Hier ist langsam mal eine Ehrenerklärung für alle Krankenhäuser fällig, die trotz aufwendiger Hygienemaßnahmen im Ruf stehen, pathogene Keime hervorzubringen, die ihre Patienten erst richtig krank machen. Die Fakten sprechen eine andere Sprache …
Wer kennt sie nicht, die Geschichten von Patienten, die im Krankenhaus von einer Superinfektion bzw. von Keimen heimgesucht wurden, die gegen alle gängigen Antibiotika resistent waren? Nicht von ungefähr kursiert der Begriff „Krankenhauskeime“, der Angst und Schrecken verbreitet.
Jetzt stieß ich auf eine Studie*, die den Nachweis führt, dass die meisten Infektionen, die Patienten im Krankenhaus erleiden, durch zuvor harmlose Bakterien verursacht wurden, die Patienten bereits vor ihrer Aufnahme ins Krankenhaus in ihrem Körper bzw. auf der Haut hatten. Und wer tiefer in die Materie eindringt, stellt schnell fest, dass dies nicht die erste Studie dieser Art ist …
Fiese Nummer: Warten, bis wir geschwächt sind, um dann zuzuschlagen!
Verglichen wurden hier Bakterien im Mikrobiom – also diejenigen, die unsere Nase, Haut und andere Bereiche des Körpers besiedeln – mit jenen Bakterien, die Lungenentzündung, Durchfall, Blutkreislaufinfektionen und Infektionen an Operationsstellen verursachen. Dabei zeigte sich, dass dieselben Bakterien, die harmlos auf unserem eigenen Körper leben, wenn wir gesund sind, zugleich am häufigsten für all die schlimmen Infektionen verantwortlich sind, wenn wir krank sind!
Nun ist es nichts Neues, dass bestimmte Bakterien wie „Schläfer“ in unserem Organismus leben, bis sie sich von einer ganz anderen, dunklen Seite zeigen – man denke nur an den berüchtigten Helicobacter-Pylori, über den ich an dieser Stelle auch schon berichtet habe:
Fakt ist, dass postoperative Wundinfektionen eine Hauptursache für die Wiedereinweisung vieler bereits entlassener Patienten bzw. den Tod nach einer OP sind. Und das, obwohl Krankenhäuser zweifellos außergewöhnliche Anstrengungen unternehmen, um speziell solche verheerenden Komplikationen zu verhindern – von der Sterilisation der chirurgischen Geräte über die Verwendung von ultraviolettem Licht zur Reinigung des Operationssaals und von der Einhaltung strenger Protokolle für OP-Kleidung bis zur Überwachung des Luftstroms im Operationssaal.
Triumph der DNA-Sequenzierung
Wie konnte nun also nachgewiesen werden, dass viele Wundinfektionen nach einer Wirbelsäulenoperation durch Mikroben verursacht werden, die sich bereits auf der Haut des Patienten befanden? Frühere Studien zu Infektionen an der Operationsstelle hatten sich meist auf eine einzelne Bakterienart beschränkt.
Das Team aus Ärzten und Wissenschaftlern aus den Bereichen Intensivpflege, Infektionskrankheiten, Labormedizin, Mikrobiologie, Pharmazie, Orthopädie und Neurochirurgie bediente sich neuester Technologien, mit deren Hilfe alle Arten von in Frage kommenden Bakterien untersucht und zugleich auch deren Antibiotikaresistenzgene bestimmt werden konnten.
Dabei konzentrierten sie sich auf Infektionen in der Wirbelsäulenchirurgie, weil sich ähnlich viele Frauen und Männer im Laufe ihres Lebens aus verschiedenen Gründen einer Wirbelsäulenoperation unterziehen und weil Infektionen nach einer Wirbelsäulenoperation für Patienten besonders verheerend sein können, da sie häufig wiederholte Operationen und lange Antibiotikakuren erfordern, um eine Chance auf Heilung zu haben.
Die „bucklige“ Verwandtschaft der Bakterien
Die Ergebnisse zeigten, dass die auf der Rückenhaut der Patienten lebenden Bakterienarten zwar von Person zu Person erheblich variierten, es aber einige klare Muster gab. Bakterien, die sich im oberen Rückenbereich um Hals und Schultern ansiedeln, ähneln eher denen in der Nase, während diejenigen, die normalerweise am unteren Rücken vorhanden sind, eher denen im Darm und Stuhl ähneln.
Tatsächlich waren 86 Prozent der Bakterien, die nach einer Wirbelsäulenoperation Infektionen verursachten, genetisch mit jenen Bakterien identisch, die der Patient vor der Operation in sich trug.
Während diese Erkenntnis zweifellos dazu dient, mit Vorurteilen aufzuräumen, bestätigt eine andere Entdeckung eher die Bedenken aller, die vor Antibiotikaresistenzen warnen:
Fast 60 Prozent der Infektionen waren nämlich auch resistent gegen das Antibiotikum, das bereits während der Operation prophylaktisch verabreicht wurde, und auch gegen das Antiseptikum, das zur Reinigung der Haut vor dem Schnitt verwendet wurde, oder gegen beides.
Das Verblüffende: Die Quelle dieser Antibiotikaresistenz war nicht etwa im Krankenhaus zu verorten, sondern stammte ebenfalls von Mikroben, mit denen die Patienten bereits gelebt hatten! Man vermutet, dass sie sich diese antibiotikaresistenten Mikroben durch „vorherige Antibiotika-Exposition oder routinemäßigen Kontakt mit der Bevölkerung“ angeeignet haben.
Dies lässt schon deswegen aufhorchen, weil längst prognostiziert wird, dass die weltweite Zunahme von Antibiotikaresistenzen auch die Infektionsraten nach einer Operation erhöhen wird. Schließlich bildet die Verabreichung von Antibiotika während einer Operation einen Eckpfeiler der Infektionsprävention …
Lässt sich so die „Infektionsfalle“ vermeiden?
Chirurgische Wundinfektionen werden also mehrheitlich durch jene Bakterien verursacht, die sich in oder auf dem operierten Körperteil aufhalten? Wenn das so ist, eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten bei der Prävention und Pflege, denn noch folgen die aktuellen Protokolle zur Infektionsprävention – ob es um die Verwendung von Antibiotika oder topischen Antiseptika geht – einem Einheitsmodell.
Wenn jedoch die wahrscheinlichste Quelle einer chirurgischen Infektion – das Mikrobiom des Patienten – im voraus bekannt ist, ließen sich künftig womöglich Informationen über das individuelle Mikrobiom nutzen, um gezieltere antimikrobielle Mittel auszuwählen und so der „Infektionsfalle“ zu entgehen.
Bis es soweit ist, muss zweifellos noch weiter erforscht werden, wie solche Informationen interpretiert werden können. Interessant erscheint aber auch, dass diese neuen Erkenntnisse ein indirekter Beweis für die Wirksamkeit all jener Maßnahmen sind, die von Krankenhäusern routinemäßig zur Infektionsprävention unternommen werden!
Wie ich bereits oben erwähnt habe, sollte die Tatsache, dass die meisten Infektionen nicht wirklich ihren Ursprung im Krankenhaus haben, manches herrschende Vorurteil gegenüber der Krankenhaushygiene ins Wanken bringen.
Don’t bring your own (bad) bacteria!
Und nicht nur das: Auch die Legitimation der probiotischen (Komplementär-) Medizin wird dadurch gestärkt, denn wenn – wie hier gezeigt – Bakterien, die sich im oberen Rückenbereich um Hals und Schultern ansiedeln, tatsächlich den Bakterien in der Nase ähneln und diejenigen Bakterien, die normalerweise am unteren Rücken vorhanden sind, eher denen in Darm und Stuhl, dann erscheint es auch sinnvoll, möglichst früh vor einer geplanten Operation gezielt spezifische Probiotika für Nase (etwa OMNi-BiOTiC® immunD) und Darm (z. B. OMNi-BiOTiC® 10) zu verabreichen, um zu verhindern, dass potenziell pathogene Keime der entsprechenden Hautpartien nach einer OP zu Infektionen führen.
Die knappste Formel für eine solche Umstellung auf einen patientenzentrierteren, individuelleren Ansatz zur Infektionsprävention wäre also auf gut deutsch: Bitte lassen Sie Ihre eigenen (pathogenen) Bakterien zu Hause.
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Grundlage dieses Beitrags ist ein englischsprachiger Artikel, der im April 2024 auf dem Portal von „Science Alert“ erschien. © Dustin Long & Chloe Bryson-Cahn
Quelle: https://www.sciencealert.com/scientists-reveal-where-most-hospital-infections-actually-come-from
Krankenhauskeime
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.