Auch wenn die durchschnittliche Lebenserwartung stetig steigt, können wir nicht ohne unser aktives Zutun gesund altern. Es gilt schlicht einige Faktoren zu beachten, die dafür notwendig sind.
Der Prozess des Alterns galt lange Zeit als „kaum zu lösendes Rätsel, zusammengesetzt auf verschlungenen Wegen aus Erbgut, molekularen Prozessen und Umwelteinflüssen“, wie es DER SPIEGEL in seiner Titelgeschichte vom 21.9.2024 zusammenfasste.
Heute, im Zeitalter von Gensequenzierung und KI, gewinnen die entscheidenden Faktoren für ein langes Leben klare Kontur. Wenn man sich vor Augen hält, dass noch vor hundert Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung bei unter 60 Jahren lag, sind wir schon weit gekommen, und die Aussicht, dieses Ziel um bis zu vier Jahrzehnte nach oben zu verschieben, ist alles andere als utopisch.
Als ich mich mit meiner Patientin Michaela* (61) darüber unterhielt, musste sie lachen: „Da stresse ich mich wegen meiner Lebenserwartung, dabei hätten mich meine Groß- und Urgroßeltern wahrscheinlich schon als Methusalem bezeichnet.“ Es hilft halt manchmal, die Dinge in einem größeren Kontext zu sehen.
Dennoch nahm ich Michaelas Ängste ernst, schließlich war sie zu mir gekommen, weil sie über erste Anzeichen des Alterns besorgt war. Aktuell fühle sie sich bis auf ein paar kleinere „Zipperlein“ noch recht fit, aber in ihrem Bekanntenkreis sähe sie immer häufiger, wie schnell dies kippen könne. Und dass man die Gesundheit nicht als selbstverständlich hinnehmen sollte. Womit sie zweifellos Recht hatte.
Dank den massiven Fortschritten in der medizinischen Forschung wissen wir heute nicht nur ziemlich genau, was uns schadet. Es gibt auch mehr Regularien beim Arbeitsschutz, die allgemeine Hygiene hat sich stark verbessert, Vorsorgeuntersuchungen sind gang gäbe und wir haben so viel Auswahl bei Lebensmitteln, dass wir uns – zumindest theoretisch – ausgewogen ernähren können.
„Ich hätte gern wieder mehr Power!“
In der Wissenschaft werden einige Lebensgewohnheiten beschrieben, die ausschlaggebend für ein längeres Leben sein sollen. Diese wollte ich mit Michaela nach und nach besprechen und schauen, wo es bei ihr noch Verbesserungsbedarf gab. „Lohnt sich das bei mir überhaupt noch?“ Michaela wirkte bei dieser Frage etwas bedrückt. „Die Jüngste bin ich ja nun auch nicht mehr, aber ich hätte so gern einfach wieder etwas mehr Power!“
„Ob es sich noch lohnt? Ich bitte Sie“, wandte ich ein. Mit Ihren 61 Jahren ist Michaela nun wirklich nicht am Ende ihrer Lebenserwartung angelangt, gehört sie doch zu den „Best Agern“, die noch einen beachtlichen Teil ihres Lebens vor sich haben. Im Übrigen ist es nie zu spät, schlechte Gewohnheiten zu ändern, dann stellt sich auch die „Power“ wieder von ganz allein ein. Und selbst kleine Veränderungen können schon viel bewirken.
Die Unterschiede sind beträchtlich: Ausgehend von 40-jährigen Frauen und Männern, die sich an alle „Regeln“ des gesunden Leben gehalten hatten, lässt sich eine Lebensverlängerung von im Schnitt mehr als 20 Jahren erwarten.
Interessanterweise altern wir nicht kontinuierlich, sondern in Schüben. Die wichtigsten Alterungseffekte erwischen uns in den 40-er und 60-er Jahren. Mit ca. 40 beginnt die Muskulatur abzunehmen, dafür lagern wir mehr Fett ein. Mit 65 haben wir dann rund 10 kg weniger Muskelmasse als mit Anfang 20. Leider sinkt dann auch unser Energieverbrauch, speziell der Grundumsatz, also die Energie, die der Körper nachts verbraucht.
