Ist es schon „Panikmache“, wenn alljährlich im Frühling vor Zecken gewarnt wird? Es kann zumindest nicht schaden, den kleinen Biestern möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten… und vor allem auf typische Symptome einer FSME-Infektion zu achten!
Endlich liegt der Winter hinter uns, und der Frühling schickt uns gnädigerweise schon mal ein paar sonnige Tage, die zu allerlei Outdoor-Aktivitäten einladen. Halt, da war doch noch was, und ich rede jetzt nicht etwa von allergischen Reaktionen auf Frühblüher o. Ä.:
Richtig, der Frühsommer bringt ja auch jene kleinen Tierchen auf den Plan, die so viel (berechtigte) Angst verbreiten, weil sie eine Krankheit auslösen können, die wegen der jahreszeitlichen Häufung Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) genannt wird. Sie wird durch ein Virus übertragen, das sich Zecken als Wirt sucht und von dort – durch den Speichel der Zecke – in den menschlichen Körper gelangt.
Nun führt nicht jeder Zeckenbiss gleich zum Ausbruch von FSME, doch die Gefahren dieser Erkrankung sind nicht ohne: So kann es zu Entzündungen des Gehirns, der Hirnhaut oder des Rückenmarks kommen. Kein Wunder, dass Zecken so einen miserablen Ruf haben!
Kleine Blutsauger mit großer Wirkung
Solch schwere Krankheitsverläufe treten zwar häufiger bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen auf als bei Kindern, aber auch die Kleinen sind nicht davor gefeit. Hinzu kommt, dass die Symptome häufig diffus sind, was es Kindern zusätzlich erschwert, diese eindeutig zu beschreiben, wie wir gleich sehen werden.
Zwar sind wir Norddeutschen immer noch weniger betroffen als jene, die in Bayern, Baden-Württemberg, Südhessen, im südöstlichen Thüringen oder in Sachsen durchs Unterholz stapfen. Doch mit dem Klimawandel verlieren auch solche bislang gültigen Einschränkungen ihre Bedeutung: Seit 2022 werden im südöstlichen Brandenburg vermehrt Fälle von FSME verzeichnet, weshalb auch wir „Nordlichter“ gut daran täten, uns vor Zecken zu schützen!
Das hätte auch meiner kleinen Patientin Clara* (8) viel Leid erspart und ihrer Mutter Sabine* (36) die aktuelle Sorge um ihr Kind. Als die beiden kürzlich in meine Praxis schneiten, weil Claras heftige Darmprobleme nicht verschwanden, wurde ich schnell hellhörig, denn:
Befragt nach weiteren Beschwerden ihrer Tochter meinte Sabine, Clara müsse wohl „Zug abbekommen haben, weil sie seit Tagen über schlimme Nackenschmerzen klagt.“ Tatsächlich hielt sich Clara die ganze Zeit, in der sie vor mir saß, ihren Nacken, was mir ein wenig seltsam vorkam. Als ich sie darauf ansprach, meinte sie: „Ich kann meinen Kopf kaum bewegen, es tut so doll weh.“
Daraufhin versuchte ich behutsam, Claras Kopf nach vorn in Richtung Brust zu beugen. Wie vermutet, war ihr Nacken aber so steif und schmerzempfindlich, dass ich den Versuch schnell wieder abbrach. Eine Temperaturmessung im Ohr ergab 38,3 Grad, also Fieber. Jetzt war ich wirklich alarmiert – in meiner Zeit als Kinderkrankenschwester an der Uniklinik in Hamburg habe ich viele Kinder mit einer Meningitis (Hirnhautentzündung) gesehen. Und Claras Symptome deuteten sehr auf diese Erkrankung hin.
Keine Panik, … aber auch kein Verzug!
Ich fragte Sabine, ob sie sich bei Clara an einen Zeckenbiss erinnern könne, aber das verneinte sie. „Clara spielt mit ihren Freundinnen gern draußen auf der Wiese oder im Wald, wir wohnen ja direkt daneben …“
Zwar konnte auch ich bei Clara keine Zecke entdecken, aber das wäre auch ungewöhnlich gewesen nach so langer Zeit. Dennoch vermutete ich stark, dass Clara von einer Zecke gebissen worden war, die das FSME-Virus übertragen hatte, und ich bat Sabine, noch am gleichen Tag mit Clara einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen zwecks weitergehender Diagnostik.
Mir war das Risiko zu groß, dass es sich um eine akute Meningitis, also eine Hirnhautentzündung, handeln könnte, und das musste unbedingt abgeklärt werden.
Wenige Tage später rief mich Sabine zurück und bestätigte, dass Claras Symptome tatsächlich Anzeichen einer Meningitis gewesen seien. Eine Blutuntersuchung hätte den Verdacht bestätigt, dass das FSME-Virus der auslösende Erreger war. Also muss doch ein Zeckenbiss im Spiel gewesen sein, denn das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus wird, wie auch die Borreliose, ausschließlich durch Zecken übertragen.
Mehr über die Tücken einer Borreliose und wie man Zecken richtig entfernt (nicht etwa herausdrehen – eine Zecke hat schließlich kein Gewinde!), erfahren Sie hier:
Prinzipiell gilt es Zecken so schnell wie möglich zu entfernen, weil so das Risiko einer Infektion reduziert werden kann.
Mit Alkohol muss man Zecken gar nicht erst kommen
Bei meiner früheren Beschäftigung mit dem Thema lernte ich, dass man Zecken weder durch Alkohol, Benzin, Nagellackentferner, Klebstoff oder Öl ersticken kann, weil „Zecken höchstens alle zwei Stunden atmen“. Seitdem frage ich mich ernsthaft, welchem Wissenschaftler dies wohl aufgefallen sein mag. Meine Hochachtung für so viel Geduld und Hingabe! Zecken entfernt man also am besten mit einer Zeckenzange.
Das FSME-Virus wird leider – wie andere Viren auch – immer anpassungsfähiger. Man darf sich auch nicht durch den „Frühsommer“ im Namen täuschen lassen, denn mit FSME infizierte Zecken können durchaus schon an milden Wintertagen aktiv sein! Auch hier spielt also das sich verändernde Klima eine Rolle.
Ein Trost ist, dass nicht alle Zecken FSME übertragen, auch nicht in den ausgewiesenen Risikogebieten. Tatsächlich beträgt die Durchseuchung der Zecken mit FSME durchschnittlich weniger als fünf Prozent. Hinzu kommt, dass 90% aller Menschen, die von einer FSME-Zecke gesbissen werden, gar keine Symptome entwickeln. Da hatte Clara wirklich doppelt Pech!
Immerhin hatte Clara das „Glück“, dass sie recht typische Symptome aufwies, was die Diagnose einer Frühsommer-Meningoenzephalitis erleichterte.
Biss etwas passiert
Nach dem Biss durch eine infizierte Zecke vergehen im Schnitt ein bis zwei Wochen, bevor erste Symptome auftreten. FSME nimmt oft einen zweiphasigen Verlauf: Zuerst können grippeähnliche Symptome wie Fieber, Abgeschlagenheit und Darmprobleme (unerklärliche Bauchschmerzen sind schon ein deutlicher Hinweis) sowie ein allgemeines Krankheitsgefühl auftreten.
Diese Beschwerden verschwinden häufig recht schnell wieder, und viele Patient:innen sind dann auch durch mit dem Thema.
Je nach Verlauf kann aber nach einigen beschwerdefreien Tagen das Fieber wieder entflammen. Starke Kopfschmerzen deuten dann auf eine Entzündung im Hirnbereich hin. Man unterscheidet dabei eine isolierte Hirnhautentzündung (Meningitis) von einer Mitbeteiligung des Gehirns (Meningoenzephalitis) bzw. einem schweren Verlauf mit einer Entzündung des Gehirns und des Rückenmarks (Meningoenzephalomyelitis).
Ein typisches Symptom bei Meningitis ist die Nackenstarre, die bei Clara so deutlich ausgeprägt war. Dazu kommen halt oft auch starke Kopfschmerzen und Lichtscheu.
Magen-Darm-Symptome lassen sich dadurch erklären, dass der Körper gegen die Infektion vorgeht und sich der größte Teil der Immunzellen (ca. 80%) nun mal im Darm befindet. Dennoch denkt man bei Darmproblemen zumeist erst an andere Erkrankungen.
Auch Herz- oder Leberentzündungen können auf eine FSME-Infektion zurückgehen, die leider oft unentdeckt bleibt bzw. erst nach längerer Zeit diagnostiziert wird.
Die gefährlichste Verlaufsform, die bei betagteren Patient:innen sogar zum Tod führen kann, ist besagte Meningoenzephalomyelitis. Vor allem bei jungen Patient:innen heilt eine FSME aber in der Regel komplikationslos aus.
Plötzlich allergisch auf Fleisch?
Dennoch gibt es vereinzelt Fälle, bei denen nach einer FSME-Infektion eine Allergie gegen Fleisch aufgetreten ist. Wie kann das sein?
Die Medizin spricht hier vom „Alpha-Gal-Syndrom“. Es entsteht, wenn durch Zeckenspeichel das Enzym Galactosyltransferase in den menschlichen Körper übertragen wird. Durch die Galactosyltransferase kann der Marker Alpha-Gal produziert werden – im weiteren Sinne ein Mehrfachzucker.
Im Vergleich zu anderen Säugetieren besitzen Menschen dieses Enzym nicht, können also auch kein Alpha-Gal produzieren. Der menschliche Körper produziert nun dagegen Antikörper. Bei dem Konsum von Fleisch oder anderen tierischen Produkten nimmt der Mensch dann allerdings Alpha-Gal zu sich, was eine mitunter lebensbedrohliche, immunologische Abwehrreaktion hervorrufen kann.
Fand eine Sensibilisierung auf Alpha-Gal durch einen Zeckenstich statt, können Menschen plötzlich auf Fleisch oder Wurstwaren heftig allergisch reagieren. Auch Medikamente, die auf Tierprodukten basieren, können für eine solche allergische Reaktion verantwortlich sein.
Mögliche Auslöser des Alpha-Gal-Syndroms
- Rind, Schwein, Lamm, Kaninchen, Pferd, Ziege, Wild
- Brüh-/Suppenwürfel, Fertigsoßen, Fertiggerichte, Fleischextrakte,
Aromastoffe, - Milch und Milchprodukte
- Gelatine
- Stearinsäure
- Magnesiumstearat (in verschiedenen Tabletten enthalten)
- Kosmetikprodukte
Doch zurück zu Claras konkretem Fall: Eine spezielle Behandlung gegen die FSME-Erkrankung gibt es nicht, daher wurden – mit fiebersenkenden und leichten Schmerz-Mitteln – ausschließlich ihre akuten Beschwerden behandelt.
Auf meine Nachfrage berichtete Sabine, dass es Clara schon deutlich besser ginge und sie sich jetzt einfach noch ein wenig schonen sollte. Allerdings hätte sie kaum Appetit – aus Angst, dass ihr gleich wieder schlecht würde.
Mehrere Fliegen mit einer Klappe!
Da waren wir also wieder an dem Punkt angekommen, der Sabine ursprünglich in meine Praxis getrieben hatte: die Magen-/Darmprobleme ihrer Tochter. Ich riet Sabine, für Clara OMNi-BiOTiC® Pro-Vi5 aus der Apotheke zu besorgen, ein Probiotikum, dessen fünf ausgesuchte Bakterienstämme Claras „böse“ Viren aktiv vertreiben und gleichzeitig ihr Darmmikrobiom bei jeder Einnahme um fünf Milliarden natürlich im Darm vorkommende Symbionten aufstocken würde – man schlägt quasi mehrere Fliegen mit einer Klappe! Ihre Übelkeit sollte sich so jedenfalls schnell legen.
Neben dieser Basis-Therapie empfahl ich Sabine, Clara Zitronenmelisse-Tee zu geben. Aus meiner Erfahrung trinken Kinder den sehr gern – vor allem mit Honig. Zitronenmelisse hilft gegen Magen-/Darm-Beschwerden und ist ein gutes „Kindermittel“.
Dazu gern noch die Lavendel-Urtinktur von Ceres. Lavendel wirkt beruhigend, unterbindet Blähungen und ist entzündungshemmend. So würden auch Claras Kopfschmerzen schnell verschwinden: 2x tgl. 3 Tropfen in etwas Wasser oder in den Tee.
In meinem Garten zeigen sich schon die ersten zartblauen Lavendel-Triebe. Ich liebe diese Pflanze mit ihrem tollen Blau und dem betörenden Duft. Wie gern wäre ich jetzt in der Provence inmitten dieser wunderbaren Lavendel-Felder …, aber zurück zu den „deutschen Zecken“:
Im Gegensatz zur Borreliose lässt sich der Frühsommer-Meningoenzephalitis durch eine Impfung Einhalt gebieten. Dies bietet sich vor allem für Menschen an, die in ausgewiesenen Risikogebieten leben und viel in der Natur unterwegs sind, etwa Gärtner:innen oder Förster:innen.
Vorsicht ist aber bekanntlich besser als Nachsicht. Empfohlen wird daher helle Kleidung (zum besseren Auffinden der Parasiten), die auch Arme und Beine vollständig bedeckt, denn an Kopf und Hals, in den Achselhöhlen oder im Genitalbereich beißen Zecken mit Vorliebe zu.
Kontrollieren Sie sich nach jedem Aufenthalt in der Natur auf Zecken und lassen Sie sich dabei helfen, Kopf und Rücken zu begutachten. Vielleicht haben Sie ja einen netten Nachbarn und überlegen schon lange …
Noch eine gute Nachricht zum Schluss: Nach einer überstandenen FSME-Infektion sind Betroffene in der Regel immun, können sich also (im Gegensatz zu einer überwundenen Borreliose) kein zweites Mal anstecken.
Also, ab ins Frühjahrs-Grüne – und den Zecken aus dem Weg gehen!
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Namen geändert
Zeckenbiss FSME
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge