Wahrscheinlich hat jede/r von uns sofort Bilder im Kopf, wenn von Epilepsie die Rede ist. Die Vorstellung, den Körper minutenlang nicht mehr unter Kontrolle zu haben, ist für uns alle angsteinflößend. Wie muss es erst ein Betroffener empfinden?
„Vor zwei Monaten bin ich zu Hause einfach umgekippt“, begann mein Patient Florian* (33) zu erzählen, der vor einigen Monaten meine Praxis aufsuchte. Er sei mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter gerade beim Vorbereiten des Abendessens gewesen, als er ein komisches Gefühl in der Magengegend bemerkte. „An das, was danach passiert ist, erinnere ich mich nicht mehr“, fügte er hinzu. Seine Frau habe ihm später erzählt, dass er ungefähr zwei Minuten bewusstlos gewesen sei. „Deswegen sind wir dann auch in die Notaufnahme gefahren.“
Was steckt hinter den Krampfanfällen?
Nach einigen Untersuchungen war für die Ärztinnen und Ärzte in der Klinik klar gewesen: Bei Florians Bewusstlosigkeit hatte es sich um einen epileptischen Anfall gehandelt. Einen solchen einzelnen epileptischen Anfall erleben circa 2 bis 4 Prozent der Menschen einmal in ihrem Leben.
Eine richtige Epilepsie entwickelt sich daraus bei einem Viertel bis zur Hälfte von ihnen. So auch bei Florian – er hatte vier Tage nach dem ersten gleich noch einen zweiten Anfall. „Seitdem aber zum Glück nicht mehr, jetzt hab’ ich ja auch eine entsprechende Therapie angefangen“, berichtete Florian erleichtert.
Doch wie sieht ein epileptischer Anfall aus? Von leichten Muskelzuckungen, kurzen „Absencen“ (Verlust der Aufmerksamkeit) bis hin zu generalisierten Anfällen mit Bewusstseinsverlust können epileptische Anfälle sehr unterschiedlich sein. Im schlimmsten Falle kann es zu einem sogenannten Status epilepticus kommen, einem generalisierten Anfall, der über fünf Minuten andauert – das ist dann ein absoluter Notfall.
Entscheidend für die Art des Anfalls ist, ob er auf ein bestimmtes Gehirnareal begrenzt ist (fokaler Anfall) oder sich über das gesamte Gehirn ausbreitet (generalisierter Anfall).
Kampf dem Krampf
Wie genau es zu epileptischen Anfällen kommt, kann die Wissenschaft uns bis jetzt nicht im Detail erklären. Vermutet wird, dass ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern (Botenstoffe des Nervesystems) oder Defekte in der Membran der Nervenzellen zu einer fehlerhaften Regulation von Erregung und Hemmung der Nervenzelle führt – eine Art Gewitter im Gehirn braut sich zusammen.
Auslöser für die Fehlregulation können beispielsweise Entzündungen des Gehirns oder der Hirnhäute, Hirntumore oder Schlaganfälle sein. Diese möglichen Ursachen wurden bei Florian aber sämtlich ausgeschlossen. Wie bei vielen anderen Betroffenen ließ sich bei ihm kein direkter Auslöser der Epilepsie ausmachen.
„Das ist schon sehr seltsam“, meinte Florian, „da wird man nach allen Regeln der ärztlichen Kunst untersucht, und dann können die einem nicht mal im Ansatz sagen, was los ist.“
Verständlicherweise konnten ihm die Ärztinnen und Ärzte in der Klinik auch nicht versprechen, dass es in nächster Zeit zu keinerlei weiteren Anfällen kommen würde. Viele von Epilepsie Betroffene bleiben durch die Einnahme von Medikamenten dauerhaft anfallsfrei. Doch bei circa 30% der Betroffenen kommt es trotz medikamentöser Therapie weiterhin zu epileptischen Anfällen.
Die Medikamente, Antiepileptika oder auch Antikonvulsiva genannt, wirken dabei aber nicht gegen die Ursache der Anfallsentstehung, sondern nur gegen die beim Anfall entstehende Überaktivität der Nervenzellen. Auch Florian nimmt seit der Diagnose ein Antiepileptikum ein.
„Das beruhigt mich schon etwas, und ich versuche mir einzureden, dass ich dadurch mit dem Thema durch bin, aber es ist ein besch… Gefühl,“ gestand er. In besonders schweren Fällen, bei denen die Medikamente nicht ausreichen, um die Anfälle zu stoppen, kann man auch über eine operative Entfernung des Anfallsherdes nachdenken.
Auch eine Stimulation des Vagusnervs über einen kleinen implantierten Schrittmacher kann die Überaktivität der Nervenzellen hemmen. „Da käme ich mir ja wie ein Zombie vor“, unterbrach mich Florian, „ich hoffe doch, dass mir so etwas erspart bleibt!“ Naja, diese Schrittmacher sind sehr fortschrittlich und hilfreich für viele Menschen mit Epilepsie, aber ich konnte Florian verstehen.
Zu mir war er gekommen, weil ihn interessierte, was er neben der Medikation sonst noch tun könne, um weitere Anfälle zu verhindern.
Autofahren? Geht gar nicht
Gerade mit einer neu gestellten Diagnose wie bei Florian gilt es herauszufinden, ob seine Anfälle womöglich durch verschiedene Faktoren beeinflusst wurden. Neben dem typischen stroboskopisch flackernden Licht, das sogar manche Nicht-Betroffene von Warnhinweisen her kennen, können auch Schlafentzug, Stress oder Alkoholkonsum die Entstehung von Anfällen begünstigen.
Als Epileptiker musste sich Florian gerade in der Anfangszeit auf einige Vorsichtsmaßnahmen einstellen. Besonders der Verzicht aufs Autofahren war für den 33-jährigen sicher nicht einfach. „Ich habe ja eigentlich noch Glück, denn meinen Job als Industriekaufmann kann ich trotzdem ausüben, und um zur Arbeit zu kommen, kann ich glücklicherweise bei einem Kollegen aus der Nähe mitfahren. Aber es ist schon nervig, auf andere angewiesen zu sein, um mobil zu sein.“
Andere potenziell gefährliche Situationen, von denen ich Florian erstmal abraten würde, sind Schwimmen oder Baden – es sei denn in Begleitung. Durch die Anfallsgefahr tragen Epileptiker:innen nämlich ein deutlich erhöhtes Risiko, zu ertrinken.
Ernährung als therapeutische Maßnahme
„Ich habe gehört, dass man mit einer bestimmten Ernährung etwas gegen weitere Anfälle tun kann“, meinte Florian, „stimmt das?“ Nun waren wir endlich bei einem Thema, zu dem ich etwas mehr sagen konnte. Tatsächlich ist die Epilepsie eine der Erkrankungen, bei denen eine spezielle Diät eine erfolgreiche Therapie darstellen kann.
Gerade bei Kindern und Jugendlichen und in Fällen, in denen eine medikamentöse Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt, kann eine ketogene Diät die Anfallshäufigkeit deutlich reduzieren.
Die ketogene Diät baut darauf, dass der Körper normalerweise seine Energie aus Kohlenhydraten bezieht, was ein Risiko für die Überreaktion der Nervenzellen darstellen kann. Deshalb verzichtet man in der ketogenen Diät weitestgehend auf Kohlenhydrate und versucht diese durch Proteine und Fette zu ersetzen.
Die Energiegewinnung unseres Körpers wird dadurch auf die Verstoffwechslung sogenannter Ketonkörper umgestellt, die sich als gute Strategie gegen epileptische Anfälle herausgestellt haben. Um bei einer solch einschränkenden Diät nicht Gefahr zu laufen, dass der Körper Mangelerscheinungen zeigt oder durch die Umstellung des Energiestoffwechsels Muskeln abgebaut werden, sollte die Diät immer von Fachkräften begleitet werden.
Da aber aktuell noch gar nicht klar war, ob Florian nicht schon allein durch sein Medikament von Anfällen verschont bleiben würde, riet ich ihm erstmal von der strengen Diät ab. Mein Gegenüber war sichtlich erleichtert.
Stattdessen könnte eine abgewandelte und weniger strenge Diätvariante das richtige für Florian sein. Weniger Kohlenhydrate (auf neudeutsch „low-carb“) und dafür mehr Proteine und Fette sind auch hier die Devise. Trotzdem soll die Ernährung natürlich ausgewogen und gesund bleiben. Dazu hatte ich einige Tipps für Florian:
Auf Nüsse und Saaten zu setzen sorgt für viele gesunde Fette. Fisch und vor allem helles Fleisch sind wichtige Fett- und Proteinlieferanten, ebenso Öle wie Olivenöl, Leinöl, fermentierte Milchprodukte wie Kefir, Skyr, Joghurt, Dickmilch, Buttermilch und saure Sahne. Auch Eier kann Florian essen, am besten natürlich von biologisch gehaltenen Hennen mit Auslauf und artgerechtem Futter.
Viel verschiedenes Gemüse sollte natürlich auch Bestandteil einer gesunden Ernährung sein.