Wenn wir dann unsere Essgewohnheiten nicht ändern und uns nicht mehr bewegen als vorher, nehmen wir rund 2 kg pro Jahr zu. Was passiert, wenn wir uns stattdessen noch weniger bewegen oder gar mehr „Ungesundes“ essen, können wir uns leicht ausrechnen. Michaelas Gesichtsausdruck muss ich hier nicht näher beschreiben – sie fühlte sich ertappt …
Auch unser Mikrobiom verändert sich dramatisch: Die Diversität nimmt ab, ungute Keime wie Clostridien vermehren sich zu Lasten der wichtigen Milchsäurebakterien. Der pH-Wert steigt, was potenziell pathogenen Keimen zusätzlich zugutekommt, Fäulnisbakterien breiten sich aus.
Zudem findet die Bildung von kurzkettigen Fettsäuren nicht mehr im notwendigen Ausmaß statt. Die Auswirkungen spüren wir im ganzen Körper, vor allem in unseren beiden Hirnen: dem „großen“ im Bauch und dem „kleineren“ im Kopf.
Michaela war nun vollständig in ihrem Stuhl zusammengesackt. Ich musste daher dringend gegensteuern und ihr die Möglichkeiten aufzeigen, wie wir aktiv diesen Prozessen entgegenwirken können. Los geht’s:
Gesunder Lebensstil, der den Unterschied ausmacht
Zum Thema Alterungsprozesse verlangsamen habe ich übrigens auch eine Video-Reihe auf Youtube produziert:
1. Gesunde Ernährung
An dieser Stelle stöhnt jetzt wahrscheinlich jeder auf, schließlich wird das an allen Ecken und Enden gepredigt. Aber es stimmt. Doch was zeichnet eine „gesunde“ Ernährung aus? Als erstes gehören industriell gefertigte Lebensmittel aus dem Speiseplan gestrichen, und zwar konsequent. Der Fokus sollte auf pflanzlichen Produkten liegen. Das heißt aber nicht, dass man von nun an zwangsläufig vegetarisch oder vegan leben muss. 1-2 x Fisch oder Fleisch pro Woche sind durchaus drin, allerdings keine Wurst, die nach allen Regeln der industriellen Kunst hergestellt wurde!
Schaut man sich die Gegebenheiten in den Mittelmeerländern an, erkennt man, dass dort vergleichsweise sehr viele 100-jährige Menschen leben. Wenn das kein Argument für die mediterrane Ernährungsweise ist!
Charakteristisch für die traditionelle mediterrane Küche ist viel frisches Gemüse, Oliven (-öl), Fisch, Meeresfrüchte sowie viele Kräuter und Gewürze. Fairerweise muss man sagen, dass Pizza und Pasta auch dort der hochgepriesenen überlieferten „Mittelmeerküche“ längst den Rang abgelaufen haben …
Soll der Gatte doch selbst kochen!
Michaela kniff ihren Mund zusammen. Bei diesem Thema war offenbar noch Luft nach oben: „Wissen Sie, mein Mann ist schon sehr fleischlastig unterwegs, und zwei verschiedene Gerichte zu kochen sehe ich irgendwie auch nicht ein …“ Tja, da gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Gatte kocht selbst oder er schließt sich Michaelas Mission an – diese Option hätte auch für ihn nur Vorteile, immerhin leben Männer im Durchschnitt eh kürzer als Frauen …
2. Rauchstopp
Diesen Punkt muss ich nicht groß ausführen. Dass Rauchen schädlich ist, besitzt nun wirklich keinen Nachrichtenwert. Es steigert das Risiko für Krebserkrankungen wie Lungenkrebs oder Tumore im Nasen-Rachenbereich, befeuert Entzündungsreaktionen und ist Hauptursache für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD. Michaela beeilte sich zu sagen, dass sie sowieso nie geraucht hätte. Gottseidank.
3. Regelmäßige Bewegung
Der Ausspruch „Sport ist Mord“ ist eindeutig anekdotischer Natur und längst widerlegt: Regelmäßiger Sport senkt das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und andere Adipositas-assoziierte Erkrankungen. Zudem hilft Sport auch dem psychischen Befinden. „Ich gehe, wenn es das Wetter zulässt, jedes Wochenende mit einer anderen Freundin spazieren, das tut mir richtig gut“, stimmte mir Michaela zu.
Das ist zwar schon mal ein guter. Ansatz, aber mehr wäre natürlich besser: etwa 90 Minuten Ausdauertraining in der Woche, besser noch 150 Minuten. Michaela könnte zum Beispiel mal Yoga oder Pilates ausprobieren, das hält fit und hilft auch gegen Stress …
Stress lass’ nach … finden Sie hier:
4. Stress-Management
Stress macht krank. Basta. Er aktiviert den Sympathikus (also unsere Fight-or-flight-Antwort) und schüttet damit die Stresshormone Adrenalin und Cortisol aus, die sich auf lange Sicht negativ auf das Herz-Kreislauf- und Immunsystem auswirken. Auch das Reizdarmsyndrom oder psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen stehen mit Stress in Verbindung. Dass Stress auch die Schlafqualität beeinträchtigt, darauf werden wir gleich noch zu sprechen kommen.
Michaela erzählte mir von ihrem psychisch kranken Sohn, der ihr sehr viele Sorgen bereite: „Manchmal habe ich schon Angst, spontan einen Herzinfarkt zu bekommen, wenn ich wieder ungute Neuigkeiten von ihm höre.“ Die Sorgen sind absolut nachvollziehbar und menschlich, aber umso wichtiger ist es, sich jemandem anvertrauen zu können – sei es Freunden, dem Partner, Hausarzt oder Therapeuten, denn: Man kann nur für andere da sein, wenn es einem selbst gut geht. Womit wir beim nächsten Punkt wären:
5. Soziale Beziehungen
Wer ein starkes soziales Netzwerk hat, lebt durchschnittlich länger. Eine Gruppe von engen Ansprechpersonen kann enorm dabei helfen, Stress abzupuffern. Isolation, vor allem im Alter, erhöht dagegen das kardiovaskuläre Risiko. Da Michaela ja schon ihren Freundinnenkreis erwähnt hatte, bin ich zuversichtlich, dass sie denen auch „ihr Herz ausschütten“ kann …
6. Positive Lebenseinstellung
Wem Vertrauen in das eigene Leistungsvermögen, Optimismus und Lebensfreude nicht fremd sind, der ist auch insgesamt resilienter und kann Körper und Geist besser an die Herausforderungen des Lebens anpassen.
7. Guter Schlaf
Mit dem Erwachsenwerden sinkt zwar der Schlafbedarf (der Begriff der „senilen Bettflucht“ ist Ihnen sicher auch vertraut), aber dennoch gilt: Ausreichender, qualitativ guter Schlaf ist ein gewichtiger Faktor. Fünf Stunden sollten es mindestens sein, sieben sind erstrebenswert. Menschen mit schlechter Schlafqualität, zu wenig Schlaf oder Nachtarbeit neigen u. a. eher zu Adipositas, Herz-Kreislauferkrankungen, einem geschwächten Immunsystem und psychischen Krankheiten.
„Früher habe ich vor dem Einschlafen meistens noch etwas gelesen“, sinnierte Michaela, „aber heute ertappe ich mich immer wieder dabei, im Bett noch mal aufs Handy zu schauen, Nachrichten zu beantworten oder etwas zu recherchieren. Dabei weiß ich, dass ich dann gar nicht so gut einschlafen kann.“
Dafür gibt es eine ganz banale Erklärung: Einerseits hält uns das blaue Licht des Bildschirms unbewusst wach, andererseits auch die Flut der Informationen, die auf uns einprasselt. Am besten das Handy gar nicht erst mit ins Schlafzimmer nehmen!
