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Hat meine Parodontitis eigentlich auch etwas mit meinem Darm zu tun? Schließlich haben wir ja einen „Schlauch“, der vom Mund bis zum Po geht. Das habe ich jedenfalls irgendwo gelesen.“
In erster Linie hatte sich meine Patientin Lieschen Grube* (65) wegen ihrer chronischen Darmbeschwerden an mich gewandt, aber nachdem ich ihr einiges über die Bedeutung eines gesunden Darms für sämtliche Körperbereiche erzählt hatte, wagte sie sich nun mit dieser Frage vor … und schaute mich erwartungsvoll an. Kluge Frage! Ja, sicher gibt es hier Zusammenhänge, und rein anatomisch hat meine Patientin natürlich recht, denn alles, was wir im Mund haben, landet „natürlich“ im Darm.
Sicher wird der Magen schon einen gewissen Teil der über den Mund aufgenommenen Keime eliminieren, aber ein Großteil gelangt in den Darm. Bei einer permanenten Belastung durch Keime aus dem Mund hat das Folgen für alle Verdauungsorgane – und nicht nur für diese.
Bei der Parodontitis handelt es sich um eine Entzündung des Zahnfleisches, hervorgerufen durch einen hartnäckigen bakteriellen Zahnbelag. Besonders kritisch sind entzündete Zahnfleischtaschen. Je tiefer diese sind, desto ausgeprägter kann die Entzündung ausfallen. Dies kann zur Zerstörung der Zahn-Hälse und letztendlich zum Zahnverlust führen.
Keine Zähne, keine Parodontitis!
Von einer Parodontitis sind bereits gut 70% der 35- bis 44-Jährigen betroffen, im höheren Alter entwickelt sie fast jede/r. Das liegt auch daran, dass wir die Zähne erhalten wollen und die moderne Zahnmedizin uns dabei unterstützt. Wer keine Zähne hat, leidet auch nicht unter Parodontitis! Der Körper wehrt sich gegen die bakterielle Entzündung, indem sich Zahnfleisch und Knochen zurückbilden, bis schließlich der Zahn ausfällt und dadurch auch die Bakterien eliminiert werden.
Anfangs bereitet eine Parodontitis meist keine Beschwerden, im weiteren Verlauf kommt es zum Rückgang des Zahnfleisches, wodurch die Zahnhälse sichtbar und vor allem sehr empfindlich werden. Die Zähne erscheinen dadurch länger. Entzündet sich jetzt das Zahnfleisch und bilden sich um die Zähne herum durch Bakterien ausgelöste, entzündliche Zahnfleischtaschen, haben wir das Vollbild einer Parodontitis.
Der Mund – Brutstätte für Toxine
Bleibt die Entzündung längere Zeit unbehandelt, können sich die Bakterien ungestört vermehren, in den Organismus vordringen und an anderen Organen ihr Unwesen treiben, am Herzmuskel, der Gebärmutter oder im Verdauungstrakt zum Beispiel. So wird die Entstehung chronischer Darmentzündungen auch als Ursache mit einer Parodontitis in Verbindung gebracht.
Zahnfleischbluten und reizempfindliche Zähne sind typische Hinweise auf eine Parodontitis. Begünstigt wird sie durch eine Dysbiose, also eine Fehlbesiedlung der Mundflora! So bildet zum Beispiel der Karieserreger Streptococcus mutans klebrige Ablagerungen, also einen Biofilm (Plaque). Dieser muss durch regelmäßiges Putzen entfernt werden, damit er nicht zur gedeckten Tafel für pathogene Bakterien wird, die Entzündungen hervorrufen können.
Auch finden sich (sehr viele) Bakterien auf der Zunge, der Mundschleimhaut, in Zahnzwischenräumen und tieferen Zahnfleischtaschen. Deshalb ist das Reinigen der Zahnzwischenräume besonders wichtig. Das besondere Problem der pathogenen Keime bilden (ganz wie im Darm) deren Stoffwechselprodukte, die Toxine. Diese gelangen – entweder durch das Schlucken oder auch direkt durch die Mundschleimhaut – in den Körper.
Herzinfarkt vorbeugen durch Mundhygiene
Die Toxine verursachen Gewebsveränderungen, zum Beispiel am Herzmuskel, der dadurch in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Es kann auch zu Veränderungen an den Herzkranzgefäßen kommen – alles Prozesse, durch die ein Herzinfarkt entstehen kann!
Ein weiteres Problem sind die Entzündungsmoleküle, die Gefäße wie die Aorta schädigen oder zur Entzündung der Gelenke führen können. So entsteht z. B. leicht eine Arthritis. Selbst in der Fruchtblase wurden sie nachgewiesen, wo sie für Früh- oder Fehlgeburten verantwortlich gemacht werden. Im Muskel-, Leber- und Fettgewebe können die Entzündungsmoleküle die Insulinrezeptoren hemmen. So steigen Insulinresistenz und Blutzuckerwerte an. Parodontitis kann also einen Diabetes fördern!
Meine Patientin blickte mich ungläubig an. Sie hatte nicht im Geringsten mit solchen möglichen Folgeerscheinungen ihrer Parodontitis gerechnet. „Kann man denn durch eine Parodontitis auch zunehmen?“ fragte sie zaghaft.
Der Appetit kommt mit den Bakterien
Denkbar ist das durchaus. Bestimmte Parodontitis-Keime führen zu einer veränderten Verwertung der Nahrung. So können Parodontitis-Patienten durchaus Gewicht zulegen. Man vermutet sogar, dass Parodontitis-Bakterien den Appetit anregen. Es genügen wenige, winzige Moleküle, um die Essgewohnheiten zu verändern. Anders herum verstärken Moleküle bei Übergewichtigen mit viel Bauchfett die Entzündungs- und Abbauprozesse im Zahnhalteapparat. Die Gefahr von Entzündungen im Körper bei starkem Übergewicht habe ich hier beschrieben:
Tatsächlich bildet die Mundhöhle nicht nur den Anfang jenes Schlauchs, der am Anus endet. Genau wie der Darm auch besitzt ein gesunder Mund mit physiologischer Flora eine ausgeprägte Schutzfunktion gegen pathogene Keime. Darüber hinaus halten die „freundlichen“ Mikroorganismen im Mund schädliche Umwelteinflüsse fern und helfen dabei, die Nahrung vorzuverdauen.
Zu den Faktoren, die das empfindliche Gleichgewicht der Mikroorganismen im Mund stören können, zählen:
- mangelnde Mundhygiene
- zuckerhaltige Ernährung bzw. Getränke
- ständiges Essen oder Naschen
- säurehaltige Nahrungsmittel
- Stress
- Rauchen
- schlechter Zustand der Zähne
- Lebensalter
- geschwächtes Immunsystem
- Pilzbelastungen (Candida)
- Einnahme von Medikamenten, etwa Antibiotika
- Krankheiten wie Diabetes oder Krebs
„Können denn umgekehrt Darmbakterien auch eine Parodontitis begünstigen?“
Frau Grube* wollte es jetzt ganz genau wissen.
Ja, auch das ist durchaus denkbar! Darmbakterien könnten eine Ursache für eine Parodontitis sein. Wir haben schließlich ein durchgehendes Schleimhautsystem vom Darm bis zur Mundhöhle und Nase! Kommen – wie oben beschrieben – mehrere Faktoren zusammen, kann eine Fehlbesiedlung des Darms tatsächlich eine Fehlbesiedlung der Mundflora begünstigen. Auch Entzündungsmoleküle, die durch einen „Leaky Gut“ frei durch den Körper flottieren, können zur Entzündung eines vorgeschädigten Zahnfleisches führen.
Das Leaky-Gut-Syndrom habe ich hier eingehend beschrieben:
„Was kann ich denn noch tun gegen meine Parodontitis?“ Der hoffnungsvolle Blick meiner Patientin ging in Richtung meiner Fachliteratur über die probiotische Medizin. Ihr Zahnarzt behandelte meine Patientin bereits, indem er sie von bakteriellen Zahnbelägen befreite, die unter dem Zahnfleischsaum bzw. in den Zahnfleischtaschen hafteten. Antibiotika-Gaben waren Frau Grube zum Glück bisher noch erspart geblieben.
Mund auf für Probiotika – an die Wurzeln der Usache!
Die wichtigste Maßnahme, um einer Parodontitis vorzubeugen, ist eine gute Mundhygiene, ausgewogene Ernährung und der Verzicht auf das Rauchen. Wobei mir meine Patientin glaubhaft versicherte, noch nie geraucht zu haben.
Als probiotische Therapie habe ich meiner Patientin dies verordnet:
Wir beginnen mit einer 4-wöchigen Darmreinigung mit dem Elixier MikroSan®. Hierbei handelt es sich um eine natürliche Mischung aus Mikroorganismen und ausgewählten Pflanzen- und Kräuterextrakten, die den Darm sanft, aber wirkungsvoll reinigt und zudem antientzündlich wirkt. Der niedrige, also saure pH-Wert unterstützt die Verdauung zusätzlich, denn er sorgt für eine gesunde Flora – auch im Mund! Daher mein Tipp: Länger im Mund belassen und erst dann schlucken.
