Allergiker haben es nicht leicht: Im besten Fall juckt es sie ganz fürchterlich, manche müssen sich aber auch grundsätzlich vor irgendwelchen Stoffen in Acht nehmen. Jetzt zeigt sich: Vor bakteriellen Infektionen scheinen sie besser geschützt zu sein als Gesunde!
Schon heute leiden „rund 150 Millionen EuropäerInnen unter wiederkehrenden Allergien“, und es gibt Schätzungen, die besagen, dass „bis 2025 jede(r) zweite EuropäerIn von einer Allergie betroffen sein“ könnte! Man darf also sagen: Das Thema, dessen sich eine international besetzte Gruppe von Forschern hier angenommen hat, ist heiß!
Das Thema ist „heiß“
Was da in einer Studie der europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie* untersucht wurde, stützt sich auf frühere Erkenntnisse, die darauf hinweisen, dass „allergische Reaktionen eine positive Funktion bei der Abwehr von Giftstoffen“ haben. Genauer: Es wird angenommen, dass „eine Immunantwort des Körpers gegen Bakterien wie den in der Studie untersuchten Staphylococcus aureus vor schweren sekundären Infektionen mit dem Keim schützen“ könnte.
Über dieses besondere Bakterium können Sie hier noch mehr erfahren:
Das wäre freilich phänomenal, denn das Besondere an Staphylococcus aureus ist ja: Zwar handelt es sich um ein Bakterium, das fast alle unter uns besiedelt. Bestimmte Staphylokokkenarten gehören einfach zur normalen Flora unserer Haut und Schleimhäute (übrigens auch bei Tieren). Gleichzeitig zählt es aber – in seiner multiresistenten Form (MRSA) – zu den wichtigsten Auslösern jener Wundinfektionen, die man sich im Krankenhaus einfängt und gegen jedes bekannte Antibiotikum resistent sind!
Warum gerade dieser Erreger zu Recht gefürchtet wird, habe ich hier bereits beschrieben:
Sollten also Allergiker einen „Bonus“ besitzen, der sie – zumindest in einer Beziehung – besser stellt als normale Sterbliche? Um dies zu verstehen, muss man zunächst etwas tiefer in die Materie eindringen …
Was passiert eigentlich im Körper von Allergikern?
„Allergische PatientInnen durchlaufen zu Beginn der Erkrankung einen Prozess der ,Sensibilisierung’. Dabei entwickelt ihr Immunsystem IgE-Antikörper, die körperfremde Stoffe (sogenannte Allergene) erkennen. Die IgE-Antikörper wiederum binden an Zellen mit einem FcεR1-Rezeptor, der vor allem auf Mastzellen (einer Art Immunzelle) vorkommt, die in den meisten Geweben des Körpers vorhanden sind.“
Diese Mastzellen sind damit also quasi „scharfgestellt“. Und wie geht’s weiter?
Alarm für diverse Mediatoren
„Bei erneutem Kontakt mit einem Allergen vermitteln die IgE-Antikörper die sofortige Aktivierung der Mastzellen und die unmittelbare Freisetzung verschiedener Mediatoren, z. B. Histamin, Proteasen oder verschiedene Zytokine, welche die klassischen allergischen Symptome hervorrufen.
Über aktivierte Mastzellen habe ich mich hier ausführlich ausgelassen:
Abhängig vom Organ, in dem es zum Kontakt mit dem Allergen kommt, können die Symptome von Niesen/Atemnot (Atemwege) über Durchfall und Magenschmerzen (Magen-Darm-Trakt) bis hin zu Juckreiz (Haut) reichen.“
Über die Probleme von Allergikern sowie Strategien je nach Jahreszeit habe ich mehrfach berichtet, u. A. hier:
… und hier:
Neben verhältnismäßig harmlosen Symptomen können die Mastzellen freilich auch „lebensbedrohliche allergische Reaktionen hervorrufen“ – wenn sie nämlich gleichzeitig in verschiedenen Organen „zuschlagen“ und so eine Anaphylaxie auslösen.
Obwohl bereits andere Studien „die Bedeutung von Mastzellen für die angeborene Resistenz gegen das Gift bestimmter Schlangen und der Honigbiene“ festgestellt hatten, gibt das Zusammenwirken von IgE-Antikörpern und Mastzellen immer noch Rätsel auf, weshalb für die vorliegende Studie ein internationales Forscherteam untersucht hat, „ob Mastzellen und IgE-Antikörper auch bei der Abwehr anderer toxinproduzierender Organismen, insbesondere pathogener Bakterien, relevant sein könnten.“
Mäuse im Dienst der Aufklärung
Die Wahl des Erregermodells fiel auf das Bakterium Staphylococcus aureus –
nicht nur „wegen seiner enormen klinischen Relevanz“, sondern auch aufgrund „seines breiten Repertoires an Toxinen“. Gerade diesem Bakterium sagt man ja nicht nur nach, dass es „allergische Erkrankungen wie Asthma und atopische Dermatitis“ auslöst, es ist auch „ein typischer antibiotikaresistenter Krankheitserreger“.
Und jetzt wird’s spannend: „Die WissenschaftlerInnen fanden heraus, dass Mäuse mit einer milden S. aureus-Hautinfektion im Verlauf der folgenden adaptiven Immunantwort spezifische IgE-Antikörper gegen bakterielle Komponenten entwickeln. Diese Immunantwort verleiht den Mäusen erhöhte Resistenz gegenüber schweren sekundären Lungen- oder Haut- und Gewebeinfektionen.“
Damit unterschieden sich diese Mäuse von solchen, „denen funktionelle IgE-Effektormechanismen oder Mastzellen fehlen“ und keinen entsprechenden Schutzschirm entwickeln konnten. Dies ließ die Annahme zu, „dass die ,allergische’ Immunantwort nicht ausschließlich pathologisch, sondern schützend bei bakteriellen Infektionen sein kann“.
Damit ist es den beteiligten Wissenschaftler:innen nicht nur gelungen, Licht in jenes ominöse Allergiemodul zu bringen, das offenbar toxinproduzierende, pathogene Bakterien in die Schranken weisen kann, sondern gleichzeitig die Frage zu beantworten, warum „im Verlauf derEvolution“ Allergien nicht einfach verschwunden sind.
So bleibt also allen von Allergien Betroffenen der Trost, dass ihre IgE-Antikörper und Mastzellen mitzuhelfen scheinen, „den Körper gegen Gifte und Infektionen durch toxinproduzierende Bakterien wie Staphylococcusaureus zu schützen“.
Dies ist doch mal eine versöhnliche Erkenntnis, auch wenn ich Ihnen grundsätzlich ein gesundes, vitales Immunsystem wünsche, das keine allergischen Immunreaktionen nötig hat …
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Alle Zitate entstammen einem Bericht von Laura Alvarez und Dr. Ilka Ottleben auf dieser Seite:
https://www.laborpraxis.vogel.de/allergien-schuetzen-vor-bakteriellen-infektionen-a-962788/
MRSA und Allergiker
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