Mehr zum Thema Schlafstörungen finden Sie hier:
8. Maßvoller Alkoholkonsum
Ein Glas Rotwein am Abend könne aufgrund seiner antioxidativen Wirkung sogar förderlich für die Gesundheit sein, heißt es. Schließlich gehört der Rotwein zur mediterranen Küche, und schon Hippokrates hat ihn als Heilmittel eingesetzt. Bei rund 200 ml sollte es dann aber auch bleiben! Vor allem andere Sorten Alkohol sollten nicht konsumiert werden. „Drink responsibly“ – nicht ohne Grund sind Produzenten verpflichtet, dies in ihrer Alkoholwerbung zu betonen. Schließlich steht erhöhter Alkoholkonsum in Verbindung mit z. B. Lebererkrankungen und einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen.
9. Ärztliche Routine-Checks
Bestimmte Werte sollten regelmäßig kontrolliert werden. Dazu zählen Blutzucker und Blutdruck ebenso wie der Cholesterinspiegel. Was Sie in Eigenverantwortung im Auge behalten können, ist Ihr Gewicht. Achten Sie darauf, dass Sie ein „gesundes Gewicht“ halten!
10. Ein gesunder Darm!
Das Mikrobiom spielt bei allen Prozessen im Körper eine Rolle, folglich auch beim Altern. Besonders hervorzuheben ist der Einfluss des Mikrobioms auf Entzündungsprozesse. Das so genannte „Inflammaging“ befeuert nämlich Alterungsprozesse und Krankheiten. So sind bei älteren Menschen häufig Entzündungsmarker wie das CRP im Blut erhöht. Die Abnahme der Diversität von Bakterienarten im Darm hat auch Einfluss auf das Immunsystem. Welche Auswirkungen dies haben kann und welche Maßnahmen uns davor bewahren, können Sie hier nachlesen:
Jeder Darm braucht Zuwendung
Um die wünschenswerte bakterielle Diversität wiederherzustellen und langfristig zu erhalten, empfahl ich Michaela die Einnahme von OMNi-BiOTiC® Aktiv. Darin enthalten sind elf ausgesuchte, wissenschaftlich erforschte Bakterienstämme, u. a. Bifidobakterien, Laktobazillen und Laktokokken, die den gesamten Darm in hoher Keimzahl besiedeln: Pro Portion (= 2 g) führt man sich so fünf Milliarden (!) natürliche Darmbakterien zu. Ich rate meinen Patienten, sich ab 40 Jahren vornehmlich um den Darm zu kümmern. Nach meiner Erfahrung lassen sich so die „Alterungsschübe“ abmildern. Auch mit 60 plus ist es noch nicht zu spät!
Last, but not least möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass auch die äußere Schönheit von einem gesunden Mikrobiom profitiert, denn: Je vielfältiger das Darmmikrobiom, desto mehr Stoffwechselprodukte werden gebildet, die sich positiv auf die Haut auswirken! So kann die Darmflora u. a. Hyaluronsäure und Milchsäure produzieren – alles Stoffe, die Michaela mit Sicherheit auch schon mal auf Cremeverpackungen in der Drogerie gelesen hat. Multispezies-Probiotika können indirekt also auch dabei helfen, Falten zu reduzieren!
Bei diesem Stichwort möchte ich auch noch mal dafür appellieren, den UV-Schutz nicht zu vernachlässigen. Um Falten langfristig und effektiv vorzubeugen und, wichtiger noch, um bösartige Hautveränderungen zu vermeiden, sollten wir am besten täglich einen Lichtschutzfaktor auftragen, bevor wir aus dem Haus gehen.
Michaela schien angesichts der vielen konkreten Verhaltenstipps einigermaßen beruhigt, als sie meine Praxis verließ. Sie ließ sich sogar noch zu einem kleinen Scherz hinreißen: „Wenn man so alt ist, wie man sich fühlt“, meinte sie, „bin ich durch das Gespräch mit Ihnen gerade ein paar Jahre jünger geworden.“
Dass dies nicht nur ein Gefühl bleibt, dafür haben Sie gerade ein paar Grundlagen bekommen. Lassen Sie uns also gesund lange leben!
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Einfluss Ernährung Alterung
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge.