Können bestimmte Darmbakterien einen Morbus Alzheimer „triggern“ oder sorgt umgekehrt die Krankheit für Veränderungen des Darmmikrobioms? In Sachen Früherkennung scheint man einen großen Schritt vorangekommen zu sein.
Seit vielen Jahren wird in Studien der Zusammenhang zwischen Darmbakterien und der neurodegenerativen Krankheit Morbus Alzheimer untersucht, denn als erwiesen gilt mittlerweile, dass unser Darmmikrobiom eine alzheimerspezifische Signatur aufweist.
Eine der jüngsten Studien dieser Art*, die eine mögliche Früherkennung des Morbus Alzheimer zum Ziel hatte, hat jetzt festgestellt, dass „Veränderungen der Darmflora, die in früheren Studien bei Patienten mit symptomatischem Morbus Alzheimer gefunden wurden, (…) bereits im Vorstadium der Erkrankung vorhanden“ waren.
Dies würde natürlich die Früherkennung enorm voranbringen, wären doch Stuhlproben erheblich kostengünstiger als die bisherigen Methoden, mit denen den wesentlichen Merkmalen dieser Krankheit – einer Anhäufung von Beta-Amyloiden und Tau-Fibrillen im Gehirn – nachgespürt wird. Als „Goldstandard“ bei der Bestimmung gelten die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und der Liquortest (Untersuchung des Hirnwassers).
„Im günstigsten Fall“, so heißt es im vorliegenden Artikel, „könnte der Verlauf der Erkrankung durch Medikamente beeinflusst werden, die die Dysbiose korrigieren.“
Sollte der Medikamentenbegriff hier so weit gefasst sein, dass auch Prä- und Probiotika darunter fallen, bin ich völlig d’accord. Ich wage allerdings zu behaupten, dass der probiotischen Medizin sicher viel Konkreteres einfiele, wenn eine Dysbiose (Fehlbesiedlung im Darm) korrigiert werden soll: In erster Linie würde man hier auf die humanen Darmbakterien Akkermansia Muciniphila und Faecalibakterium Prausnitzii setzen, deren vornehmste Aufgabe es ist, kurzkettige Fettsäuren zu produzieren – insbesondere Butyrate.
Wie gerade diese Buttersäure Darmbarriere und Blut-Hirn-Schranke gleichermaßen zu festigen versteht, habe ich an dieser Stelle schon einmal beschrieben:
Aber ich schweife ab. Unbestritten ist: „Viele Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer leiden unter gastrointestinalen Beschwerden, die mit einer Störung des Mikrobioms im Darm einhergehen.“
Hier formuliert das Ärzteblatt betont vorsichtig: „Dies hat zu der bisher unbewiesenen Hypothese einer Darm-Hirn-Achse geführt. Danach sollen die Veränderungen im Darm die degenerativen Hirnerkrankungen beeinflussen können. Ein Team um Gautam Dantas von der Washington University School of Medicine in St. Louis/Missouri hält es sogar für möglich, dass die degenerativen Erkrankungen ihren Ursprung im Darm haben.“
Da ist der amerikanische Neurowissenschaftler Dr. M. Gershon schon seit 20 Jahren einen Schritt weiter:
„Was dem Hirn geschieht, bleibt dem Bauch nicht verborgen. Bei Alzheimer- und Parkinson-Patienten findet sich häufig der gleiche Typ von Gewebeschäden im Kopf
M. Gershon
wie im peripheren Hirn.“
Dr. Michael D. Gershon ist Autor des Standardwerks „Der kluge Bauch – die Entdeckung des zweiten Gehirns“.
Über die Darm-Hirn-Verbindung bei Morbus Parkinson habe ich hier geschrieben:
Den genauen Ablauf könnte man sich so vorstellen: „Nach einer neuro-immunologischen Hypothese würden die Darmbakterien Abwehrzellen aus dem Darm veranlassen, in das Gehirn zu wandern und dort die Ablagerung von Beta-Amyloiden oder Alpha-Synuclein zu fördern, die das pathologische Substrat von Morbus Alzheimer beziehungsweise Morbus Parkinson sind. Eine Verbindung wäre auch über den Nervus vagus denkbar, der Beta-Amyloide oder Alpha-Synuclein ins Gehirn transportieren könnte, die dann dort als Prionen den Krankheitsprozess starten.“
Bei der hier vorgestellten Studie wurden „Stuhlproben von 164 Senioren untersucht, die an einer Studie zur Früherkennung des Morbus Alzheimer teilgenommen hatten. Alle Teilnehmer waren zu Beginn der Studie ohne kognitive Einschränkungen, bei 49 wurden jedoch mit der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) Beta-Amyloide und Tau-Fibrillen (das andere histologische Merkmal des Morbus Alzheimer, Anm. DP) im Gehirn gefunden. Auch die Liquoruntersuchungen waren positiv ausgefallen.“
(Mit der Positronen-Emissions-Tomografie können Stoffwechselaktivitäten im Gewebe dargestellt werden.)
Jene 49 Patienten hatten „im Frühstadium des Morbus Alzheimers bereits Veränderungen im Darmmikrobiom. Dantas schließt daraus, dass die Veränderungen im Mikrobiom am Anfang der Erkrankung stehen, ob sie der Auslöser sind, stehe aber nicht hundertprozentig fest. Es bleibe möglich, dass die Ablagerungen im Gehirn über eine Störung der Nervenfunktion die Veränderungen im Darm auslösen. Aber auch in diesem Fall könnte ein Stuhltest genutzt werden, um die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren.“
Wenn Sie sich für Stuhluntersuchungen interessieren, bitte schön:
Es bleibt also spannend: Was hier in einem Nebensatz erwähnt wird, ob nämlich die Veränderungen im Darmmikrobiom „der Auslöser“ für die Erkrankung sind oder die Folge, soll jetzt in einer weiteren Studie fünf Jahre lang erforscht werden.
Letztlich geht es schließlich darum, „ob eine Veränderung des Darmmikrobioms in der Lage wäre, den Krankheitsprozess günstig zu beeinflussen und im besten Fall den Ausbruch der Demenz zu verhindern.“
Ein Grund mehr, unsere Mitbewohner im Darm stets prophylaktisch mit dem zu verwöhnen, was sie in Trab hält: Ich plädiere nicht grundlos immer wieder – neben viel Bewegung – für eine gesunde Ernährung mit viel Ballaststoffen und medizinisch relevanten Probiotika, die ja nichts anderes enthalten als humane Darmbakterien, die unsere Gesundheit unterstützen. Von Kopf bis Fuß, wie wir immer wieder feststellen können.
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Alle wörtlichen Zitate stammen aus einem Beitrag auf dem Online-Portal des „Ärzteblatt“ vom Juni 2023, © rme/aerzteblatt.de
Alzheimerrisiko
In meinem Blog beschreibe ich regelmäßig Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Neben den von mir beschriebenen Produkten gibt es fast immer auch weitere von anderen Herstellern.
Es handelt sich in den Beschreibungen um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie grundsätzlich ärztlichen Rat oder den einer Heilpraktikerin / eines Heilpraktikers einholen.
Im Wechsel zu den Berichten aus der Praxis widme ich mich hier aber auch (unter dem Rubrum „News“) aktuellen Studien, die ich für erwähnenswert halte oder einen direkten Bezug zum Mikrobiom haben. Auch hier handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge