Die Gefahren durch Feinstaubbelastung sind bekannt … und für manche tödlich. Ob die winzigen Staubpartikel auch Antibiotikaresistenzen Vorschub leisten, ist hingegen – noch –umstritten.
In einer Welt der Wissenschaft gibt es keine ewigen Wahrheiten. Der Forschungsstand verändert sich ständig, und selbst „Der König aller Krankheiten – Krebs“* läuft Gefahr, vielleicht schon in naher Zukunft durch den medizinischen Fortschritt vom Thron gestoßen zu werden.
Jetzt verdanken wir dem Erkenntnisinteresse eines internationalen Forschungsteams Einblick in einen verblüffenden Zusammenhang zwischen Feinstaub und Antibiotikaresistenzen, wie ich kürzlich einem SPIEGEL-Artikel** entnahm. Zwar wird diese Entdeckung von vielen Wissenschaftlern angezweifelt, was auch die Autorin nicht unerwähnt lässt, doch diese mögliche Ursache für die zunehmende Gefahr durch resistente Keime schafft auf jeden Fall Aufmerksamkeit für zwei der schlimmsten Killer unserer Zeit:
Da wären einerseits jene feinen Staubpartikel, die tief in die Lungen eindringen und für Lungenkrebs und andere Atemwegserkrankungen sowie Herzkrankheiten und Schlaganfälle verantwortlich gemacht werden. Schätzungen zufolge sind 2020 allein in Deutschland fast 30.000 Menschen durch Feinstaubbelastung vorzeitig gestorben.
Andererseits nimmt die Zahl antibiotikaresistenter Erreger so dramatisch zu, dass sie von der WHO mittlerweile als globale Bedrohung angesehen wird.
Tatsache ist, dass Bakterien immer neue Tricks entwickeln, um sich gegen den vermehrten Einsatz von Antibiotika zu schützen. Über die Gefahr solcher multiresistenten Keime habe ich auch schon mehrfach berichtet, u.a. hier:
„Einig sind sich Fachleute, dass der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Human- wie Tiermedizin der entscheidende Faktor bei der Zunahme von Antibiotikaresistenzen ist.“
Aber kann Feinstaub ursächlich für die Vermehrung solcher todbringenden Keime sein? „Laut Studien kann Feinstaub resistente Bakterien enthalten sowie DNA-Fragmente, die Erreger unempfindlich für Antibiotika machen. Das legt einen Zusammenhang nahe. Atmen Menschen diese Partikel ein, könnten die resistenten Bakterien eine Infektion auslösen.“
„Bakterien sind in der Lage, fremdes Erbgut in ihr eigenes einzubauen.“
Julia Köppe in DER SPIEGEL
Und weiter: „Im Atmungstrakt tummeln sich zudem selbst bei gesunden Menschen Mikroben. Die kontaminierten winzigen Staubpartikel könnten diese mit DNA-Schnipseln versorgen, die sie resistent gegen bestimmte Medikamente machen. Denn Bakterien sind in der Lage, fremdes Erbgut in ihr eigenes einzubauen.“
Immerhin, das Zahlenwerk, das die Forscher bemühen, ist beeindruckend: „500.000 Todesfälle aus dem Jahr 2018 stünden im Zusammenhang mit Antibiotikaresistenzen, die möglicherweise auf die Luftverschmutzung zurückzuführen sind.“
Allerdings schränken sie selbst ein: „Ob das Einatmen von DNA-Fragmenten zu gesundheitsschädlichen Resistenzen führen kann, bleibt trotz erster Hinweise ungewiss. Es erscheint zwar plausibel, einen Beweis gibt es allerdings bislang nicht. Daran ändert auch die aktuelle Studie nichts.“
Ein weiterer struktureller Schwachpunkt der vorliegenden Studie ist die Tatsache, dass „lediglich eine Korrelation“ aufgezeigt wird: „In Ländern mit hoher Feinstaubbelastung gibt es tendenziell auch mehr Resistenzen. Das eine muss aber nichts mit dem anderen zu tun haben.“
Diese ernüchternde Erkenntnis kommentiert die Autorin auf süffisante Art: „In Studien können alle möglichen Korrelationen aufgezeigt werden, etwa dass in Gebieten mit vielen Störchen auch mehr Babys geboren werden. Ein Beleg, dass Störche die Babys bringen, ist das jedoch nicht.“
Dies brachte offenbar auch namhafte Wissenschaftler auf die Palme – etwa „Nino Künzli vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Basel, der seit Jahren die gesundheitlichen Auswirkungen von Feinstaub untersucht“ und nicht mit Kritik spart: Er hält die Veröffentlichung der Zahlen gar für eine „wissenschaftliche Panne“, denn: „Die Verwendung von geografischen Korrelationen als Ersatz für nicht vorhandene Kausalzusammenhänge ist wissenschaftlich unsinnig.“
Ist also der mutmaßliche Zusammenhang zwischen Feinstaub und Antibiotikaresistenzen gänzlich ad absurdum geführt? Martin Göttlicher etwa, Direktor des Instituts für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie am Helmholtz Zentrum München, betrachtet es als „unlogisch, davon auszugehen, dass aller Feinstaub auch resistente Bakterien oder DNA-Bruchstücke enthalten muss.“
Selbst wenn die Interdependenz dieser beiden Todesursachen nicht hinlänglich bewiesen werden kann – es gibt Gründe genug, diesen Gefahren für unsere Gesundheit erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Denn wie die Autorin sehr richtig bemerkte:
„Zwei Dinge sind sicher. Erstens: Feinstaub belastet die menschliche Gesundheit und führt zu vorzeitigen Todesfällen. (…) Und: Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind, bringen Menschen um.“
Zufällig erzählte mir eine Patientin vor ein paar Wochen von einem Zerstäuber, der einen Mix aus probiotischen Bakterien im Wohnraum verteilt und so die potenziell pathogegen und allergieauslösenden Mikroorganismen vertreibt. Luftreinigung durch Bakterien – klingt wie Darmreinigung durch Probiotika. Das Prinzip scheint in der Tat ein Ähnliches zu sein. Falls Sie da mal einen Blick riskieren möchten: www.betterprobiotics.de
Ich hoffe, ich habe Sie durch den Bericht über diese umstrittene Studie nicht verwirrt. Im Prinzip müssen wir dankbar für jeden Forschungsansatz sein, der sich diesen sehr unterschiedlichen Bedrohungen unserer Gesundheit widmet.
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
Gefahr durch Feinstaubbelastung
* Diese faszinierende Biografie des Krebsforschers und Onkologen Siddhartha Mukherjee kann ich Ihnen nur ans Herz legen.
** Alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Artikel auf dem Online-Portal des SPIEGEL vom 8. August 2023 unter dem Titel „Macht Feinstaub Keime wirklich resistent gegen Antibiotika?“
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.