Gegen eine vegetarische Ernährung ist überhaupt nichts einzuwenden – im Gegenteil: Besser als fleischbetonte Kost ist dies allemal. Allerdings gilt es bei der Auswahl der Lebensmittel einem möglichen Eisenmangel vorzubeugen.
Es hat sich offenbar noch nicht ausreichend herumgesprochen, dass ich eigentlich keine neuen Patienten mehr aufnehmen kann, andererseits fällt es mir auch schwer, einer Ratsuchenden wie Amelie* (22) die Tür zu weisen – zumal, wenn sich mir schon nach den ersten Sätzen eine Verdachtsdiagnose aufdrängt. Aber voreilige Schlüsse sollte man nie ziehen, daher ließ ich sie erstmal erzählen.
Amelie, Lehramtsstudentin mit Hauptfach Biologie, hatte seit geraumer Zeit verstärkt mit Müdigkeitsattacken zu kämpfen und kam nach eigenen Angaben auch schnell „aus der Puste“. Mir fiel auf, dass sie sehr blass war. Ihr Blutdruck war zwar in Ordnung, der Puls etwas erhöht, aber das konnte natürlich auch der Aufregung geschuldet sein.
„Vor ca. anderthalb Jahren hab’ ich meine Ernährung komplett umgestellt und bin seitdem Vegetarierin“, schilderte sie. „Anfangs hab’ ich mich damit auch sehr gut gefühlt, aber so, wie es mir jetzt geht, frage ich mich schon, ob meine Probleme nicht doch damit zusammenhängen könnten. Zu meinem Hausarzt möchte ich jetzt aber erstmal nicht, weil ich seine Haltung zu vegetarischer Ernährung kenne und er sicher versuchen würde, mich davon abzubringen.“
Meine erste Frage galt Amelies Regelblutung, ob diese regelmäßig sei und vor allem, wie stark diese ausfiele. „Heftig“, meinte sie und präzisierte: „Manchmal frage ich mich danach, wie es sein kann, dass überhaupt noch Blut in meinen Adern fließt, angesichts des vielen Bluts. Meistens dauert meine Regel auch länger als fünf Tage.“
Diese Angaben bestärkten mich in meiner ursprünglichen Annahme, dass es sich bei Amelies Problematik um eine Anämie handeln könnte, im Volksmund auch Blutarmut genannt. Da sich das aber nur anhand einer Analyse des Bluts feststellen lässt, bat ich sie prompt zur Blutabnahme.
Blutbildung hat eiserne Regeln
Um der Ursache für eine mögliche Anämie-Diagnose auf den Grund zu gehen, muss man sich den Aufbau des Blutes genauer ansehen: Es besteht aus einem flüssigen Anteil, dem Blutplasma, und einem zellulären Anteil, zu dem neben vielen anderen Bestandteilen die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und die Blutplättchen (Thrombozyten) zählen.
Jedes dieser drei Bestandteile hat seine eigene Aufgabe: Thrombozyten sind wichtig für die Blutgerinnung, Leukozyten für die Infektabwehr, und die Erythrozyten binden Sauerstoff in der Lunge und transportieren diesen in den ganzen Körper. Auf dem Rückweg sammeln sie Kohlenstoffdioxid ein und liefern diesen in der Lunge ab. Bei einer Anämie liegt das Problem bei den roten Blutkörperchen.
Die 7-8 Mikrometer kleinen Erythrozyten bestehen zum größten Teil aus Hämoglobin, der Bindungsstelle des Sauerstoffs. Für die Bildung des Hämoglobins wird Eisen benötigt. Nimmt man davon zu wenig zu sich, weil z. B. kein Fleisch mehr auf dem Speiseplan steht, kann dies zu einer verringerten Bildung von Hämoglobin und somit auch zu einer eingeschränkten Funktion der Erythrozyten führen.
Im Ergebnis hat man dann kleinere, mit weniger Hämoglobin als normal beladene Erythrozyten. Die Konsequenz ist ein verringerter Sauerstofftransport, weshalb anämische Personen auch schneller „aus der Puste” kommen.
Kein Grund zur Panik!
„Also könnte es doch damit zusammenhängen, dass ich vegetarisch lebe?“ Amelie fürchtete sich vor der Antwort, weil sie „wirklich nur sehr ungern wieder Fleisch essen würde“. Doch noch hatte sich meine Annahme ja nicht bestätigt, zumal es zahllose Ursachen für eine Anämie gibt und nur das Blutbild darüber Aufschluss geben kann. Kein Grund zur Panik also!
Die Werte, die man sich in erster Linie ansieht, sind die Anzahl der Erythrozyten, der Hämoglobinwert und die Größe der Erythrozyten bzw. ihr Hämoglobinanteil. Bei einem Vitamin B12-/Folsäuremangel z. B. ist die DNA-Synthese gestört, d. h. es können nicht genügend Erythrozyten gebildet werden. Eisen ist in so einem Fall aber genug vorhanden, daher erhalten wir übergroße, „überladene“ Erythrozyten.
Es stimmt schon: Davon betroffen sein können auch Veganer:innen, weil Vitamin B12 ausschließlich in tierischen Produkten vorkommt. Auch nach einer Magen- oder Darmresektion, bei Zöliakie oder einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung kann die Aufnahme von Vitamin B12 gestört sein, weil sie abhängig ist von einer normalen Magenfunktion: Nur dann kann sich nämlich der sogenannte Intrinsic Factor entwickeln, der dann einen Komplex mit Vitamin B12 bildet.
Dieser Komplex wandert dann bis ans Ende des Dünndarms, wo das Vitamin B12 schließlich aufgenommen wird. Wurde dieser Bereich z. B. operativ entfernt oder ist dieser Darmabschnitt durch entzündliche Vorgänge nicht voll funktionsfähig, ist dies nicht mehr möglich. Im übrigen reduzieren Protonenpumpen-Hemmer die Verfügbarkeit des Intrinsic Factors, Vitamin B12 kann dann im Dünndarm nicht aufgenommen werden.
Es gibt noch eine dritte Möglichkeit: wenn nämlich die Erythrozyten zwar genau richtig zusammengesetzt, aber einfach zu wenige sind, wie zum Beispiel nach größeren Blutverlusten.
Als (zumindest in unseren Breitengraden) seltenere Formen sind noch die Sichelzellanämie oder die Thalässämie zu erwähnen. Hier ist die korrekte Bildung des Hämoglobins genetisch gestört, und die Erythrozyten gehen schneller „kaputt“.
Was tun, wenn die Speicher leer sind?
Bei Amelie ging ich stark von einer Eisenmangelanämie aus, aber es war klar, dass wir zunächst das Blutbild abwarten und erst dann das weitere Vorgehen besprechen würden. Wenige Tage später erhielt ich das Ergebnis der Analyse – mit dem nicht sehr überraschenden Ergebnis: Amelies Hämoglobinwert war deutlich unter dem unteren Grenzwert angesiedelt, und auch die Größe der Erythrozyten und die Hämoglobinkonzentration je Erythrozyt zeigten sich erniedrigt.
Zusätzlich hatte ich mir natürlich noch den Eisenwert angeschaut. Es gibt verschiedene Laborwerte, die mehr oder weniger viel über den Eisenhaushalt aussagen. Das Serumeisen ist nicht wirklich aussagekräftig, mehr Aufschluss erlaubt der Ferritin-Wert, der den Eisenspeicher widerspiegelt.
Ist der Speicher leer, ist auch das Ferritin erniedrigt. Auch dieser Wert war bei Amelie zu niedrig, also hatte sich meine Verdachtsdiagnose bestätigt. Als ich Amelie damit konfrontierte, erschrak sie, doch konnte ich sie schnell wieder beruhigen. Es gibt schließlich noch einige Alternativen zu fleischlicher Kost.
Selbst bei vegetarischer Ernährung lässt sich einem Eisenmangel vorbeugen (und zur Not mit Nahrungsergänzungsmitteln nachhelfen) … wenn man weiß, wo viel Eisen drin ist!
Ausgesprochen eisenhaltige Lebensmittel
- Nüsse und Saaten (Pistazien, Sesamsamen, Cashewnüsse…)
- Pfifferlinge
- Haferflocken
- Spinat
- Brokkoli
- Hülsenfrüchte (Linsen, Kidneybohnen, Kichererbsen)
- Trockenfrüchte
Wie man Haferflocken bestmöglich und nährstoffschonend zubereitet, habe ich schon häufiger ausführlich gezeigt, u. a. hier:
Wichtig ist, die eisenreichen Produkte mit Vitamin C zu kombinieren, weil das Eisen so besser resorbiert werden kann. Parallel dazu eine Tasse Kaffee zu trinken oder Milchprodukte damit zu kombinieren hätte freilich den gegenteiligen Effekt, weil die Tannine im Kaffee bzw. das Calcium in den Milchprodukten die Eisenaufnahme hemmen würden. Das gleiche gilt übrigens für Rotwein, schwarzen und grünen Tee.
Der Darm hat hier den „Eisenhut“ auf
Für eine adäquate Aufnahme ist eine gesunde Darmfunktion und dementsprechend ein gesundes Darmmikrobiom von größter Bedeutung. Besonders Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen profitieren von Probiotika, die helfen, das Darmmilieu trotz aller Medikamente und Therapien aufrecht zu erhalten.
Solche Patient:innen sind sowieso anfälliger für Mangelerscheinungen: So treten z. B. bei Morbus Crohn über den ganzen Darm verteilt entzündliche Flecken auf, wo Nährstoffe nicht gut resorbiert werden können. Umso besser müssen dann die nicht befallenen Darmabschnitte funktionieren, was besonders von OMNi-BiOTiC® SR-9 und META-CARE® B-Complex sehr wirksam unterstützt wird.
Mehr zu dem Krankheitsbild können Sie hier nachlesen:
Amelie hingegen empfahl ich OMNi-BiOTiC® SR-9 mit B-Vitaminen, um eine optimale Darmfunktion zu gewährleisten. Damit soll das Eisen, das Amelie durch einen erweiterten Ernährungsplan zu sich nehmen wird, auch da ankommen, wo es hin soll. Ein guter Tipp sind übrigens auch Brennnesselsamen bzw. getrocknete Brennnessel, weil diese Pflanze viel Eisen sowie Vitamin C enthält.
Unterstützend bekam Amelie ein pflanzliches Eisenpräparat mit einer hohen Bioverfügbarkeit, gewonnen aus dem Curryblatt, kombiniert mit Vitamin B12 und Folsäure. Die Rede ist von META-CARE® Eisen. Zusätzlich enthält es Vitamin C aus der Acerola- Kirsche, das die Aufnahme von Eisen im menschlichen Organismus verbessert. Folsäure und Vitamin B12 wiederum leisten einen wertvollen Beitrag zur normalen Bildung roter Blutkörperchen sowie zur Verringerung von Müdigkeit und Erschöpfung.
Es ist ja so: Tierische Lebensmittel enthalten gut verfügbares zweiwertiges Eisen (Fe2+) als Häm-Eisen; der Körper kann davon etwa 10-20 Prozent aufnehmen. Pflanzliche Lebensmittel hingegen liefern dreiwertiges Nicht-Häm-Eisen (Fe3+), das nur eine Absorptionsarte von 3-8 Prozent besitzt. Der Grund hierfür sind bestimmte Hemmstoffe (z. B. Oxalsäure, Phytinsäure, Tannine) in den Pflanzen.
Also spricht doch viel für fleischliche Kost?
Vorsicht: So kann die Einnahme von zweiwertigem Eisen zu nicht unerheblichen Magen-Darm-Beschwerden führen und sogar die Mikrobiota schädigen! Zudem verursacht tierisches Häm-Eisen, wie es etwa in rotem Fleisch vorkommt, Schäden an Darmzellen und Erbgut, löst oxidativen Stress aus und erhöht das Darmkrebsrisiko!
Amelie nahm diese Information mit Genugtuung auf. Ich bestärkte sie darin, weiter auf pflanzliche Eisenquellen mit einer nachgewiesenen, hohen Bioverfügbarkeit zu setzen, wie wir es u. a. im Curryblatt finden. Dass dies gleichzeitig die Darm-Mikrobiota aufbaut, wird leider bei den meisten Anämie-Behandlungen vergessen!
Wer tiefer in diese Zusammenhänge eintauchen möchte, dem empfehle ich die Lektüre dieser Studie:
Cell Death and Disease, 2020, doi: 10.1038/s41419-020-02950-8
In ca. zwei Monaten werden wir noch mal Amelies Blutbild kontrollieren. Allerdings bin ich recht zuversichtlich, dass der neue Fokus auf die für sie richtigen Lebensmittel – im Zusammenspiel mit dem Probiotikum – viel bei ihr bewirken wird. Denn im Darm liegt wie so oft die Antwort auf ihr Problem …
Zur Sicherheit habe ich Amelie noch an ihre Gynäkologin verwiesen, schließlich kann hinter den starken Monatsblutungen auch eine Endometriose stecken:
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Anämie behandeln
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge