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Herbstzeit ist Erkältungszeit. Schlimmstenfalls kommt noch eine Lungenentzündung oder Bronchitis, Nasennebenhöhlen-Entzündung oder fette Angina hinzu. Alle Jahre wieder. Aber warum erkälten wir uns überhaupt?
Unsere Körperabwehr ist auf eine annähernd gleichbleibende Temperatur von 37° angewiesen. Fällt diese, sind die Immunzellen weniger aktiv, Erreger können die Schleimhaut attackieren. Insbesondere die Schleimhäute in Mund und Nase erkälten sich leicht durch die kalte Außenluft, die wir einatmen. Hinzu kommt die trockene Heizungsluft, die die Schleimhäute austrocknet. Die Ansteckungsgefahr ist auch nicht ohne, schniefende Kolleginnen und freundliche, aber erkältete Mitfahrer in Bus und Bahn teilen gern ihre Viren mit uns.
Herbstzeit ist Erkältungszeit: Besonders heftig können Infekte der oberen Atemwege ausfallen, wenn die Schleimhäute durch Antibiotika gelitten haben.
Besonders heftig können Infekte der oberen Atemwege ausfallen, wenn durch Antibiotika die Schleimhäute und vor allem die darauf lebenden „freundlichen Bakterien“ gelitten haben. So paradox es klingt: Antibiotika, die uns doch gesunden lassen sollen, begünstigen Entzündungen, weil sie – ohne die gleichzeitige Einnahme von Probiotika – unser Immunsystem (insbesondere das in der Darmschleimhaut) empfindlich schädigen. Deshalb empfehle ich meinen Patientinnen IMMER die sofortige Einnahme eines Probiotikums mit etwa dreistündigem Abstand zum Antibiotikum. Das betrifft auch und vor allem Kinder! Hier gibt es einige gute Mittel in den Apotheken. Die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) hat bereits 2018 das Präparat OMNi-BiOTiC® 10 für die Behandlung der „Antibiotika-assoziierten Diarrhoe“ (AAD) empfohlen.
Kürzlich kam eine Patientin mit Ihrem 6-jährigen Sohn Leon zu mir. Beide husteten ausgiebig. Das Kind sei „schon seit seiner Geburt“ ständig erkältet, sagte die Mutter, in diesem Jahr sei es bereits das sechste Mal. Außerdem sei Leon ein Hitzkopf, der sich häufig überanstrengt und dann schnell außer Atem gerät. Glücklicherweise hat der Kinderarzt erkannt, dass Viren die Übeltäter sind. Antibiotika ergeben daher keinen Sinn, weil sie das Immunsystem nur unnötig weiter schwächen würden.
Die Mutter wollte von mir wissen, warum Ihr Sohn so anfällig sei. Die Anamnese ergab:
- Das Kind kam per Kaiserschnitt zur Welt.
- Die Mutter erhielt gleich nach der Geburt wegen einer Harnleiterentzündung (Urethritis) Antiobiotika und hat das Stillen abgebrochen
- Leon hatte als 2-jähriger eine sehr schmerzhafte, eitrige bakterielle Mittelohrentzündung (Otitis media), die mit Antiobiotika behandelt wurde. Daraufhin litt er 10 Tage lang unter Durchfall und hat seitdem einen empfindlichen Darm mit Neigung zu weichen Stühlen.
- Seit der Antibiotika-Behandlung häuften sich Schnupfen und Husten.
Bei einer bakteriellen Mittelohrentzündung gelangen die Bakterien (Pneumokokken, Staphylokokken oder Streptokokken) über eine Verbindung (Eustachische Röhre) aus dem Nasen-Rachen-Raum in das Mittelohr. Hier können sie eine heftige, teils eitrige Entzündung verursachen. Insbesondere kleine Kinder sind häufig betroffen, denn bei ihnen ist diese Röhre noch sehr kurz.
Eine eitrige Otitis Media kann über die Blutwege oder das Labyrinth (Kanälchen) die Hirnhäute infizieren. Eine bakterielle Meningitis kann sehr gefährlich werden, daher werden frühzeitig Antibiotika verabreicht.
