Es freut mich wirklich sehr, dass Sie dem Geschehen in Ihrer Körpermitte so viel Aufmerksamkeit zollen. Das ist auch gut so, denn von der Art, wie wir unsere bakteriellen Mitbewohner behandeln, hängt schließlich unsere Gesundheit ab – bis hin zu rheumatischen Beschwerden …
Es gibt wohl kaum eine Krankheit (zumindest keine, von der ich wüsste), bei der das Darmmikrobiom nicht in irgendeiner Weise mitmischen würde. Falls es noch eines weiteren Beweises bedarf – bitteschön:
Aus einer Studie von 2021* geht hervor, dass sich bei Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis „aus der Zusammensetzung der Darmflora (…) vorhersagen ließ, ob die Patienten eine Chance auf eine Besserung hatten“. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass „Patienten mit einer guten Krankheitskontrolle andere Bakterien im Stuhl hatten“.
Wie so oft, hatten Experimente mit einigen bemitleidenswerten, keimfrei aufgewachsenen Nagern den entscheidenden Hinweis auf „eine mögliche Bedeutung der Darmflora bei der Entstehung von rheumatischen Erkrankungen“ gegeben. Auch bei anderen Mäuserichen mit genetischem Arthritisrisiko „kam es erst zum Ausbruch der Erkrankung, wenn der Darm mit („schlechten“, Anm. DP) Bakterien besiedelt wurde“.
Die beteiligten Forscher zogen daraus den Schluss, dass „die Bildung von Autoantikörpern“ offenbar von der Darmflora getriggert wird. In der hier vorliegenden Studie, die an der Mayo Clinic in Rochester, USA, durchgeführt wurde, ging es explizit darum, anhand einer Genomanalyse aller Mikroorganismen „den Einfluss der Darmbakterien an 32 Patienten mit rheumatoider Arthritis“ zu untersuchen. Nicht weniger als „eine genetische Inventur der Darmflora“ stand auf dem Plan.
Wenn Sie wissen wollen, wie das Immunsystem in die Knie gehen kann, dann gucken Sie hier:
Bakterielle Entscheidungshoheit
Verblüffend war schon das Ergebnis der ersten Untersuchung: Weder die Einnahme von Medikamenten noch das Geschlecht übt offenbar den größten Einfluss auf das rheumatische Geschehen aus, und selbst Nikotinkonsum macht da nicht den entscheidenden Unterschied. Es sind die spezifischen Darmbakterien, die das Maß der Krankheitsaktivität bestimmen!
Welche das sind, sagt freilich nur Eingeweihten etwas: „Zu den Bakterien, die einen günstigen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen haben könnten, gehörten Coprococcus, Bilophila und Prevotellaceae.“ Aha. Zumindest von Coprococcus weiß man, dass sie Butyrat bilden, eine kurzkettige Fettsäure, die entzündungshemmend wirkt und für alle Körperzellen – besonders auch unsere Gehirnzellen – essenziell sind.
Vermutet wird, dass dieses von der Darmschleimhaut resorbierte Butyrat eine „antirheumatische Wirkung im Kreislauf“ ausübt. Wie Sie diese wichtige Fettsäure Ihren Mikroben zuführen können, habe ich hier genauer beschrieben:
Doch weiter im Text: „Eine gute Krankheitskontrolle war mit bestimmten Veränderungen des Stoffwechsels in den Darmbakterien verbunden. Dazu gehörte die Biosynthese von Aminosäuren Arginin, Methionin und Ornithin.“ Das sind übrigens alles Aminosäuren, die einen unterstützenden Effekt auf die Leber haben!
Vielleicht fragen Sie sich, was eine „gute Krankheitskontrolle“ bedeutet? Gemeint ist hier, dass Krankheitsschübe nach allen Regeln der ärztlichen Kunst unterbunden werden. Bei einer weiteren Untersuchung nach sechs bis zwölf Monaten jedenfalls „hatte sich das Mikrobiom bei vielen Patienten verändert. Die Richtung der Veränderung war erneut von der Krankheitsaktivität abhängig“. Mit anderen Worten: Je besser die Mikrobiota aufgestellt war, desto geringer waren die Krankheitsschübe.
Was das Ergebnis dieser Studie auch so bedeutsam macht, ist nicht allein der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Symptomatik und bakterieller Zusammensetzung des Darmmikrobioms (die Forschergruppe äußerte sich dazu mit der gewohnten Vorsicht: „Vielleicht haben die Darmbakterien die Veränderung sogar beeinflusst“), sondern darüber hinaus die Aussicht, womöglich schon bald anhand eines Stuhltests verlässliche Prognosen zum künftigen Krankheitsverlauf abgeben zu können!
„Ein Computer der Forscher konnte anhand der Daten der 1. Metagenomanalyse mit einer 90%-igen Genauigkeit vorhersagen, ob sich die Erkrankung bei einem Patienten innerhalb des kommenden Jahres verbessert.“
Im Stuhl liegt die Wahrheit. Das sag’ ich doch immer wieder!
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Die erwähnte Studie erschien in Genome Medicine. Alle wörtlichen Zitate entstammen einem Beitrag auf dem Online-Portal des „Ärzteblatt“:
Rheuma Darm
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.