Bei einer Keto-Diät ist es entscheidend, auf den Kohlenhydratgehalt der Gemüsesorten zu achten. Kohlenhydratarme Sorten gibt es zum Glück viele, zum Beispiel Blumenkohl, Brokkoli, Mangold, Kohlrabi, Spinat oder Zucchini. Beim Thema Obst wird es durch den Fruchtzucker, auf den wir eigentlich verzichten wollen, schon schwieriger. Empfehlenswert sind daher Obstsorten mit eher wenig Fruchtzucker, beispielsweise Beeren, Melonen oder Zitrusfrüchte.
Die Rolle der Darm-Hirn-Achse
Doch nicht nur die Ernährung kann eine Epilepsie beeinflussen, auch die Darm-Hirn-Achse spielt eine Rolle! Wir wissen mittlerweile, dass Darmbakterien auf vielfältige Weise Vorgänge im Gehirn beeinflussen können, sei es bei der Produktion von Neurotransmittern oder in ihrer Funktion als Teil der Darmbarriere, wo sie Pathogene abwehren, die auch für das Gehirn gefährlich werden könnten.
Dass Neurotransmitter im Gehirn und der Vagusnerv, diese wichtigste Verbindung zwischen dem Nervensystem im Darm und dem Gehirn, Bestandteil einer Epilepsie-Therapie sind, lässt auf den Stellenwert des Darmmikrobioms bei dieser Erkrankung schließen.
Auch die Tatsache, dass viele Epileptikerinnen und Epileptiker häufig mit Magen-Darm-Beschwerden zu kämpfen haben und Menschen mit Reizdarm ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Epilepsie haben, lässt einen Zusammenhang vermuten.
Erste Untersuchungen der Darmbakterien von Epilepsie-Patient:innen zeigten deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung im Vergleich zu gesunden Proband:innen. Beispielsweise waren die Stämme der Proteobakterien und Fusobakterien vermehrt vorzufinden, was mit Autoimmunprozessen in Verbindung gebracht wird.
Vermindert zeigten sich hingegen jene Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren (Butyrate) produzieren, und die spielen nicht nur bei der Aufrechterhaltung der Darmbarriere eine wichtige Rolle, sondern beeinflussen auch die Gehirnaktivität.
Deshalb werden gerade erste Versuche unternommen, Stuhltransplantationen bei Epilepsie-Patient:innen durchzuführen, um die Anfallshäufigkeit durch ein gesundes Mikrobiom zu reduzieren.
Auf Florians fragenden Blick hin erklärte ich ihm, dass dies zwar im Moment noch Zukunftsmusik sei, aber im Prinzip eine tolle Sache. „Trotzdem kann es ja nicht schaden, etwas für meinen Darm zu tun, oder?“ Ich freute mich, dass sich der junge Familienvater so entschlossen zeigte.
Im Ansatz ketogen
„Eine gesunde Ernährung – erstmal möglichst ketogen – und eine gezielte Unterstützung Ihres Darmmikrobioms mit Probiotika.“ So lautete zusammengefasst mein Rat. Die Leitkeimstämme in dem Probiotikum OMNi-BiOTiC® SR-9 sind speziell auf die Unterstützung der Darm-Hirn-Achse ausgelegt und wirken darüberhinaus anti-entzündlich. Ich gebe es gern meinen Reizdarm-Patient:innen, jetzt soll es Florians Mikrobioms Darm in Richtung einer gesunden Vielfalt beeinflussen.
Ergänzend dazu habe ich ihm das Präbiotikum OMNi-LOGIC® PLUS empfohlen. Die darin enthaltenen Fructo-Oligosaccharide (FOS) und Galacto-Oligosaccharide (GOS) sind Leckerbissen insbesondere für die Darmbakterien Akkermansia muciniphila und Faecalibacterium prausnitzii. Diese sind essenziell für die Butyrat-Bildung und können somit direkt Einfluss nehmen auf das nervale Geschehen im Darm und im Gehirn.
Akkermansia muciniphila und Faecalibakterium prausnitzii sind jedoch anaerob, d. h. sie vertragen keinen Sauerstoff und können daher nicht einfach eingenommen werden. Mit der gezielten Zufuhr bestimmter Ballaststoffe schafft man für diese Bakterien im eigenen Darm aber ein lebens- und vermehrungswertes Umfeld – ideal für Florian.
„Das klingt ja spannend,“ meinte Florian, „und in mir haben Sie definitiv einen willigen Patienten. Hoffentlich kann ich dann beim nächsten Besuch von einer anfallsfreien Zeit berichten.“ Das hoffe ich auch für Florian. Und Ihnen wünsche ich eine entspannte, unverkrampfte Vorweihnachtszeit.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Epilepsie Behandlung
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge