären. Sie sehen, wir können es drehen und wenden, wir kommen um unsere Freunde im Darm nicht herum. Und um die menschlichen auch nicht… In diesem Sinne, fühlen Sie sich jederzeit gut umsorgt.
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Beitrag auf dem Online-Portal des „Ärzteblatt“ vom September 2023, © rme/aerzteblatt.de
Depression Lifestyle
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge