Wenn die Sehkraft nachlässt, kann dies viele Ursachen haben. Auf keinen Fall sollte man es schicksalsergeben hinnehmen! Zwar steht der Grüne Star in Deutschland bereits auf Platz 2 der Erblindungsursachen (nach der altersbedingten Makuladegeneration), doch gerade die jüngere Forschung zeigt Wege auf, die Betroffenen Hoffnung machen.
„So habe ich mir den Start ins neue Jahr nicht vorgestellt“, stellte meine Patientin Ursula* (73) lapidar fest. Neben viel Zeit mit ihrer Familie und vor allem ihren Enkelkindern hatte sie sich vor allem Gesundheit gewünscht. „Tja, und jetzt das: Grüner Star.“
Immerhin wurde ihre Erkrankung rechtzeitig diagnostiziert und wird jetzt behandelt. „Man hat mir gesagt, dass man durch den Grünen Star sogar blind werden kann. Da kann ich mich ja glücklich preisen, dass das so früh erkannt wurde.“ Von der niederschmetternden Diagnose hatte sie mir bereits am Telefon berichtet. Zu mir in die Praxis war sie gekommen, weil sie sich Antworten auf einige offene Fragen erhoffte.
In der medizinischen Fachsprache wird der grüne Star als Glaukom bezeichnet. Die Bezeichnung Glaukom vereint mehrere Krankheiten, die mit einer Erhöhung des Augeninnendrucks und dadurch einer Schädigung des Sehnervs und von Netzhautzellen einhergehen. „Aber wieso grün?“, wunderte sich Ursula. „Grüne Augen habe ich jedenfalls nicht“.
Seinen landläufigen Namen „Grüner Star“ bezieht das Glaukom aus dem Phänomen, dass sich bei fortgeschrittenen Krankheitsverläufen ein grünlicher Schimmer auf der Regenbogenhaut zeigt. Gerade im Alter ist der grüne Star gar nicht so selten – circa 8% der über 75-jährigen sind davon betroffen.
Das Sehzentrum liegt im Übrigen im Okzipitallappen des am Hinterhaupt gelegenen Anteils des Großhirns. Der stellt einen der wichtigsten Bereiche für die Verarbeitung visueller Sinneseindrücke dar.
Wie Ursula schon angedeutet hatte, kann ein Glaukom auch zur Erblindung führen. So weit sollte es bei ihr natürlich nicht kommen. Will man allerdings das Fortschreiten der Erkrankung verhindern oder zumindest verlangsamen, sollte man zunächst verstehen, wie sich ein Glaukom bildet.
Nun bin ich keine Expertin für Augenkrankheiten, aber ich hatte genügend Zeit, mich vor dem Termin bei einem befreundeten Augenarzt „schlau zu machen“.
Der Druck steigt im Augeninneren
Neben dem angeborenen Glaukom unterscheidet man zwei weitere Formen: das Offenwinkelglaukom und das Engwinkelglaukom. Ersteres ist das typische Glaukom bei älteren Menschen, wie es auch bei Ursula vorlag. Hier kommt es zur Druckerhöhung in der Vorderkammer des Auges zwischen Hornhaut und Linse. Normalerweise fließt das Kammerwasser, das sich in dieser Vorderkammer befindet, über den Kammerwinkel in die hintere Kammer des Auges.
Beim Offenwinkelglaukom ist – wie der Name schon sagt – der Kammerwinkel eigentlich geöffnet. Allerdings führen Veränderungen des Trabekelwerks, wie das Gewebenetzwerk im Auge genannt wird, zu einem schlechteren Abfluss. Auch eine Ansammlung von Entzündungszellen oder roten Blutkörperchen im Bereich des Trabekelwerks kann zu einem Offenwinkelglaukom führen.
Beim Engwinkelglaukom ist der Kammerwinkel bei einer sehr flachen Vorderkammer (wie sie zum Beispiel bei Weitsichtigkeit vorliegt) durch die Regenbogenhaut verlegt, und das Kammerwasser kann nicht mehr abfließen. In beiden Fällen steigt der Augeninnendruck, was auf Dauer die Nervenzellen der Netzhaut und des Sehnervs schädigen kann.
In seltenen Fällen, instruierte mich besagter Augenarzt noch, gebe es allerdings auch sogenannte Normaldruckglaukome, bei denen der Augeninnendruck den Normwerten entspricht, aber trotzdem typische Schäden auftreten.
Die Risikofaktoren für die Entstehung von Glaukomen hingegen waren mir bekannt: Neben einem fortgeschrittenen Alter sind dies auch Diabetes, starke Weitsichtigkeit oder eine familiäre Vorbelastung mit „Grünem Star“. Es sollte sich später herausstellen, dass Ursulas Mutter ebenfalls daran erkrankt war …
Wie macht sich ein Glaukom bemerkbar?
Verläuft der Anstieg des Augeninnendrucks langsam und schleichend, merken viele Betroffene meistens erst einmal nichts davon. Wenn überhaupt, treten unspezifische Symptome wie eine Rötung der Augen oder Kopfschmerzen auf. „Dass meine Kopfschmerzen von den Augen kommen könnten, darauf wäre ich nie gekommen“, gestand Ursula.
„Und das, obwohl es doch im Wortsinn so nahe liegt“, warf ich ein und fragte, wann ihr zum ersten Mal eine Veränderung ihrer Sehkraft aufgefallen sei. So genau konnte sie es nicht benennen, aber irgendwann habe sie bemerkt, dass sie „aus dem Augwinkel“ Gegenstände nicht mehr so gut wahrnehmen konnte, und daraufhin hätte sie sich auch gleich um einen Termin bei ihrer Augenärztin bemüht.
„Die hat dann bei mir einen Sehtest gemacht, mein Gesichtsfeld geprüft und den Augeninnendruck gemessen. Schon bei der Gesichtsfelduntersuchung zeigte sich, dass ich Gegenstände an der Peripherie gar nicht gesehen hab’, und der Augeninnendruck war offenbar erhöht. Ihr war schnell klar, dass ich ein Glaukom hatte.“
Das Gesichtsfeld ist der Bereich des Sehens nach oben und unten sowie nach rechts und links, während man mit den Augen einen Punkt geradeaus fixiert. Es hat die Form eines großen Kreises und beträgt ca. 180 Grad (90 Grad in beide Richtungen).
Das Glück im Unglück dabei war: Die Schäden an ihrer Netzhaut und am Sehnerv waren noch nicht besonders groß gewesen – so etwas wäre nämlich kaum reversibel.
Dass ein Glaukom aber auch ganz akut werden kann, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Beim sogenannten Glaukomanfall steigt der Augeninnendruck plötzlich, was zu starken Schmerzen im Auge führt. Teilweise ist auch das Sehvermögen eingeschränkt, und es können weitere Symptome wie Übelkeit und Erbrechen auftreten.
Bei so einem Anfall gilt es sich unverzüglich in augenärztliche Behandlung zu begeben, weil sonst eine irreversible Schädigung des Sehnervs droht!
Doch wie sieht jetzt die Behandlung bei meiner Patientin aus? Ihr wurde erklärt, dass sich der Augeninnendruck bei ihr gut mit Augentropfen senken ließe, die den Abfluss des Kammerwassers erleichtern und so zu einer Senkung des Drucks beitragen würden.
Damit hatte Ursula insofern noch Glück, denn bei sehr stark erhöhtem Druck (oder wenn die Augentropfen nicht wirken) würde eine Operation notwendig. Aber sie war doch alarmiert und wollte nun wissen, ob sie nicht zusätzlich etwas für ihre Augen tun könne.
Der Darm sieht mit!
Der Ausspruch „Das Auge isst mit“ ist nur die halbe Wahrheit. Warum uns „das Wasser im Mund zusammenläuft“ und dass sogar unsere Verdauungsorgane beim Anblick von Speisen vorgewarnt werden, darüber habe ich hier bereits geschrieben:
Mit der gleichen Berechtigung könnte man sagen, „der Darm sieht mit“. Ganz neu in der Forschungswelt ist nämlich das Konzept der Darm-Augen-Achse. Offenbar üben die Stoffwechselprodukte der Darmbakterien, wie z. B. kurzkettige Fettsäuren, einen großen Einfluss auf die Augen aus.
Als ich Ursula diesen Zusammenhang zwischen Mikrobiom und Grünem Star beschrieb, staunte sie nicht schlecht: „Ich lese ja regelmäßig Ihren Blog und bin immer wieder überrascht, wie viele Krankheiten mit dem Mikrobiom zusammenhängen. Aber dass meine Darmbakterien einen Einfluss auf meine Augen haben sollen, hätte ich nun wirklich nicht gedacht.“
Und doch ist es so, ganz zu schweigen von dem ureigenen Mikrobiom unserer Augen! Aber bleiben wir erst mal beim Einfluss des Darmmikrobioms: Gerade das Glaukom scheint nämlich mit Veränderungen des Darmmikrobioms assoziiert zu sein. So sind zum Beispiel die Stämme E.coli und Prevotella vermehrt im Darm von Glaukom-Patienten zu finden.
Neben dem erhöhten Augeninnendruck lassen sich bei den Betroffenen auch erhöhte Level entzündungsfördernder Substanzen nachweisen. Vermutet wird, dass das Ungleichgewicht des Darmmikrobioms diese Entzündungsvorgänge und damit die Entstehung des Glaukoms begünstigt.
Unter Verdacht steht in diesem Zusammenhang auch eine Besiedelung des Magens mit Helicobacter pylori. Entscheidend ist hier wohl eine vermehrte Ansammlung des Stoffes Homocystein, das die Gefäßdurchlässigkeit verändern kann und Entzündungsprozesse fördert.
Insbesondere ältere Menschen mit einer Helicobacter-pylori-Infektion haben häufig einen Vitamin-B12-Mangel und dadurch hohe Homocystein-Werte. Homocystein entsteht im Stoffwechsel der Aminosäure Methionin und ist verantwortlich für Blutgefäßveränderungen. Eine Therapie mit B-Vitaminen, vor allem B6 und B12, senken das Homocystein.
Welche Symptome auf eine Besiedelung mit Helicobacter pylori hinweisen, können Sie hier nachlesen:
Ursula machte große Augen, als ich fortfuhr, denn jetzt erst kam ich auf das eigentliche Augen-Mikrobiom zu sprechen: Hornhaut und Bindehäute des Auges sind nämlich ebenfalls mit Bakterien besiedelt – von Staphylokokken über Streptokokken bis zu Corynebakterien. Letztere können zwar im Rachenraum viel Übel anrichten, haben aber im Auge nur wenig pathogenes Potenzial.
Im Rahmen von Entzündungen am Auge oder durch Anwendung lokaler Antibiotika am Auge kann dieses Mikrobiom schnell aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Auch in den Bereichen innerhalb des Auges kann eine Besiedelung mit unerwünschten Bakterien vorliegen. So haben Studien gezeigt, dass bei Betroffenen des Glaukoms sowohl auf dem Auge als auch im Auginneren eine Veränderung des Mikrobioms zu finden war.
Werfen wir doch mal ein Auge auf die Ernährung!
In Anbetracht all dieser Zusammenhänge riet ich Ursula, in Zukunft besonders auf ihre Ernährung zu achten. Über eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung freuen sich nicht nur unsere Darmbakterien, sie schützt auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes.
Speziell auf das Glaukom bezogen konnten Untersuchungen zeigen, dass eine mediterrane Diät (mit viel Gemüse, Olivenöl, Hülsenfrüchten, Fisch und nur wenig Fleisch) in Kombination mit wenig Salz und vielen Vollkornprodukten zu einem verringerten Auftreten von Glaukomen führte und selbst bei schon aufgetretenem Glaukom empfohlen wird.
Wenn Sie mal kulinarisch ans Mittelmeer reisen möchten, schauen Sie sich gern mein Video dazu an:
Zusätzlich würden Probiotika helfen, Ursulas Mikrobiom zu stärken.
Ich empfahl Ursula dringend eine ausführliche Mikrobiom-Analyse zum Ausschluss einer Dysbiose (Fehlbesiedelung im Darm) und eines Leaky-Gut-Syndroms (durchlässige Darmbarriere). Insbesondere Letzteres triggert Entzündungen im Körper. Dafür wird sie zwei Stuhlröhrchen in ein Labor senden.
Bis das Ergebnis vorlag, sollte sie täglich ein Sachet OMNi-BiOTiC® SR-9 einnehmen, dessen neun für ein gesundes Mikrobiom essenzielle Bakterienstämme indirekt auch ihren Sehnerv stärken würden.
Die Leitkeimstämme in OMNi-BiOTiC® SR-9 sind bekannt für eine Entzündungsreduktion und eine positive Wirkung auf Nerven. Insbesondere bei Stress-induzierten Erkrankungen sind diese Bakterienstämme eine außerordentlich hilfreiche Ergänzung der Behandlung. Sie produzieren unter anderem das wertvolle Butyrat, das eine direkte, antientzündliche Wirkung auf Darm und Kopf hat.
Stress scheint in der Tat das Fortschreiten des Glaukoms zu begünstigen. So konnte in Studien gezeigt werden, dass regelmäßige Entspannungsübungen zu einem niedrigeren Augeninnendruck führten. Übungen wie z. B. autogenes Training oder die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen** würden Ursula auch helfen, den Stress-Level und die Angst vor dem Fortschreiten der Krankheit niedrig zu halten.
Auch wies ich meine Patientin sicherheitshalber noch darauf hin, dass bestimmte „Medikamente des täglichen Gebrauchs“ den Augeninnendruck erhöhen können, wie z. B. krampflösende Schmerzmittel (etwa Butylscopolamin in Buscopan®) oder abschwellende Nasentropfen wie Olynth® oder Otriven®.
Auf ihre Ernährung zu achten und sich regelmäßig Zeit für Entspannung zu nehmen sollte Ursula unbedingt zu ihren Neujahrsvorsätzen hinzufügen. Ganz allgemein gesprochen wäre dies für uns alle einer der besten Vorsätze. In diesem Sinne wünsche ich auch Ihnen ein frohes und gesundes Neues Jahr!
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
** Anleitung zur progressiven Muskelentspannung:
Grüner Star Behandlung
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.