Leider lässt sich nicht jedes Erbe ausschlagen, selbst wenn gar nichts Positives damit verbunden ist. Das gilt insbesondere für genetisch bedingte Erkrankungen. Die richtige Diagnose ist dann – wie in diesem Fall – schon ein Lichtblick!
Heute möchte ich von einem Fall aus meinem näheren Bekanntenkreis berichten: Tom* (20) hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich, und ich möchte auf dieses Krankheitsbild aufmerksam machen. Vielleicht erkennt sich ja jemand darin wieder.
Die Rede ist vom hereditären Angioödem (HAE). Hereditär bedeutet „vererbt“, es handelt sich also um eine erbliche Erkrankung, die glücklicherweise relativ selten ist: Nur eine Person unter 50.000 trifft es, doch genau das erschwert es den Betroffenen, die richtige Diagnose zu bekommen. So war es auch bei Tom, der knapp zehn Jahre großen Leidensdruck durchlebte – ohne zu wissen, woran es lag.
Angefangen hatte es im Alter von ca. 11-12 Jahren, als Tom häufig mit sehr schlimmen, teils kolikartigen Bauchschmerzen zu kämpfen hatte. Manchmal spontan auftretend, oft auch in Verbindung mit Stress und Aufregung. Nun soll Tom aber selbst zu Wort kommen:
„Immer wieder musste ich in meiner Jugend ins Krankenhaus mit dem Verdacht auf ein akutes Abdomen, weil ich mich manchmal nur noch gekrümmt habe vor Schmerzen.“
Dazu muss man wissen: Ein akutes Abdomen beschreibt einen lebensgefährlichen Notfall, der den Bauchraum oder angrenzende Körperregionen betrifft. Was dann zu tun ist, habe ich hier beschrieben:
In Toms Fall wurde allerdings nie etwas gefunden. „Irgendwann wurde sogar mein Blinddarm entfernt, der sich hinterher aber als unauffällig herausstellte.“
„Unspezifische Schmerzen“ – schlechte Karten für eine klare Diagnose
Zwischenzeitlich tippten die behandelnden Ärzt:innen auf ein psychosomatisches Problem. Eine entsprechende Therapie folgte, doch auch das half (natürlich) nicht, dafür war seine schulische Karriere überschattet von vielen Fehltagen und großen Schwierigkeiten mit seinem Abschluss. Auch sein Ausbildungsbetrieb war nicht glücklich über die vielen Ausfälle.
Irgendwann, als er mal wieder in der Notaufnahme lag, hatte er das Glück, dass die verantwortliche Ärztin die zündende Idee hatte und auf HAE tippte. „Seitdem habe ich immer Notfallmedikamente zur Hand und endlich wieder Lebensqualität zurückgewonnen.“
Das hereditäre Angioödem kann sich durch eine Vielzahl von Symptomen bemerkbar machen. Der Begriff Angioödem bezeichnet das Auftreten einer Schwellung der Haut und Schleimhaut. Bei dem HAE treten die Schwellungen bevorzugt an den Armen oder Beinen auf oder wie bei Tom im Magen-Darm-Trakt, was starke, meist unspezifische Schmerzen zur Folge haben kann und die Diagnosestellung nicht gerade erleichtert.
Wohl dem, der die Vorboten einer Attacke kennt!
Am bedrohlichsten ist allerdings eine Schwellung des Kehlkopfes – man bekommt dann schlicht keine Luft mehr. Das ist dann eine akute Notfallsituation.
Ähnlich wie bei einer Migräneattacke, können auch beim hereditären Angioödem bis zu 24 Stunden vorher schon Vorboten wie Abgeschlagenheit oder Übelkeit auftreten.
Jetzt wird es ein wenig kompliziert: Grund für das HAE ist ein Mangel des C1-Esterase-Inhibitors, eines wichtigen Reglers des Komplementsystems unseres Immunsystems.
Durch den Mangel dieses Enzyms werden Schaltkreise des Immunsystems beeinflusst, so dass sich u. a. das entzündungsfördernde Molekül Bradykinin „breitmachen“ kann.
Bradykinin aber erhöht die Durchlässigkeit von Gefäßen, wodurch Flüssigkeit in das Gewebe übertritt und so zu besagten Schwellungen führt. Leider wird auch die Darmbarriere durch das Bradykinin durchlässiger, ähnlich dem Leaky-Gut-Syndrom. Flüssigkeit tritt dann in die Bauchhöhle aus und kann dort schlimmste Schmerzen verursachen.
Wie fatal sich ein „löchriger Darm“ auf die Gesundheit auswirkt, habe ich hier schon ausführlich beschrieben:
Auch bei einer Unverträglichkeit von Medikamenten wie z. B. ACE-Hemmern kann es zu einem Bradykinin-vermittelten Angioödem kommen, allerdings ohne die Komponente des C1-Esterase-Inhibitors.
Man sieht also schon, dass eine klare Diagnose hier gar nicht so einfach ist! Dafür muss nämlich im Blut die Konzentration und Aktivität des C1-Inhibitors und des Komplementfaktors 4 gemessen werden. In den meisten HAE-Fällen ist dann auch die Menge des C1-Inhibitors verringert.
Ein Erbe, von dem nie die Rede war
Wäre die Krankheit bei seiner Mutter erkannt worden, die – früh verstorben – zeitlebens unter starken Magenschmerzen gelitten hatte und wahrscheinlich selbst von HAE betroffen war, hätte Tom sicher viel früher die entsprechende Diagnose erhalten.
Angioödeme treten nicht jeden Tag rund um die Uhr auf, vielmehr gibt es verschiedene Trigger, die einen Schub auslösen können. Häufig hängt es – wie bei Tom –mit Stress zusammen, aber auch z. B. Zahnbehandlungen, Infekte, Hitze oder Kälte und Verletzungen können eine Reaktion auslösen.
Besonders bei Frauen spielt auch der Hormonhaushalt eine Rolle, so dass Schwangerschaften oder die Einnahme der Pille einen Schub auslösen können.
„Wenn mir die Erkrankung vererbt wurde – wie groß ist denn dann die Wahrscheinlichkeit, dass ich die Veranlagung an meine potenziellen Kinder weitergeben könnte?“ Was Tom so beschäftigte, treibt wohl jede/n um, der mit so einem Erbe belastet ist.
Fakt ist: Das HAE wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, es besteht eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, das kranke Gen an die eigenen Kinder zu vererben. Bei rund drei Viertel der Patient:innen passiert genau das, bei einem weiteren Viertel entsteht die Erkrankung durch eine spontane Mutation.
Ob das für Tom nun ein Ausschlusskriterium für seine Familienplanung ist, muss er selbst entscheiden. Doch wenn man einmal weiß, wonach man suchen muss bzw. die Diagnose bereits bekannt ist, liegt eine entsprechende Therapie nah.
Es geht um Lebensqualität
Zum einen gibt es da die Option, eine Schwellungsattacke mit einem C1-Inhibitor-Konzentrat zu therapieren, um den Mangel auszugleichen. Besonders alltagsrelevant für die Betroffenen ist ein Bradykinin-B2-Rezeptor-Antagonist, der bei ersten Anzeichen von den Betroffenen selbst in das Unterhautfettgewebe gespritzt werden kann. Dadurch wird verhindert, dass mehr Flüssigkeit in das Gewebe übertritt. Im besten Fall können die Schwellungen so im Keim erstickt werden.
Besonders dieses Medikament hat Toms Lebensqualität nach eigenen Angaben merklich gesteigert, weil er damit endlich selbst etwas gegen die Symptome unternehmen konnte.
Trotzdem hatte er das Gefühl, das „nach all den Jahren und den ganzen fehlgeleiteten Therapieversuchen“ nicht alles rund lief: „Selbst wenn ich keine akute Bauchattacke habe, leide ich oft unter Verdauungsproblemen. Und natürlich wäre es schön, die Häufigkeit der Attacken zu reduzieren.“
Für einen alternativen / zusätzlichen Therapieansatz beziehe ich mich auf das oben erwähnte Leaky-Gut-Syndrom, bei dem ja auch die Darmbarriere gestört ist. Der Auslöser ist zwar ein anderer, denn beim Leaky-Gut-Syndrom sind die Tight Junctions in der Darmwand beschädigt, beim hereditären HAE hingegen ist es durch Bradykinin vermittelt, doch der Ansatz bleibt der gleiche:
Es gilt in beiden Fällen die Darmbarriere zu stärken und allgemeine Entzündungsreaktionen im Darm möglichst gering zu halten!
An dieser Stelle erlaube ich mir, mich kurz selbst zu zitieren: „Chronischer Stress gilt als einer der Hauptauslöser eines ,Leaky Gut’. Durch zu viele Stresshormone und Neurotransmitter ,quillt’ die Darmmucosa auf (Ödembildung), und es kommt zu einer gesteigerten Durchlässigkeit des Darms.“
Hier sind die Ähnlichkeiten der beiden Krankheiten unübersehbar. Das Wichtigste ist dementsprechend der Versuch, die persönlichen Auslöser, in Toms Fall also vor allem Stress, zu kennen und zu vermeiden. Entspannungsübungen oder Meditation würden z. B. helfen, sein Stresslevel zu senken.
Mit gesunder Ernährung fängt die Heilung an
Um die Entzündungsreaktionen im Rahmen zu halten, ist eine antientzündliche Ernährung das A und O. Damit lässt sich auch das Mikrobiom regulieren, das maßgeblich am Immunsystem beteiligt ist.
Diese Nahrungsmittel sind entzündungshemmend
- Lauch- und Zwiebelgemüse
- Brokkoli
- Paprika
- Zitrusfrüchte
- Rotes Beerenobst
- Omega-3-Fettsäuren
- Sauerkraut
- Kefir
- Kombucha
- Grüner Tee
- Kamillentee
Im Verlauf seiner „Krankenhauskarriere“ blieb es nicht aus, dass Tom auch immer wieder Antibiotika verabreicht bekam. Es wäre also ein Wunder, wenn sein Mikrobiom nicht in seiner Funktion beeinträchtigt wäre. Deshalb riet ich ihm zur Einnahme des Multispezies-Probiotikums OMNi-BiOTiC® 10, um wieder eine größere Vielfalt der Bakterienstämme in seinem Darm herzustellen. Dadurch würde nicht nur sein Immunsystem nachhaltig unterstützt; Probiotika schützen auch die Darmschleimhaut durch verbesserte Bildung des protektiven Schleims.
„Es wäre ein Wunder, wenn sein Mikrobiom nicht in seiner Funktion beeinträchtigt wäre“
Nach vier Wochen sollte er dann längerfristig auf OMNi-BiOTiC® SR-9 umsteigen. Das empfehle ich all meinen Patient:innen mit Stress-Symptomen wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen oder Leaky-Gut-Syndrom. Die Entwicklung dieses Probiotikums basiert auf der Erkenntnis, dass Darm und Gehirn funktionell eng miteinander verbunden sind. Außerdem wirkt es ausgesprochen antientzündlich und ist somit auf lange Sicht genau das Richtige für Tom.
Warum gerade dieses Probiotikum geeignet ist, einen stressgeplagten Darm zu beruhigen, können Sie hier noch einmal nachlesen:
Beim Stichwort „Stärkung der Darmbarriere“ fällt mir stets noch ein weiteres Produkt ein, das neben (u. a.) Zink und Wermutblatt-Extrakt mit Phosphatidylcholin einen zentralen Baustein der Darmschleimhaut liefert: Die Rede ist von META-CARE® Colon-Lecithin.
Obwohl Tom kein regulärer Patient von mir war, nahm ich doch großen Anteil an seinem Schicksal und versprach ihm, bei Veränderungen in der Symptomatik oder anderen Beschwerden jederzeit auf meine Einschätzung zählen zu können.
Erbliche Veranlagungen sind nun mal nicht immer positiv wie z. B. Musikalität. Umso mehr sollten wir uns freuen, dass die Fortschritte in der probiotischen Medizin häufig einen Ausweg weisen!
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Hereditäres Angioödem
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.