Leons Immunsystem ist geschwächt durch die Kaiserschnittgeburt, das fehlende Stillen und die Antibiotika-Gabe im Kleinkindalter. Da kommt einiges zusammen.
- Die Stuhluntersuchung ergab dann auch eine Schwäche der immunogen wirkenden Bakterien:
- Auch die Antikörper auf den Schleimhäuten haben gelitten.
Zum Thema Stuhluntersuchung habe ich auch einen ausführlichen Artikel geschrieben:
Diese Situation ist typisch für den erfolgreichen Einsatz der probiotischen Medizin, denn die probiotischen Keime, wie wir sie in Multispezies-Probiotika finden, haben eine ausgesprochen immunologische und entzündungs-hemmende Wirkung. Sie packen das Übel bei der Wurzel. Hier die Erklärung:
Unsere Darmschleimhaut (intestinale Mucosa) besteht aus drei Stufen der immunologischen Barriere, deren Funktionen essentiell sind für unser Immunsystem.
1.) Die „Firewall“
Die luminale Darmflora (die neuere Wissenschaft sagt: Darm-Mikrobiota) besteht aus den Billionen von Bakterien, die unsere Schleimhäute besiedeln und den wichtigsten Schutzwall bilden, um Krankheitserreger davon abzuhalten, sich hier bereit zu machen und in unseren Körper einzudringen. Dieser Schutz nennt sich „Kolonisationsresistenz“, unsere Bakterien-Freunde sind die „Commensalen“. Hat dieser Schutzwall Lücken, weil zum Beispiel Antibiotika viele der guten Bakterien zerstört haben, können Erreger unser Immunsystem attackieren und schwächen – es kommt zu einer Anhäufung von Entzündungen.
1b) Der Glibber
Der Mucus (medizinisch: intestinale Mucosa) bildet die Wohnstätte der Bakterien. Er überzieht als glibberige Schicht all unsere Schleimhäute. Von ihm ernähren sich unsere Bakterienfreunde, und hier können sie sich vermehren. Durch unsere Ernährung sorgen wir dafür, dass dieser Mucus immer stabil bleibt in seiner Struktur und die Bakterien ihrerseits die richtigen Nährstoffe finden.
Von der Industrie verarbeitete Lebensmittel mitsamt den hier verwendeten Emulgatoren, Konservierungsstoffen, Zusatzstoffen und Zucker sind hier nicht förderlich, genauso wie einseitige Diäten. Sie führen zu Löchern im Mucus, Bakterien gehen verloren oder sind schlicht unterernährt. In ihrer Verzweiflung fressen sie dann den Mucus an – so entstehen Einfallstore für krankmachende Keime!
Industriell verarbeitete Lebensmittel und einseitige Diäten führen zu Löchern im Mucus. Diese Löcher sind Einfallstore für krankmachende Keime!
Von Vorteil hingegen sind Ballaststoffe (mindestens 35g am Tag). In der probiotischen Medizin werden sie als Präbiotika (Futter) eingesetzt. Sie bestehen in Lebensmitteln zum größten Teil aus Polysacchariden, großen Molekülen, die Zellwände oder andere Strukturen in Pflanzen und Pilzen bilden. Nur Bakterien, die in der Lage sind, Polysaccharide zu verstoffwechseln, können sich als unsere Freunde auf der Darmschleimhaut ansiedeln.
Es ist ganz bestimmten Bakterienstämmen vorbehalten, diese großen Moleküle in immer kleinere Einheiten aufzuspalten und in kurzkettige Fettsäuren umzuwandeln, etwa in die wichtigen Butyrate. Diese werden direkt von den Dickdarmzellen des Menschen aufgenommen und als Botenstoff oder Energiequelle genutzt. Eine klassische „win-win-Situation“, denn auch die Bakterien profitieren: Sie leben von der Energie, die beim Spalten der Polysaccharide frei wird. Nicht ohne Grund enthält Muttermilch viele wichtige Polysaccharide! Unsere Industrienahrung hingegen so gut wie keine.
Mehr zum Thema Ernährung finden Sie hier:
2.) Die Armee
Die Epithelzellen bilden das nächste Bollwerk für krankmachende Keime sowie Schadstoffe aus der Nahrung. Sie stehen dicht an dicht, verbunden durch schmale Bänder aus Membranproteinen, den „Tight Junctions“. Diese öffnen sich zur Nährstoffaufnahme und schließen sich beim „Anrollen“ von Schadstoffen. Dieser Prozess wird unter anderem vom darmeigenen – intestinalen – Nervensystem gesteuert. Epithelzellen bilden auch körpereigene Antibiotika, die sogenannten Defensine. Diese gehören zu den „Waffen“ des unspezifischen Immunsystems und bekämpfen krankheitserregende Keime. Chemische Antibiotika hingegen schädigen massiv die Epithelzellen, in der Folge kommt die körpereigene Produktion zum Erliegen.
Ein konstantes „Drei-Tage-Rennen“
Man mag es kaum glauben, aber die Zellen unserer Darmschleimhaut erneuern sich innerhalb von drei Tagen vollständig! Einige Zellen haben sogar nur eine Lebenszeit von 36 Stunden. Um diese enorme Stoffwechselleistung zu bewältigen, braucht unsere Darmschleimhaut besondere Mikro-Nährstoffe, die für die Funktionalität und Regeneration hilfreich sind. Dazu zählen insbesondere Lecithin, Zink, Vitamin A, Vitamin B2, Biotin und Niacin. Auch die Aminosäure L-Glutamin ist eine wichtige Energiequelle für die Dünn- und Dickdarmschleimhaut. Diese ist unentbehrlich für die Funktion und Integrität der Darmschleimhaut und schützt vor einer erhöhten Darmdurchlässigkeit (Leaky Gut).
Das darmeigene Immunsystem ist der ausschlaggebende Wächter für unsere Gesundheit. 80% unserer Immunzellen sind hier versammelt! Sogenannte Wächterzellen strecken ihre langen Arme bis in das Darmlumen, um rechtzeitig Feinde auszumachen und die körpereigene Antikörperbildung anzukurbeln. Die Immunzellen zeichnen sich aber auch durch eine lobenswerte Toleranz aus, nämlich immer dann, wenn Nährstoffe ankommen. Es sind ja körperfremde Stoffe, deren Bedeutung das gastro-intestinale Immunsystem erst lernen muss.
Eine nicht funktionierende Firewall verhindert dies, es entstehen Entzündungen, Unverträglichkeiten und Allergien.
Da all unsere Schleimhäute miteinander verbunden sind, wird schnell klar, dass eine gestörte Darmschleimhaut die häufigste Ursache für Entzündungen im Körper ist.
Wenn wir bedenken, dass all unsere Schleimhäute miteinander verbunden sind – vom Darm bis zur Nase –, wird uns schnell klar, dass eine gestörte Darmschleimhaut die häufigste Ursache für Entzündungen ist, wo immer diese im Körper sich bemerkbar machen.
Diese Erkenntnis half auch der Mutter meines kleinen Patienten. Sie war heilfroh, jetzt die Ursachen für die Immunschwäche ihres Sohnes zu kennen und einen kausalen Therapievorschlag zu bekommen, der darauf abzielt, das Immunsystem nachhaltig zu regenerieren. Und zwar „an der Wurzel“.
Mein Therapievorschlag
1.) Für die Firewall
den Einsatz von Multispezies-Probiotika! Diese siedeln sich im Darmlumen an und verstärken dort die Barriere. Sie sind in der Lage, verkümmerte Bakterien wieder zu regenerieren und über ihre Stoffwechsel-Eigenschaften den Mucus zu stabilisieren. Multispezies-Probiotika enthalten mehrere Leitkeimstämme humaner Bakterien, die synergetisch und daher effizienter wirken. Leon habe ich das OMNi-BiOTiC® 6 empfohlen, das gerade bei Immundefiziten eine sehr gute Studienlage hat. Es regt darüberhinaus die Bildung von Interleukin 10 an, eine Substanz, die Entzündungsvorgänge hemmt und den Körper davor schützt, sich selbst zu zerstören (wie wir in meinem Blogeintrag über Allergien noch sehen werden). Die in dem Präparat enthaltenen Stämme sind bestimmte Bifido- und Laktobazillen; diese Stämme besiedeln uns von Geburt an und sind die Grundlage für ein funktionierendes Immunsystem. Darüberhinaus ist der Enterococcus Faecium enthalten, der „Cheftrainer“ für das Immunsystem auf den Schleimhäuten. Die Matrix aus Nährstoffen, die exakt für diese Leitkeimstämme bestimmt sind, sorgt dafür, dass diese sich schnell auf der Schleimhaut ansiedeln können. Solche sich selbst versorgenden Probiotika nennt man auch „Synbiotika“. Entscheidend ist, diese stets außerhalb des Körpers zu reaktivieren! Einfach den Inhalt des Sachets in etwas Wasser geben, Aktivierungszeit abwarten (steht auf der Verpackung) umrühren und trinken. Am besten morgens nüchtern oder abends direkt vor dem Schlafen.
2.) Für den Mucus (Glibber)
Hier werden Präbiotika gebraucht, die mit Ballaststoffen gezielt unsere Freunde füttern und im besten Fall gleich weitere Mikro-Nährstoffe mitliefern, die unsere Bakterien und gleichzeitig ein abgekämpftes Immunsystem unterstützen: Calciumcarbonat, Zinkcitrat, Nicotinamid (Vit. B3), Cholecalciferol (Vit. D3) und Riboflavin (Vitamin B2). Ich habe sehr gute Erfahrungen mit OMNi-LOGiC® IMMUN gemacht, der idealen Ergänzung zu OMNi-BiOTiC® 6. Meine Familie nimmt diese Kombi den ganzen Herbst und Winter durch, so halten wir uns Erkältungen erfolgreich „vom Hals“ 🙂
Wichtig ist hier das Einschleichen: Alle 3 Tage die Dosis etwas erhöhen, bis 1 voller Messlöffel erreicht ist. In reichlich Wasser einrühren, dann sofort trinken (keine Aktivierungszeit).
3.) Für die Wächter
Hier empfahl ich Leon das Symbioflor® 2 mit dem Darmbakterium E.coli in hoher Konzentration. Es kann die Darmtätigkeit regulieren und das Immunsystem stimulieren und bildet eine gute Ergänzung zum Multispezies-Probiotikum.
4.) Für den Hitzkopf
Ich bin ein großer Fan der Ceres Urtinkturen. Allein das Kompendium begeistert mich immer wieder. Darin werden die Wirkungen von pflanzlichen Heilmitteln auf unseren Körper, unsere Regulationsfähigkeit und Psyche beschrieben. Viele meiner Patienten erkennen sich in den Wesenszügen der Pflanzen wieder. Leon bekam von mir die Spitzwegerich-Urtinktur (Plantago lanceolata). Der Spitzwegerich überzieht die Schleimhäute mit einer schützenden Schicht und lindert die Reizzustände, auch die der Psyche. So gerät der kleine Hitzkopf nicht so schnell außer Atem.
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Die Mutter fragte mich, ob diese probiotische Therapie auch für sie geeignet wäre. Ja, sicher ist sie das!
Ich habe die Dosierungen für Mutter und Sohn entsprechend angepasst. Der Mutter habe ich zusätzlich das L-Glutamin empfohlen. Glutamin ist eine wichtige Aminosäure für alle Körperzellen, insbesondere aber für das Immunsystem. Gerade die Schleimhäute profitieren von L-Glutamin. Durch Stress verbraucht der Körper viel davon.
Therapieplan der Mutter downloaden >
Bleiben Sie gesund!
Ihre Dagmar Praßler
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.
© Dagmar Praßler Heilpraktikerin/med. Fachreferentin