Der Gedanke an eine Stuhltransplantation mag ja bei manchen Menschen Ekelgefühle auslösen, dabei werden durch diese einfachste Form der Organverpflanzung verblüffende Erfolge erzielt – z. B. bei Polyneuropathie in Verbindung mit Diabetes.
„Etwa die Hälfte aller Diabetiker“, so fasst es das Ärzteblatt in einem dankenswerten Beitrag* vom letzten Monat (7/23) zusammen, „erkrankt im Verlauf ihres Lebens an einer distalen symmetrischen Polyneuropathie (DSPN). Die Taubheitsgefühle und Schmerzen an den Händen und Füßen sind schwer therapierbar.“
Grund genug, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um den von Polyneuropathie Betroffenen Linderung zu verschaffen, zumal diese Nervenkrankheit nicht nur Diabetiker:innen heimsucht, wie ich in einem früheren Blog zu diesem Thema bereits erwähnt habe:
Noch ist leider nicht klar, was eine DSPN triggert. Die Begleiterscheinungen sind dafür umso bekannter: „Die Zerstörung der Nerven führt dazu, dass Verletzungen zu spät erkannt werden. Wegen der gleichzeitig bestehenden arteriellen Durchblutungsstörungen steigt das Risiko von Amputationen.“
Dass ein gestörtes Darmmikrobiom an der Entwicklung einer diabetischen Polyneuropathie beteiligt sein könnte – diese Hypothese liegt sicher nicht allzu fern. Genau dazu hat jetzt ein Team an der Universität Zhengzhou in China geforscht, und wie es fast immer der Fall ist, fing man zunächst mit Mäusen an, bevor die humane Mikrobiota ins Spiel kam. Aber der Reihe nach.
Der Wirt ist den Bakterien schnuppe
„Die Forscher verglichen zunächst die Darmbakterien bei Diabetikern mit und ohne DSPN und bei einer gesunden Kontrollgruppe. (…) Als nächstes übertrugen die Forscher die Darmbakterien der Patienten auf diabetische Mäuse, deren Darmflora sie zuvor durch Antibiotika beseitigt hatten. Die Tiere, die die Darmbakterien der Diabetiker mit DSPN erhalten hatten, erkrankten daraufhin selber an einer Polyneuropathie.“
Wie zu vermuten war, hatte im Darm der Versuchstiere eine verhängnisvolle Kettenreaktion eingesetzt: So „war es zu einer Störung der Tight Junctions gekommen, die benachbarte Schleimhautzellen miteinander verbinden. Endotoxine aus dem Darm waren ins Blut übergetreten. Die Entzündungsmarker waren erhöht.“
Was nun folgte, war eine klinische Studie, in der DSPN-Patienten „einen fäkalen Mikrobiotatransfer (Stuhltransplantation) von gesunden Spendern“ erhielten. Die Ergebnisse waren eindeutig: Nach nicht einmal drei Monaten verzeichnete über die Hälfte der Probanden (53,5 %) eine signifikante Linderung ihrer Schmerzen!
Insgesamt zeigte die Stuhltransplantation die erwünschte Wirkung: „Auch die Folgen der DSPN wie Depressivität und Schlafstörungen hatten sich gebessert. Die Patienten gaben eine höhere Lebensqualität an. Die Nervenleitgeschwindigkeit war angestiegen.“
Alles ein Verdienst der mikrobiellen Helfer im Gedärm
Wenig überraschend (angesichts der positiven Entwicklung) hatten sich die Kräfteverhältnisse im Darm entscheidend geändert: „In den Stuhlproben der Patienten war es zu einem Anstieg von Bakterien gekommen, die kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat bilden, denen eine protektive Wirkung nachgesagt wird. Bakterien, die Endotoxine bilden, die im Blut Entzündungsreaktion befeuern könnten, waren dagegen zurückgegangen.“
Hervorgehoben wird in dem Artikel auch die Tatsache, dass der Erfolg so eines fäkalenMikrobiotatransfers umso größer war, „wenn die Stuhlproben von Spendern stammten, die denselben Enterotyp wie die Patienten hatten“.
Sie fragen sich, was wohl Enterotypen sein könnten?
Aus diesem Grund wird auch grundsätzlich empfohlen, dass mögliche Spender mit dem Patienten verwandt sein oder mit ihm in einem Haushalt leben sollten. Wie schnell sich unter solchen Bedingungen das Mikrobiom in Darm und Mundhöhle angleichen kann, darüber habe ich erst kürzlich hier berichtet:
Gut zu wissen, dass Betroffene durch so eine Maßnahme auf Linderung hoffen können! Ich habe nämlich nicht nur eine Polyneuropathie-Patientin, die sich für dieses Thema sehr interessieren wird …
Bevor Sie jetzt über eine Stuhltransplantation nachdenken – versuchen Sie es mit Multispezies-Probiotika. Auch diese haben das Zeug, großartige Wirkungen in Darm und Körper herbeizuführen!
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Artikel auf dem Online-Portal des „Ärzteblatt“ vom Juli 2023, © rme/aerzteblatt.de
Polyneuropathie
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge