Schon eine echte Weizenallergie gehört zu den seltensten Erkrankungen überhaupt, und noch viel seltener tritt eine weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie in Erscheinung, aber wenn dies der Fall ist, kann es leicht zu Ausfallserscheinungen kommen …
Von der Erkrankung, um die es in diesem Blog geht, werden Sie wahrscheinlich noch nie gehört haben. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn selbst im medizinischen Milieu hat kaum jemand diese sehr seltene Erkrankung „auf dem Schirm“, und gerade deshalb wird sie auch so selten diagnostiziert. Man geht davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer an Erkrankten ohne Diagnose gibt.
Daher hatte es mich erstaunt (und gleichzeitig gefreut), als meine Hypotonie-Patientin Saskia* (25) mich kürzlich wieder aufsuchte und berichtete, dass ihr Hausarzt bei ihr die sogenannte weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie (WAA) ausschließen wolle, die zu den Weizenallergien zählt.
Dazu muss man wissen: „Nur“ bei 0,4% der Erwachsenen wurde bisher eine Weizenallergie diagnostiziert (nicht zu verwechseln mit einer Weizensensitivität) und noch seltener eine WAA. Sie kann übrigens Männer wie Frauen gleichermaßen ereilen.
Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass Saskia zuletzt bei mir gewesen war. Viele meiner Patient:innen kämpfen eher mit einem zu hohen Blutdruck, doch bei Saskia war es das umgekehrte Problem. Ihr Blutdruck war die meiste Zeit zu niedrig, was prinzipiell nicht dramatisch ist, aber bei ihr hatte es Symptome wie Schwindel und Abgeschlagenheit nach sich gezogen, weshalb wir uns zu einer Therapie entschlossen hatten. Klar wollte ich zunächst wissen, ob sie danach eine Verbesserung verspürt hätte.
Was ich ihr damals empfohlen hatte, können Sie hier nachlesen:
„Ich achte seitdem tatsächlich viel mehr darauf, ausreichend zu trinken“, begann sie ihren Bericht, „und auch Wechselduschen gehört mittlerweile zu meiner morgendlichen Routine. Und dann hatte ich mir ja auch vorgenommen, wieder mehr Sport zu treiben. Das hab’ ich auch, aber damit ging das Drama erst richtig los“, erzählte Saskia. Da wurde ich aber neugierig.
Saskia hatte kurz nach ihrem Besuch bei mir ihren Pilates-Kurs wieder aufgenommen, und vor ein paar Monaten begann sie regelmäßig zu joggen. „Das hat mir überhaupt nicht gut getan“, klagte sie, „denn immer wieder wurde mir dabei oder gleich im Anschluss schwarz vor Augen – neben anderen Beschwerden –, und mehrmals bin ich auch umgefallen.“
Aber erst, als sie deshalb einmal in einem Rettungswagen aufwachte, war ihr klar, dass das abgeklärt werden musste. Ihr Arzt hatte ihr daraufhin rigoros das Joggen verboten, bis klar wäre, woran es lag, denn eine plötzliche Bewusstlosigkeit ist schon wegen der möglichen Sturzfolgen nicht ungefährlich.
Blutdruck im Normbereich – woran lag’s dann?
Zuerst wurde natürlich Saskias Kreislauf untersucht, aber ihr Blutdruck und Puls waren im Normbereich, selbst bei Belastungstests.
Zu einer guten Anamnese gehört es natürlich, mögliche Zusammenhänge aufzudecken, und das ist Saskias Arzt bemerkenswert gut gelungen, denn: Gerade der Verdacht, dem er hier nachging, kommt vermutlich in den wenigsten Fällen auf.
Jedenfalls waren die beiden schnell geneigt, gewisse Nahrungsmittel in die Verantwortung zu nehmen, weil die Ohnmacht nie aufgetreten war, wenn Saskia frühmorgens, noch vor dem Frühstück, joggen ging. Dieser Aufmerksamkeit war es geschuldet, dass die Verdachtsdiagnose der „weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie“ so schnell gestellt wurde.
Kombiniert man die Aufnahme von Weizen und bestimmte Trigger, meist in Form von anschließender körperlicher Betätigung, kann es bei den betroffenen Personen von einer „einfachen“ allergischen Reaktion bis hin zur Anaphylaxie (allergische Reaktion des ganzen Körpers mit Kreislaufzusammenbruch) kommen.
Außer Thesen nichts gewesen
Im Gegensatz zur Zöliakie reicht die alleinige Weizenaufnahme allerdings nicht aus, um Beschwerden auszulösen. Die können neben sportlicher Aktivität auch durch Medikamente wie z. B. ASS, durch Alkohol oder Infektionen hervorgerufen werden.
Die sehr selten auftretende WAA ist noch recht unerforscht. Was dabei wohl im Körper passiert – dazu gibt es lediglich einige Thesen:
Der Übeltäter scheint das Omega-5-Gliadin zu sein, ein Bestandteil von Weizen-Gluten. Gluten ist ein Sammelbegriff für verschiedene in Getreide vorkommende Eiweiße. Bei Weizen unterscheidet man Gliadin und Glutenin.
Gluten befindet sich natürlich nicht nur in Weizen, sondern auch in anderen Getreidesorten wie Dinkel oder Roggen, allerdings können letztere Getreidesorten meist bedenkenlos von den Betroffenen verzehrt werden, weil diese kein Omega-5-Gliadin enthalten.Bei der Zöliakie hingegen ist ein kompletter Verzicht auf Gluten angezeigt!
Mehr zum Thema Zöliakie können sie übrigens hier erfahren:
Ein kurzer Exkurs ins DocCheck Flexikon ergibt: „Bewegung bzw. Anstrengung und die anderen Kofaktoren scheinen die gastrointestinale Allergenpermeabiliät und Osmolalität zu erhöhen, eine Umverteilung des Blutflusses hervorzurufen und die Schwelle für eine IgE-vermittelte Mastzelldegranulation herabzusetzen.“
Für Laien übersetzt heißt das: Durch eine erhöhte Durchlässigkeit des Darms (als Folge einer physischen Anstrengung) gelangen Glutenbestandteile ins Blut, was zu einer verstärkten Reaktion des Immunsystems führt – inklusive einer plötzlich erhöhten Histaminausschüttung. Mastzellen sind wichtige Immunzellen, in deren Innerem (Granula) sich Histamin befindet, und das ist verantwortlich für die allergische Reaktion.
Wie stark die allergische Reaktion ausfällt, ist von Person zu Person unterschiedlich.
Mögliche Symptome für eine allergische Reaktion
- Juckreiz
- Hautreaktion
- Diffuses Wärme- oder Kältegefühl
- Plötzliche Erschöpfung
- Wassereinlagerung in der Haut
- Schwellung des Kehlkopfs mit Atemnot
- Bewusstlosigkeit
- Anaphylaktischer Schock
Dass gerade mit den letztgenannten Symptomen nicht zu spaßen ist, erklärt auch, warum viele Betroffene stets Notfallmedikamente mit sich führen, wie sie z. B. auch Allergiker gegen Wespengift mit sich führen.
„Also ist das nicht das gleiche wie Zöliakie?“ Absolut nicht. Dass es so viele verschiedene Unterformen gibt, war für Saskia eine völlig neue Erkenntnis.
Eine Weizenallergie (oder wie in diesem Fall die WAA) und eine Zöliakie sind tatsächlich zwei verschiedene Paar Schuhe. Bei der Zöliakie handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, wohingegen eine Weizenallergie eine IgE-vermittelte Sofortreaktion darstellt, also eine Nahrungsmittelallergie.
Von der Provokationstestung zum „Prick-Test“
Noch war bei Saskia keine endgültige Diagnose gestellt worden, doch wie ließe sich eine WAA einwandfrei feststellen? Eine erste Antwort liefert eine Provokationstestung, bei der sie bewusst – in einer kontrollierten Umgebung – weizenhaltige Nahrungsmittel zu sich nehmen und sich dann sportlich betätigen würde. Ebenfalls kann, wie von anderen Allergien bekannt, ein Prick-Test durchgeführt werden oder auf IgE-Antikörper gegen Weizenproteine untersucht werden.
Bei einem Prick-Test zum Nachweis allergischer Sofortreaktionen werden Allergene in einer flüssigen Lösung einzeln auf die jeweils mit einer feinen Nadel verletzte Haut aufgebracht.
„Wenn ich jetzt also tatsächlich so eine WAA haben sollte – bedeutet das dann, dass ich nie wieder Sport machen darf?“ Es war klar, dass meine junge Patientin sehr verunsichert war, aber ich konnte sie beruhigen:
„Das heißt es absolut nicht“, beeilte ich mich zu sagen. Wie spaßig es ist, sei dahingestellt, aber wenn Saskia auf nüchternen Magen Sport treiben würde, dürfte die Bewegung keinerlei negative Folgen haben. Alternativ könnte sie auch auf Weizen in ihrer Ernährung komplett verzichten und dem Problem so aus dem Weg gehen.
„Dass die Lösung so einfach sein soll, kann ich ehrlich gesagt kaum glauben“, meinte Saskia, und es schien, als ob ihr eine schwere Last von den Schultern gefallen wäre. Es gibt ja auch genügend Alternativen wie z. B. Quinoa, Reis, Mais und viele mehr! Und wenn es gut läuft, könnte Saskia sogar Roggen und Dinkel weiterhin vertragen.
Wie man den Darm „auf Vordermann“ bringt
Gerade wenn eine Nahrungsmittelallergie vorliegt, gilt es den Darm aufzubauen und einer Dysbiose – einem „Ungleichgewicht“ im Darm – vorzubeugen. Deshalb empfahl ich Saskia, mindestens sechs Monate lang das Probiotikum OMNi-BiOTiC® 6 einzunehmen. Das würde nicht nur dafür sorgen, dass sie wichtige Nährstoffe wieder richtig aufnehmen kann. Selbst die Verträglichkeit gewisser Lebensmittel kann von dieser Maßnahme durchaus profitieren!
OMNi-BiOTiC® 6 ist nach meiner langjährigen Erfahrung DAS Probiotikum für Probleme mit dem Immunsystem, insbesondere bei Reaktionen auf Lebensmittel. Die darin enthaltenen Bakterienstämme produzieren den Botenstoff Interleukin 10, der eine überbordende Immunreaktion an der Darmschleimhaut verhindert.
Um die Darmschleimhaut effektiv abzudichten, sollte Saskia außerdem für mindestens 3 Monate META-CARE® Colon Lecithin einnehmen. Die Kombination von Phosphatidylcholin und L-Glutamin sorgen für den Erhalt der Darmbarriere, das ebenfalls darin enthaltene Zink fördert zusätzlich die Eiweißsynthese.
Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie sich gegen eine weizenfreie Ernährung entscheiden sollte, riet ich Saskia, sich prophylaktisch ein Notfallmedikament oder ein Allergie-Notfallset zu besorgen. Man muss ja kein unnötiges Risiko eingehen …
Was bei den weiteren Untersuchungen herauskommt, interessiert mich natürlich sehr, aber ich bin mir sicher, dass Saskia mich da auf dem Laufenden halten wird. Es ist wirklich ein unglaublich spannendes Thema – gerade, weil diese Erkrankung so selten diagnostiziert wird.
Deshalb bin ich auch zuversichtlich, dass Sie, lieber Leser und liebe Leserin, wahrscheinlich nie mit solchen Beschwerden zu kämpfen haben. Umso mehr freue ich mich, wenn Sie sich selbst für solche „exotischen“ Themen sensibilisieren lassen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Weizenallergie erkennen
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge