Schwangere, die sich im Vorfeld für eine Kaiserschnittgeburt entscheiden, sehen sich mitunter heftiger Kritik ausgesetzt, weil sie ihren Babys damit „eine normale Entwicklung des Darmmikrobioms vorenthalten“. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse, die dieses Vorurteil relativieren.
Wie oft habe ich in diesem Blog bereits über die Vorteile jener ersten „Schluckimpfung“ für Neugeborene geschrieben, die auf dem natürlichen Weg durch den Geburtskanal auf die Welt kommen! Mit dieser festen Überzeugung stehe ich ja auch nicht allein.
Aus dem gleichen Grund konnte sich das vaginal seeding in manchen Kreißsälen etablieren – eine Methode, bei der „Mund und Nase der mit Kaiserschnitt geborenen Kinder mit dem Vaginalsekret der Mutter bestrichen werden, um die Entwicklung des kindlichen Mikrobioms zu beschleunigen“.*
Das Defizit der Sectio-Babys liegt fraglos auf der Hand: „Bei einer vaginalen Geburt erhalten die Neugeborenen ihre erste Dosis von Mikroorganismen im Geburtskanal. Die Keime (u. a. auch fäkale Mikroben der Mutter) gelangen über den Mund in den Darm. Dort sind sie in den ersten Lebenswochen an der Entwicklung der Darmflora beteiligt.“
Da Kaiserschnittkinder epidemiologischen Studien zufolge „ein erhöhtes Risiko tragen, im späteren Leben an Asthma oder Adipositas zu erkranken“, wurde mit dem vaginal seeding versucht, den Mikrobiomtransfer von der Mutter zum Kind zu verbessern.
Doch gerade in jüngster Zeit wird der Nutzen dieser Methoderelativiert: So heißt es in einer Studie, die in Cell Host & Microbe veröffentlicht wurde, dass sich „die Unterschiede im Mikrobiomtransfer (je nach Art der Geburt) in den ersten Wochen rasch ausgleichen“ würden.
Dass besonders nach einer Kaiserschnittgeburt den Müttern „neben einem engen körperlichen Kontakt auch zum Stillen“ geraten wird“, entspringt der gleichen Erkenntnis. Weil die bakterielle Erstbesiedelung des kindlichen Darms so eminent wichtig für die lebenslange gesundheitliche Disposition ist, sollen wenigstens die Bakterien „von der Haut der Mutter und auch mit der Muttermilch in den Darm des Kindes“ gelangen.
Wie wichtig gerade Laktobazillen sind, habe ich hier beschrieben:
Zweifellos fehlt Kindern, die per Sectio auf die Welt kommen, der direkte Kontakt zum Darmmikrobiom der Mutter, doch laut der vorliegenden Studie wird dieser anfängliche bakterielle „Mangel offenbar von den Mikroben aus der Muttermilch wett gemacht (…). Nach 1 Monat waren in der Studie kaum noch Unterschiede zwischen den Mikrobiomen von vaginal und per Kaiserschnitt entbundenen Kindern zu erkennen.“
Also doch alles nicht so schlimm?
Dieses Ergebnis ist ebenso verblüffend wie eine andere Erkenntnis: „Der Beitrag der vaginalen Mikroben an der Besiedlung des Nasopharynx (Nasen-Rachenraum) beträgt – am 1. Tag nach der Geburt – nach einer vaginalen Entbindung 29,9 %. Beim Kaiserschnitt lag der Anteil bei 0 %, wenn es sich um eine geplante Sectio handelte, aber bei 18,4 %, wenn die Entscheidung zur Schnittentbindung erst unter der Geburt erfolgte.“
Die logische Schlussfolgerung der Forscher: „Nach dem Blasensprung haben die Kinder im Prinzip Kontakt zum Mikrobiom des Geburtskanals.“ Dies ist in der Tat eine willkommene Präzisierung, ging man doch bislang davon aus, Kaiserschnitt sei gleich Kaiserschnitt.
Auch die Erkenntnis, „dass Kaiserschnittkinder sehr stark vom Stillen profitieren“, wird in dieser Studie untermauert. Was ich mir in diesem Zusammenhang freilich gewünscht hätte, gerade wo es doch um ein optimal ausgebildetes Darmmikrobiom bei Neugeborenen geht, wäre ein Verweis auf die Existenz spezieller Probiotika gewesen, die dies gezielt unterstützen – und zwar unabhängig von der Art der Geburt.
Worauf ich hier anspiele, sind Präparate wie z. B. OMNi-BiOTiC® PANDA, dessen ausgewählte probiotische Bakterien das Auftreten allergischer Erkrankungen bei familiär vorbelasteten Babys nachweislich erheblich reduzieren können. Welche positiven Auswirkungen dieses Multispezies-Probiotikum auf Säuglinge hat, können Sie u. a. hier nachlesen:
Damit möchte ich den Ansatz der vorliegenden Studie aber nicht in Frage stellen. So bleibt immerhin die Erkenntnis, dass Sectio-Kinder in besonderer Weise vom Stillen und dem Hautkontakt mit der Mutter profitieren.
Ob sich damit das vaginal seeding insgesamt „erledigt“ hat, ist damit noch nicht entschieden, doch für Bernhard Resch von der Medizinischen Universität Graz erscheint es zumindest „sehr viel attraktiver, nach einem Kaiserschnitt das Kind an den Busen zu legen als ihm mit einem Vaginalsekret-getränkten Tuch ins Gesicht zu wischen.“
Festzuhalten bleibt: Der Zusammenhang zwischen der spezifischen Zusammensetzung des Darmmikrobioms und späteren allergischen und anderen Erkrankungen wird von niemandem mehr bestritten. Auch das ist schon mal ein Fortschritt …
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Beitrag auf dem Online-Portal des „Ärzteblatt“ vom 14. März 2023, © rme/aerzteblatt.de
Kaiserschnittkinder schlechtere Chancen
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.