Titelbild: © Tefi /shutterstock
Es passiert nicht jeden Tag, dass eine Patientin in meine Praxis kommt, die auf eine Karriere als Sängerin zurückblicken kann. Dieser Umstand ist eigentlich völlig unerheblich, aber mit Gertrud Schmitzke*, die im nächsten Monat 75 wird, hat sich das vorletzte Mitglied jener Mehrgenerationen-Familie in meiner Praxis eingefunden, die ich seit einiger Zeit behandeln darf. Ihre Enkelin Debbie hatte ihr offenbar lange genug in den Ohren gelegen, bis sie den Weg zu mir fand – geplagt von heftigen Schmerzen in den Gelenken, die ihr Hausarzt als „altersgemäß“ abgetan und sie mit starken Schmerzmitteln nach Hause entlassen hatte. Dann noch die permanente Verstopfung seit Jahren. Nun saß die eigentlich sehr lebenslustige Gertrud wie ein Häufchen Elend vor mir.
Ein Orthopäde hatte bei ihr rheumatoide Arthritis diagnostiziert – eine fortschreitende Gelenkentzündung, die der Innenhaut von Gelenken, Sehnenscheiden oder Schleimbeuteln zusetzt – und ihr neben krankengymnastischen Übungen eine Elektrotherapie verschrieben. Diese hatte ihr aber nur kurz Linderung verschaffen können.
„Ungelenk“ sagt nichts über die Schmerzen aus
„Es begann schon vor Jahren mit einer ,Morgensteifigkeit’, die sich immer weiter in den Tag hineinzog,“ berichtete sie mir. „Heute schmerzen meine Gelenke so sehr, dass ich manches aufgegeben habe, was früher zu meinen liebsten Beschäftigungen zählte. Meine schöne Bratsche schafft es schon lange nicht mehr aus dem Koffer ans Tageslicht, die Stricknadeln habe ich schon vor Jahren verschenkt, und selbst meine geliebte Staffelei setzt nur noch Staub an.“ Die ehemalige Sängerin und Musikerin, die auf den Bühnen der Welt auftrat, war sichtlich geknickt.
Bei der Anamnese stellte sich heraus, dass Gertrud Sch. seit ihrer Kindheit nicht nur mit Darmproblemen, sondern in ihrer Jugend auch mit einer schweren Neurodermitis und wiederkehrenden Blasenentzündungen zu kämpfen hatte. Letzteres hatte dazu geführt, dass Antibiotika-Kuren für sie quasi zur „Routine“ geworden waren!
An dieser Stelle läuten bei mir natürlich alle Alarmglocken, ist doch mittlerweile bekannt, dass gerade Antibiotika-Gaben dem Darm vieles abverlangen – leider auch die Preisgabe vieler wichtiger Bakterien, ohne die unser Immunsystem schnell aus dem Ruder laufen kann. Und Rheuma ist eine Erkrankung des Immunsystems!
Keine Algebra: der rheumatische Formenkreis
Rheuma tritt größtenteils am Bewegungsapparat auf und betrifft nicht nur „harte“ Strukturen wie Knochen, Gelenke oder Knorpel, sondern auch „Weichteile“ wie Muskeln, Bänder oder Sehnen. Selbst Organe, Rippenfell, Nerven oder Gefäße können betroffen sein. Rund 400 verschiedene Erkrankungen fassen Mediziner heutzutage unter dem Oberbegriff „Krankheiten des rheumatischen Formenkreises“ zusammen.
Die Ursachen sind dabei so vielfältig wie die Formen der Erkrankungen. Am weitesten verbreitet ist die rheumatoide Arthritis (früher als „chronische Polyarthritis“ bezeichnet), eine fortschreitende Gelenkentzündung, bei der die Gelenkinnenhaut, Sehnenscheiden oder Schleimbeutel angegriffen werden. Diese Vorgänge nennen sich Autoimmunprozesse: Immunzellen bekämpfen plötzlich körpereigene Strukturen, indem sie zum Beispiel das Kniegelenk zum Feind erklären.
In dem Video erkläre ich kurz und verständlich die Therapierung rheumatischer Erkrankungen:
Worauf das Immunsystem reagiert
Angeregt werden sie durch bestimmte Botenstoffe, sogenannte Interleukine, die viele Immunzellen anlocken, so dass im Gelenk eine Entzündung entsteht. Das schmerzt, führt zu Bewegungseinschränkungen und schlimmstenfalls zur Zerstörung des Gelenks. Dazu sollte man wissen: Eine Reaktion des Immunsystems, ob gerechtfertigt oder nicht, führt immer zu einer Entzündung! Das muss so sein, der Körper sollte aber nach Beendigung der Immunreaktion die Entzündung wieder herunterfahren. Bei einer Autoimmunreaktion wie bei der Arthritis bleibt die Entzündung aktiv!
Ich erklärte Gertrud Sch., was nun zu geschehen hätte: dass sie gemeinsam mit einem Facharzt einen Behandlungsplan erarbeiten müsse, der moderne entzündungshemmende Medikamente einschließt – sogenannte Immunsuppressiva, die bestimmte, überschießende Funktionen des Immunsystems dämpfen.
Der Kampf ums tägliche Steak
Bei der Ernährung würde ich ihr schon den Weg weisen und spezielle, entzündungshemmende Zutaten benennen. Als ich ihr riet, Fleisch nur noch selten auf den Tisch zu bringen, stöhnte Gertrud auf. Sie, die Vielgereiste, hatte sowohl in der asiatischen als auch südamerikanischen Küche Lieblingsgerichte mit viel Fleisch entdeckt, die sie gern nachkochte.
Nun sollte sie ausgerechnet die Finger davon lassen! Ich merkte, wie sehr ihr dies „in die Knochen gefahren“ war. Als ich sie darauf hinwies, dass Fleisch nicht nur viel entzündungsfördernde Arachidonsäure enthält, sondern leider eben auch Antibiotika, bäumte sie sich noch einmal auf. Im „Kampf ums Steak“ wollte sie nicht so schnell klein beigeben (ihre Schmerzen schienen für einen Moment in den Hintergrund zu treten): „Auf Wurst verzichten wir ja eh schon länger, aber ein Stück Fleisch ab und zu muss sein!“
Gute Fette vs. „gute Butter“
Nun war ihr Mann Otto (81) kurz zuvor in meiner Praxis gewesen, und auch ihm hatte ich zu dessen Leidwesen geraten, wegen seiner Divertikulitis (Erkrankung des Dickdarms) auf das entzündungsfördernde Fleisch zu verzichten. Sowohl Otto als auch Gertrud gehören einer Generation an, in deren Elternhaus die schrecklichen Hungerwinter im und kurz nach dem 2. Weltkrieg die gesamte Ernährung hernach geprägt hatten.
Man sprach ausnahmslos von „guter Butter“, und die Fleischportionen definierten den Wohlstand und das Wohlbefinden. Schließlich willigte Gertrud ein, in Zukunft mehr auf „gute Fette“ umzusteigen. Dazu zählen insbesondere Omega-3-Fettsäuren, wie sie etwa in Leinöl oder noch besser im hochreinen Fischöl zu finden sind, sowie pflanzliche Mineralstoffe und Antioxidantien. Die helfen nachweislich gegen die Entzündung.
Das kann doch niemandem „wurscht“ sein!
Im Fettanteil des Fleisches bzw. in Schmalz ist Arachidonsäure in reichlichem Maße enthalten. Dies gilt auch für die fettreiche Wurst. Arachidonsäure ist eine Omega-6-Fettsäure, die viele entzündungsfördernde Botenstoffe enthält. Hinzu kommt, dass Wurst, die mit allerlei industriellen Zusatzstoffen vermischt ist, häufig auch verschiedene „Schlachtabfälle“ enthält. Das ruft sofort unser Immunsystem und somit Entzündungsprozesse auf den Plan.
Demgegenüber stehen entzündungshemmende Botenstoffe, die vom Körper aus den Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) gebildet werden. Je mehr wir davon zu uns nehmen, desto effektiver können wir Entzündungen bekämpfen!
Bei zwei Fischmahlzeiten pro Woche essen wir quasi eine Kreditkarte
Die größte entzündungshemmende Kraft besitzt EPA, und die finden wir im Fisch.
Gertruds Augen leuchteten: „Dann kann ich ja täglich Fisch essen. Ich liebe Scholle, Lachs, Kabeljau und Forellen.“ Jetzt war meine Patientin wieder ganz bei mir. Umso größer ihre Enttäuschung, als ich sie daran erinnerte, wie viel Plastik heute in den Meeren schwimmt, was sich neben Quecksilber auch im Fisch nachweisen lässt. „Bei zwei Fischmahlzeiten pro Woche essen wir quasi eine Kreditkarte“, hatte es kürzlich eine Kollegin formuliert. Als ich ihr dies erzählte, war es mit Gertruds Contenance vorbei: Mit dem Fisch eine Kreditarte zu verspeisen – das musste sie erst einmal verkraften.
Der Darm hat nun mal den Hut auf
Jetzt tut Ablenkung gut, also brachte ich den Darm ins Spiel: Unser Darm hat bei allen immunologischen Prozessen den Hut auf! Nirgends ist das Immunsystem so aktiv wie hier. Eine Fehlbesiedlung des Darms kann das Immunsystem zur Überreaktion anregen. Immunzellen gelangen in das Lymph-und Blutsystem und suchen sich neue „Tatorte“ wie zum Beispiel die Gelenke. Manche dieser Immunzellen verwechseln Körperzellen, wie zum Bespiel Zellen der Gelenkhaut, mit pathogenen Darmbakterien und fahren nun alle Geschütze einer erfolgreichen Bekämpfung aus. Die Entzündung ist da und wird vom Körper aufrechterhalten, so lange „Nachschub“ aus dem Darm kommt. Hier setzt die probiotische Medizin an!
Als erstes habe ich Gertrud Sch. eine achtwöchige, sanfte, aber gründliche Darmreinigung mit MikroSan® empfohlen. Die Wirkung dieses Darmelixiers mit seinen 31 natürlichen Mikroorganismen und 24 ausgewählten, antientzündlichen Pflanzen- und Kräuterextrakten habe ich in meinem Blog schon mehrfach beschrieben.
Es ist in meiner Praxis der Beginn einer erfolgreichen probiotischen Behandlung. Manchmal genügen 4 Wochen (das entspricht 1 Flasche), aber in diesem Fall sind mindestens 8 Wochen nötig – wegen der Verstopfung über einen langen Zeitraum. Stuhlreste unterstützen Fäulnisprozesse im Darm, die wiederum Entzündungen hervorrufen können.
Wie man Toxinen den Kampf ansagt
Für die ersten 14 Tage wird meine Patientin zusätzlich OMNi-BiOTiC® 10 einnehmen. Dieses Mutispezies-Probiotikum enthält pro Portion 5 Milliarden Darmbakterien aus 10 verschiedenen Stämmen, die natürlich im menschlichen Darm vorkommen. In wissenschaftlichen Studien wurde gezeigt, dass sich die in OMNi-BiOTiC® 10 enthaltenen Bakterien im Darm ansiedeln und vermehren können. Sie wirken dabei insbesondere der Entstehung von Toxinen entgegen, die zum Beispiel von Bakterien der Gattung Clostridium difficile ausgeschüttet werden und eine immunologische Reaktion hervorrufen können. Insbesondere Antibiotika-Einnahmen führen häufig zu einer Vermehrung dieser potenziell pathogenen Bakterien.
Nach 14 Tagen wird meine Patientin OMNi-BiOTiC® 10 absetzen und durch das immunologisch wirksame OMNi-BiOTiC® 6 ersetzen, das ich an dieser Stelle ebenfalls schon häufig beschrieben habe.
Dazu soll sie weiterhin am Morgen MikroSan® einnehmen (bis die 2 Flaschen aufgebraucht sind) und am Abend das entzündungshemmende OMNi-BiOTiC® SR-9. Dieses Probiotikum hat in verschiedenen Studien** eine signifikante Reduktion von Entzündungsparametern gezeigt. Dabei wurden deutlich weniger proentzündliche und dafür mehr antientzündliche Botenstoffe freigesetzt. Bestimmte „freundliche“ Bakterien haben einen großen Einfluss auf Entzündungsprozesse im Körper! Werden sie durch Antibiotika oder eine falsche Ernährung zurückgedrängt, können sich leichter Entzündungen bilden, zum Beispiel an den Gelenken. Kommt noch eine Überreaktion des Immunsystems und eine entsprechende genetische Veranlagung dazu, sind rheumatologischen Prozessen Tür und Tor geöffnet.
Geduld gehört zur Therapie
Diese probiotische Therapie wird Gertrud über mindestens neun Monate fortführen. Dazu habe ich ihr die Einnahme von Weihrauch empfohlen. Sehr gut finde ich das metacare® Weihrauch mit antioxidativem Curcuma, strukturfestigendem Ackerschachtelhalm und antientzündlichem Vitamin C oder die Boswellia Kapseln von Pure Encapsulations. Dazu gebe ich hochreines Fischöl, frei von Quecksilber und Plastik (zum Beispiel von Norsan).
All diese Präparate gibt es in der Apotheke. Vor allem habe ich sie ermahnt, die gesunde Ernährung mit viel biologischem Gemüse und Obst und wenig tierischem Eiweiß künftig sehr ernst zu nehmen. Als ehemals weitgereiste Künstlerin kennt sie schließlich die Küchen der Welt und wird mit Leichtigkeit eine kreative und vollwertige Ernährung auf die Beine stellen können. Sie ist jedenfalls guten Mutes – diese Umstellung kommt schließlich der ganzen Familie zugute.
Meine Patientin ist jetzt mit einem großen Plan und nicht minder großem Tatendrang in ihr Vorhaben gestartet, und ich bin schon gespannt, von ihren Erfolgen zu erfahren. Sollten auch Sie ähnliche Pläne haben – mögen sie gelingen! Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
*Name geändert
** Lutgendorff F, Probiotics modulate mast cell degranulation and reduce stress-induced barrier dysfunction in vitro. Utrecht: Utrecht University; 2009.
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.
Vielen Dank für den Beitrag zum Thema Gelenkschmerzen und Immunsystem. Mein Onkel hat schon verschiedene Produkte getestet, um seine Gelenkschmerzen in den Griff zu bekommen und erst die Elektrotherapie hat im Linderung verschafft.
Meine Frau beklagt sich über Gelenkschmerzen. Ich wusste nicht das Rheuma nicht nur Gelenk und Knorpel sondern auch Muskeln und Bänder angreift. Wir werden uns eine Praxis suchen, die sich damit auskennt.