Dazu habe ich meiner Patientin das Multispezies-Probiotikum OMNi-BiOTiC® 10 verordnet. Dieses Präparat verdrängt pathogene Keime und bekämpft deren Toxine, auch im Mund! OMNi-BiOTiC® 10 enthält u. A. Lactobacillus paracasei W 72, der aktiv gegen Streptococcus mutans vorgeht, jenen Verursacher des Biofilms, in dem sich ungute Bakterien vermehren können. Lactobacillus paracasei W 72 kann nämlich an Streptococcus mutans andocken, so dass dieser sich nicht mehr am Zahn anlagert, sondern beim Zähneputzen ausgespült wird.
Neues aus der probiotischen Medizin
Laut Analyse eines indischen Forscherteams haben Studien** gezeigt, dass die lokale Therapie mit probiotischen Keimen großes Potenzial besitzt im Hinblick auf Plaquebildung, Halitosis (Mundgeruch) und Veränderung der anaeroben Bakterienkulturen. Auch klinische Parameter wie die Reduzierung der Taschentiefe und der Blutung sowie Minimierung von Entzündungszeichen konnten beobachtet werden.
Kommensalen direkt in die Zahnfleischtasche
Probiotische Behandlungen sollten als Alternative oder Ergänzung zur Standardtherapie etabliert werden, plädieren Prof. Dr. N. D. Gupta und Kollegen. Dabei rückt vor allem die lokale subgingivale (direkt in die Zahnfleischtaschen) Applikation von gesundheitsfördernden Bakterien (Kommensalen) in den Fokus der Forschungen. Das sind nicht-schädliche Bakterien, die sich von Nahrungsrückständen ihres Wirts ernähren. So soll das natürliche Bakteriengefüge in der parodontalen Tasche auf sanfte Weise wiederhergestellt werden.
Q10 in jeder Ausprägung
Ergänzend zur probiotischen Therapie habe ich meiner Patientin das DentoMit® Mundpflegespray von mse-pharma empfohlen. Das DentoMit® Mundpflegespray enthält flüssiges Q10 mit der patentierten Formel aus ultrakleinen Flüssigpartikeln. Die winzigen Q10-Strukturen haben eine auf das Zahnfleisch abgestimmte Oberflächenladung und können in die allerkleinsten Zahnzwischenräume vordringen.
DentoMit® Mundpflegespray pflegt gesundes und erkranktes Zahnfleisch, auch bei Zahnfleischerkrankungen wie Parodontitis, und begleitet die medizinische Therapie. Tägliche Anwendung mindert die Tendenz zu Blutungen, fördert die Regeneration geschädigten Zahnfleisches und festigt es. Das Coenzym Q10 ist ein hochwertiges und natürliches Antioxidans mit Zellenergie-spendender Funktion.
Zu guter Letzt habe ich meiner Patientin eine Q10-haltige Zahnpasta empfohlen, zum Beispiel von Pharma Nord. Diese enthält eine patentierte Formel mit Coenzym Q10 und Fluorid, aber nicht das Schaummittel Laurylsulfat, das in herkömmlichen Zahncremes für den Schaum sorgt, aber dabei leider die Mundflora schädigt.
Die probiotische Therapie wird nach den ersten 4 Wochen mit OMNi-BiOTiC® 6 weitergeführt über einen Zeitraum von 6 Monaten. OMNi-BiOTiC® 6 ist das Multispezies-Probiotikum für ein gesundes Immunsystem.
Bleiben Sie also „bissfest“ und denken Sie bei Zahnfleischproblemen immer daran: Anfangs erscheint es harmlos, enden tut es meistens zahnlos!
Herzlich, Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
** Gupta ND et al. Probiotic – An emerging therapy in recolonizing periodontal pocket. J Oral Biol Craniofac Res 2017; 7 (1): 72-73.
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.
Meine Mutter hat in letzter Zeit Zahnschmerzen. Wir wissen nicht, was los ist, aber dieser Artikel war sehr informierend. Ich glaube, sie braucht Parodontologie.
Danke für die informative Darstellung von Parodontitis. Mein Onkel war vor kurzem auch endlich in einer Zahnarztpraxis und hat die Diagnose Parodontitis gestellt bekommen. Er ist leider sehr stur und geht erst zum (Zahn-)Arzt, wenn es schon fast zu spät ist – in diesem Fall als ihm dann ein paar Zähne ausgefallen sind. Interessant, dass bestimmte Parodontitis-Keime zu einer veränderten Verwertung der Nahrung führen.