Chronischer Mundgeruch ist übel – für diejenigen, die darunter leiden, ebenso wie für alle, die den Betroffenen zu nahe kommen. Da dieses leidige Phänomen aber auch bei schweren Erkrankungen auftritt, gilt es der Ursache einer Halitosis auf die Spur zu kommen.
Mundgeruch (und wir reden hier nicht über den „schlechten Atem“, wie er nach dem Genuss eines zwiebel- und knoblauchreichen Essens bisweilen noch Tage später auftreten kann) ist eine peinliche Angelegenheit, aber kann er auch auf Krankheiten hinweisen?
Mit dieser Frage stellte sich meine Patientin Mareike* (43) vor, Mediengestalterin in einer Kleinstadt-Agentur: „Ich hab’ über lange Zeit gar nicht gewusst, dass ich so einen unangenehmen Mundgeruch habe, weil ich allein lebe und auch keinen Partner habe. Zwar hat mich meine Mutter – als einzige – ab und zu darauf angesprochen, aber so richtig ernst genommen hab’ ich es eigentlich nie, weil sie mir gegenüber sowieso immer überkritisch ist.“
Soziale Isolation als schlimmste Konsequenz
Dass eine Halitosis, wie chronischer Mundgeruch genannt wird, nicht einfach nur unangenehm ist, lässt sich leicht nachvollziehen: Wenn selbst Freunde zu große Nähe lieber meiden, kann dies leicht zu sozialer Isolation führen. Das Fatale: Da sie selbst die von ihnen ausgehende Geruchsbelästigung oft gar nicht bemerken, suchen viele Betroffene den Grund für das Distanzhalten ihrer Mitmenschen auf ganz anderen Ebenen!
Nun wollte ich erst mal wissen, wie Mareike ihr Mundgeruch letztlich bewusst geworden war. „Die Kollegen haben mir die ganze Zeit nichts gesagt, weil sie mich nicht verletzen wollten, aber irgendwann hat sich eine Frau aus meinem Team ein Herz genommen und mir schonend beigebracht, dass ich hinter vorgehaltener Hand von vielen ,Pesti’ genannt wurde, die Frau, die so pestilenzartig aus dem Mund riecht.“
Ein Geruch wie faule Eier
„Haben Sie denn bis dahin keinerlei Anzeichen bemerkt“, hakte ich nach, „dass z. B. jemand im Gespräch sein Gesicht verzog oder auf Distanz ging?“ „Nein“, meinte sie, „ich war bis zuletzt ahnungslos.“
Da war es natürlich ein Glücksfall, dass wenigstens diese eine Kollegin den Mut aufbrachte, es meiner Patientin zu sagen. Meistens sorgen flüchtige Schwefelverbindungen, die unserer Nase wie faule Eier vorkommen, für den störenden Mundgeruch. Es können aber auch andere Gase dafür verantwortlich sein, die beim Ausatmen regelrecht nach Verwesung stinken.
… oder wie Nagellackentferner
Falls der Atem allerdings nach Aceton riecht, also an Nagellackentferner erinnert, ist höchste Eisenbahn angesagt! Dahinter kann nämlich durchaus eine diabetische Entgleisung stecken, die dann intensivpflichtig ist (in solchen Fällen addieren sich mehrere Faktoren, die auf verschiedene Erkrankungen zurückzuführen sind). Mit so einer Stoffwechselentgleisung ist nicht zu spaßen, denn unbehandelt kann ein (ursächlicher) eklatanter Insulinmangel im schlimmsten Fall zu einem diabetischen Koma führen!
Die harmlosere und weitaus häufigere Erklärung für so einen „Aceton-Atem“ lässt sich aber auch in der Ernährungsweise finden – als Hinweis auf (zu) viel Eiweiß und Zucker, denn:
Zucker verändert unser Mikrobiom im Mund und natürlich auch im unteren Verdauungstrakt, wobei hier zunächst der Magen eine große Rolle spielt. „Ungute“ Bakterien werden nämlich ganz affig, wenn sie Zucker bekommen, und vermehren sich bei entsprechend reichlichem Futter rasant! Ihre Ausscheidungen verändern wiederum das Milieu im Magen, aus dem es dann zu „müffeln“ beginnt.
Wenn Sie ein Herz für affige Bakterien haben, lesen Sie hier weiter:
Gut, wenn der Magen sauer ist
Viel tierisches Eiweiß in der Nahrung macht es aber auch nicht besser, denn Eiweiß fault, wenn es nicht schnell genug verstoffwechselt wird. Der Grund ist häufig eine schwache Verdauungsleitung im Magen – und zu wenig Magensäure. Hier wäre ein Pepsinwein hilfreich, denn Pepsin unterstützt die Eiweißverdauung. Pepsinwein gibt es im Reformhaus und in guten Drogeriemärkten.
Ein weiterer Tipp ist das Betain HCL (Betain Hydrochlorid). Es unterstützt die Magensaftproduktion und senkt so den pH-Wert im Magen. Diese Säure ist eine wichtige Voraussetzung für die Eiweißverdauung, die natürlich auch den Darm betrifft: Kommt hier zu viel schlecht vorverdautes Eiweiß an, vermehren sich die Fäulniskeime, und in der Folge kann eine Dysbiose und sogar ein Leaky Gut entstehen.
Wie prekär so ein „löchriger Darm“ ist und welche Konsequenzen daraus für den gesamten Körper entstehen, darüber habe ich mich hier ausführlich ausgelassen:
Mareike empfahl ich jedenfalls, eine Kapsel Betain HCL während einer Hauptmahlzeit einzunehmen … und natürlich auf ihre Ernährung zu achten! Ihrem Blick nach zu urteilen hatte ich hier den Nagel auf den Kopf getroffen.
Damit eines ganz klar ist:
Auch Tumore oder Abszesse im oberen Verdauungstrakt oder in der Lunge können übrigens sehr unangenehme Gerüche zur Folge haben. Deshalb ist Mareike auch gut beraten, die mögliche Ursache für ihren Mundgeruch ärztlich abklären zu lassen.
In den allermeisten Fällen findet man den Auslöser allerdings in der Mundhöhle. Die zwei Hauptfaktoren sind dabei ein bakterielles Ungleichgewicht und ein trockener Mund. Glücklicherweise lässt sich dagegen relativ einfach etwas unternehmen.
Natürlich ist auch die Mundhöhle, so wie der restliche Körper, von Hunderten Bakterienarten besiedelt, was für sich genommen kein Problem darstellt. Erst wenn bestimmte Arten überhandnehmen und im Übermaß Schwefel produzieren, entsteht der unerwünschte Effekt.
Der Mundhygiene auf den Zahn gefühlt
„Aber warum entsteht bei dem einen Mundgeruch und bei anderen nicht?“ Mareike haderte verständlicherweise mit ihrem Schicksal. Nun, es gibt viele Faktoren, die ein Ungleichgewicht der Bakterien fördern können – allen voran unzureichende Mundhygiene.
Daran könne es bei ihr eigentlich nicht liegen, meinte Mareike: „Meine Zähne putze ich selbstverständlich gründlich – so, wie es sich gehört.“ Das galt es freilich genauer zu hinterfragen. Ob sie denn auch Zahnseide benutze, bohrte ich nach.
„Manchmal schon“, antwortete Mareike zögerlich, „aber ich muss zugeben, nicht regelmäßig.“ Aha, das war also schon mal eine Sache, an der sie arbeiten konnte. Auch eine regelmäßige PZR (professionelle Zahnreinigung) würde die tägliche Mundhygiene unterstützen, weil es fast unmöglich ist, alle Zahnzwischenräume zu säubern und die Belagbildung zu verhindern.
Womöglich lag es ihr auf der Zunge
Überraschend oft stellt sich auch Zungenbelag als Übeltäter heraus. Dagegen hilft eine spezielle Zungenbürste, die eigens dafür konzipiert ist, die Zunge von Belag zu befreien und diese Geruchsquelle zu minimieren. Ich erwähnte, dass die ayurvedische Medizin auch Zungenreiniger parat hält, aber aus Mareikes Mimik schloss ich, dass sie sich an diesen Gedanken wohl erst gewöhnen musste.
Was ich denn von einer Mundspülung hielte, fragte meine Patientin. Sie selbst habe nicht das Gefühl, dass das viel bringe. Tatsächlich sind alkoholische Mundspülungen meist nur eine kurzzeitige Lösung. Vorsicht ist vor allem bei Mundspülungen mit Chlorhexidin aus der Apotheke geboten, weil diese sehr aggressiv sind und alle Bakterien, also auch die „guten“, abtöten.
Die Mundflora unterstützen können hingegen Pflanzenextrakte wie Ringelblume, Kamille oder Salbei, die man – mit Wasser angemischt – zum Spülen oder Gurgeln verwenden kann. Auch Teebaumöl-Tropfen und Kardamom-Tee sagt man in diesem Zusammenhang eine positive Wirkung nach.
Das berühmte „Ölziehen“ hat natürlich ebenfalls eine großartige Wirkung auf die Mundhöhle. Dabei wird zum Beispiel Kokosöl mit einem Tropfen Pfefferminzöl durch die Zähne gezogen, bis es schäumt, und dann ausgespuckt. Es gibt in den Apotheken auch fertige Mischungen zum Ölziehen.
Mareike verzog bei dieser Aussicht zwar angewidert den Mund, (Piet Klokke hätte gesagt: „Das muss man sich mal auf der Zunge … vorstellen“), aber ich habe es ihr sehr ans Herz gelegt.
Ein Arztbesuch kann Aufschluss geben
Generell empfahl ich Mareike, einen Zahnarzt oder eine Zahnärztin zu konsultieren und ihr Problem ganz direkt anzusprechen, um zumindest die möglichen intraoralen Ursachen „abzuklopfen“. Zur Untersuchung einer Halitosis steht Dentisten neben der „organoleptischen Messung“, bei der allein die ärztliche Nase urteilt, mit dem „Halimeter“ auch ein spezielles Instrument zur Verfügung, das die Konzentration der Schwefelverbindungen im Atem misst.
Häufigste Auslöser für Mundgeruch
- Abszess im Mundraum
- Zahnfleischentzündung
- Mangelhafte Mundhygiene
- Parodontitis
- Karies
- Zungenbelag
- Ungepflegte Prothese
Über Parodontitis habe ich an dieser Stelle übrigens auch schon geschrieben:
„Das mit der Prothese kann ich jedenfalls schon mal ausschließen“, kommentierte Mareike die Aufzählung mit einem schwachen Grinsen. Es gibt allerdings – auch wenn dies eher selten der Fall ist – durchaus weitere Ursachen für Mundgeruch, die etwa im HNO-Bereich oder Magen-Darm-Trakt liegen.
Zur Abklärung bietet sich hier ein Besuch beim HNO-Arzt an. Wenn man noch tiefer schaut, tritt eventuell den bereits erwähnten Magensäuremangel, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit oder eine bakterielle Fehlbesiedelung des Darms in Erscheinung. Bei der Verdauung können dann Gase entstehen, die nach oben oder unten entweichen müssen – nach oben ist der Weg oftmals kürzer, daher dann der schlechte Atem.
Mögliche weitere Ursachen
- Vergrößerte Gaumenmandeln
- Mandelentzündung
- Nasennebenhöhlenentzündung
- Entzündung der Speiseröhre
- Lungenkrankheit
- Magenschleimhautentzündung
- Magengeschwür
- Sodbrennen /Reflux
- Mundtrockenheit
Gerade der letztgenannte Faktor steht oft im Verdacht, Auslöser für eine Halitosis zu sein, denn ausreichend Speichel hilft Essensreste aus der Mundhöhle zu transportieren und den „schlechten“ Bakterien erst gar nicht so viel Nahrung zu bieten. Ergo stellt ein zu geringer Speichelfluss ein Risiko für die vermehrte Ansiedelung jener Bakterien dar, die einen üblen Geruch bilden. Wie stand es also mit Mundtrockenheit bei meiner Patientin?
Schlechten Gewohnheiten auf der Spur
Trank sie zu wenig? War sie Raucherin? Schnarchte sie womöglich? Und wie hielt sie es mit Alkohol? Alles Faktoren, die den Mund austrocknen und für einen entsprechend schlechten Atem sorgen. Doch alle meine Fragen dazu verneinte sie – bis auf das Schnarchen. „Dafür braucht man wohl einen Partner… seufzte sie.
Ich schlug ihr ganz pragmatisch vor, sie solle sich doch mal während eines Nickerchens mit ihrem Smartphone aufnehmen und anschließend anhören, welche Geräusche sie dabei so von sich gibt …
Daneben können übrigens auch bestimmte Medikamente ein Grund für Mundtrockenheit sein, z. B. Psychopharmaka oder Blutdrucksenker. Bei Mareike konnten wir diese mögliche Ursache allerdings ausschließen.
Wie steht’s mit der Ernährung?
Bekannt ist, dass eine sehr zuckerreiche Ernährung und / oder viel Alkohol das Mikrobiom des Mundes schwächt. Weitgehender Verzicht auf Alkohol und eine gesunde, ballaststoffreiche Ernährung sollten daher von Mareike grundsätzlich beherzigt werden – gründliches Kauen gehört dazu! Wie segensreich sich nämlich ein bewusster Kauprozess auf unsere Gesundheit auswirkt, habe ich hier eindringlich beschrieben:
Warum die Ernährung außerdem so wichtig ist, erkläre ich in diesem Video:
Einen ganz konkreten Tipp konnte ich Mareike schließlich noch mitgeben – unabhängig von den Erkenntnissen, die HNO- oder zahnärztliche Untersuchungen ergeben würden: Ich empfahl ihr OMNi-BiOTiC® iMMUND – ein Probiotikum zum Lutschen, das speziell für eine gesunde Mund- und Rachenflora entwickelt wurde.
Dieses Präparat enthält einen Bakterienstamm, der in erster Linie gegen Mandelentzündungen wirkt, aber als willkommenen Nebeneffekt auch lästigen Mundgeruch unterbindet, weil er genau jene Bakterienstämme bekämpft, die leicht flüchtige Schwefelverbindungen produzieren und häufig für die Entstehung von Mundgeruch verantwortlich sind!
„Ganz nebenbei“ unterstützt dieser Keim das Immunsystem im Mund, was Viren und krankmachende Bakterien gar nicht erst in unseren Körper gelangen lässt. Das ist gerade aktuell ein wahrer Segen! Über die spannende Entdeckung dieses Bakteriums, genauer: des Streptococcus salivarius K12, habe ich hier erst kürzlich geschrieben:
Mareike schwirrte am Ende unseres Treffens der Kopf, also versprach ich ihr, die Links zu diesen für sie relevanten Themen sogleich zu schicken. Als ich sie entließ, war sie voller Hoffnung, dass ihre Kolleg:innen sie bald „besser riechen können“ und – statt von ihr – von dem schrecklichen Spitznamen „Pesti“ Abstand nehmen würden.
Das hoffe ich auch, denn nichts ist schlimmer als zu wissen, dass man selbst der Grund dafür ist, wenn ständig ein Fenster geöffnet werden muss …
Danke für Ihr Interesse an diesem „anrüchigen“ Thema, ich wünsche Ihnen ein entspanntes Wochenende!
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Halitosis
Titelbild: © Lightspring / shutterstock
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.