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In meiner Heilpraxis sehe ich beinahe täglich Patient*innen, für die unsere herkömmliche Medizin kein Rezept hat. Dennoch fühlen diese sich teils seit Jahren krank und in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Am häufigsten wird geklagt über chronische Erschöpfung, Depressionen, Schilddrüsenfehlfunktion, Allergien und Unverträglichkeiten, Kopf- und Gelenkschmerzen und fast immer auch über Symptome des Magens und Darms – Blähungen, Völlegefühl, Verstopfung oder Durchfall.
So kam eine Patientin -Nicole -zu mir mit der typischen Reizdarm-Diagnose. Laut Schulmedizin war sie gesund, gefühlt hat sie sich aber nicht so mit ihren ständigen Blähungen, Bauch- und Rückenschmerzen, abwechselnd Durchfällen und Verstopfung. Dazu noch die schlechte Stimmung, kaum Lust auf Treffen mit Freunden, kein erholsamer Schlaf und nachlassende Konzentrationsfähigkeit. Lebensfreude geht anders!
Aus der Anamnese erfuhr ich, dass die Patientin in der Vergangenheit häufig Blasenentzündungen hatte und Antibiotika einnehmen musste. Seitdem hatten sich die Darm-Beschwerden ständig verschlimmert.
Wenn durch Antibiotika-Gabe auch wichtige Bakterien der Darmschleimhaut abgetötet wurden, fehlen diese als „Schutzwall“.
Die Vermutung lag daher nahe, dass die Beschwerden mit den wiederholten Antibiotika-Gaben zusammenhingen, denn:
- Wenn wichtige Bakterien als „Schutzwall“ fehlen (weil diese zum Beispiel durch Antibiotika versehentlich mit abgetötet wurden), ist die Darmschleimhaut den Einflüssen durch unsere Ernährung schutzlos ausgeliefert
- Ein so gestörter Darm kann auch nur unzureichend die wichtigen Nährstoffe resorbieren, und in der Folge können trotz gesunder Ernährung Mangelerscheinungen auftreten
- Ein „fehlbesiedelter“ Darm ist nicht in der Lage, optimal die Schadstoffe aus der Nahrung zu eliminieren, d. h. es gelangen zu viele in den Körper
- Ganz zu schweigen von unserem Nervengeflecht im Darm, das durch Toxine massiv attackiert wird!
Bauchhirn an Kopfhirn: Ich bestimme, wo es langgeht
Wie sich sicher schon herumgesprochen hat, haben wir ein „zweites Gehirn“ im Bauch – ein sehr sensibles obendrein. Aber wussten Sie, dass 90% der körpereigenen Informationen vom Bauchhirn zum Kopfhirn hin verlaufen und nicht etwa umgekehrt? Als Heimstatt für ca. 100 Billionen Bakterien (!) stellt der Darm das komplexeste Organ unseres Körpers dar. Und nicht im Gehirn, sondern hier „am unteren Ende“ unserer Organe befindet sich auch unser größtes Nervensystem mit über 100 Millionen Nervenzellen. Doch neben ihrer eindrucksvollen Anzahl verblüfft besonders, dass die Zellen des „Darmhirns“ baugleich mit denen des Kopfes und des vegetativen Nervengeflechts sind, d. h. sie reagieren auf die gleichen (biochemischen) Einflüsse. Dies erklärt auch die nicht zu unterschätzende Beteiligung der Psyche am Reizdarm-Syndrom.
Die Darmwand ist leicht reizbar
Nicht, dass sie mit Pöbeleien oder Wutausbrüchen auf sich aufmerksam machen würde (so sinnvoll das vielleicht auch wäre), aber Störungen im Darm können schnell Folgen für den gesamten Körper haben: Bei Reizdarm- Patient*innen reagiert das Nervengeflecht des Bauchhirns auf die kleinsten Reize. Ursache hierfür ist oft eine Schädigung der Darmschleimhaut. Diese ist dann durchlässiger für Erreger und Schadstoffe, die Symptome wie Blähungen, Durchfall, Verstopfung und Krämpfe auslösen. Experten weisen darauf hin, dass ein löchriger Darm (Leaky Gut) auch Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen und chronische Entzündungen auslösen kann.
Das Thema Leaky-Gut-Syndrom habe ich auch ausführlich in diesem Artikel erläutert:
Nicole hat nun über sieben Tage ein Ernährungsprotokoll geschrieben und eine ausführliche Stuhluntersuchung machen lassen. Beim Schreiben des Protokolls ist ihr selbst aufgefallen, dass sie nach bestimmten Nahrungsmitteln zunehmende Beschwerden hatte. Das waren vor allem solche mit Zucker und Weizen sowie die sogenannten FODMAPS (dazu weiter unten mehr).
Der Bauch im Auftrieb
Zucker hat einen großen Einfluss auf unsere Darmbakterien – besonders auf diejenigen, die sich im Dünndarm breit gemacht haben und ihn dort vergären. Das führt zu einem aufgetriebenen Bauch kurz nach bis rund eine Stunde nach dem Essen.
Zucker hat einen großen Einfluss auf unsere Darmbakterien – besonders auf diejenigen, die sich im Dünndarm breit gemacht haben und ihn dort vergären.
Normalerweise sind nur recht wenige Bakterien im Dünndarm aktiv, aber es kommt vor, dass einige über den Dickdarm in den Dünndarm einwandern und dort für Unruhe sorgen. Das ist ein Dünndarm-Überwucherungssyndrom, das ich an anderer Stelle noch genauer beschreiben werde. Die Symptome ähneln denen des Reizdarms, deshalb lautet meine Empfehlung: Zucker weglassen, wenn’s auch schwer fällt. Dazu zählt in gewissem Maße auch Fructose, denn viele Menschen reagieren darauf mit einer Unverträglichkeit und Blähungen mit Durchfall. Aufschluss gibt ein Atemgastest beim Arzt.
Ernährung beim Reizdarmsyndrom
„Nichts ist mehr, was es mal war.“ Das gilt für unsere Nahrung leider ganz besonders: Weizen wird von der Nahrungsmittelindustrie in seinem Wachstum so stark verändert, dass wir ihn häufig nicht vertragen – zumindest nicht in den herkömmlichen Mengen, in denen wir Brot, Brötchen, Kuchen, Keksen, Müsli oder Nudeln vertilgen. Besonders gemein: Weizen wandelt sich in Zucker um! Sie wollen Beweise? Dann kauen Sie Ihr Brötchen doch mal etwas länger als sonst und staunen Sie, wie süß es am Ende wird. Fazit: Weglassen oder zumindest stark einschränken.
Wichtig ist insbesondere beim Reizdarmsyndrom, jedes Nahrungsmittel zu „rotieren“, also nicht täglich zu essen.
Es gibt mit anderen Getreidearten wie Hafer und Roggen, aber auch Dinkel, Grünkern oder Kamut gute Alternativen. Letztere sind zwar Urformen des Weizens, werden aber nicht im großen Stil angebaut und dabei reichlich verändert. Sie sind daher verträglicher. Auch glutenfreies Getreide wie Amaranth, Quinoa oder Buchweizen kommen in Frage. Wichtig ist insbesondere beim Reizdarmsyndrom, jedes Nahrungsmittel zu „rotieren“, also nicht täglich zu essen. Viele meiner Patient*innen leiden unter diversen Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Das liegt an einer gestörten Darm-Mikrobiota und an der industriellen Herstellung unserer Nahrung. Auch hierüber werde ich später noch ausführlich berichten.
Lesen Sie hier mehr zu gesunder Ernährung, die glücklich macht:
Kennen Sie FODMAPS?
Über FODMAPS (Fermentable Oligo-, Di- and Monosaccharides And PolyolS) wird in letzter Zeit häufiger berichtet. Es handelt sich um „vergärbare“ Mehrfach-, Zweifach- und Einfachzucker (Kohlenhydrate) sowie mehrwertige Zucker-Alkohole (Polyole), die in bestimmten Nahrungsmitteln vorkommen (siehe Tabelle unten). Diese werden häufig im Darm nicht richtig verstoffwechselt und führen bei empfindlichen Menschen zu Blähungen und zum Reizdarm-Syndrom. Aber Achtung: Viele Nahrungsmittel, insbesondere die Oligosaccharide, sind wichtig als Futter für unsere guten Darmbakterien. Deshalb ist das erste Ziel eine Darmsanierung, im Anschluss können und sollten gute FODMAPS auch wieder gegessen werden.
Eine wichtige Grundlage für die Darmsanierung ist natürlich die Mikrobiom-Untersuchung, d. h. eine genaue, molekulargenetische Stuhlanalyse. Viele gut ausgebildete Heilpraktiker und Naturheil-Ärzte haben sich darauf spezialisiert. Wichtig ist dabei nicht nur die Diagnose von schädlichen Keimen, Pilzen und Parasiten, sondern auch die unserer „guten“ Darmbakterien und des Zustands der Darm-Schleimhaut.
Eine wichtige Grundlage für die Darmsanierung ist die Mikrobiom-Untersuchung: Eine genaue, molekulargenetische Stuhlanalyse.
So hat die Stuhluntersuchung meiner Patientin Folgendes ergeben:
- Die Diversität war stark herabgesetzt, einige wichtige Bakterien-Familien wie Bifidobakterien und Lactobazillen waren fast komplett eliminiert. Diese bilden aber einen wichtigen Schutzwall auf der Darmschleimhaut. Ist dieser beschädigt, wird die Schleimhaut permanent gereizt, und krankmachende Toxine gelangen in den Körper.
- In den Lücken, die die „freundlichen“ Bakterien (Commensalen) hinterlassen haben, konnten sich Keime breit machen, die auch „unfreundlich“ sein können wie z. B. Clostridien. Diese produzieren reizende und Entzündung auslösende Stoffwechselprodukte (Toxine).
- Wichtige Butyrat-Bildner fehlten. Butyrat = Buttersäure ist ein wichtiges Futter für die Darmschleimhaut und für bestimmte Immunzellen im Gehirn. Diese Butyrat-Bildner leben hauptsächlich von Fructo- und Galacto-Oligosacchariden, also von Lebensmitteln, die FODMAPS beinhalten!
- Die Abwehrreaktion (sIgA) an der Darmschleimhaut war stark erhöht, ebenso das Alpha-1 -Antytrypsin, das bei Entzündungen freigesetzt wird.
Was kann man tun?
Mein Therapievorschlag
- „Reizende“ Nahrungsmittel stark einschränken wie z. B. Zucker, Fructose, Weizen, vorübergehend FODMAPS
- Auf Fertignahrungsmittel möglichst ganz verzichten!
- Das Immunsystem des Darms unterstützen, z. B. mit Colibiogen® von Laves. Colibiogen® ist ein Schleimhauttherapeutikum mit entzündungshemmender und immunregulierender Wirkung. Der Wirkort ist die immunologische Einheit der Schleimhaut. Sie bekommen es in der Apotheke.
- Die individuelle Therapie erfolgt dann mit Multispezies-Probiotika aus der Apotheke. Diese enthalten in Höchstdosis die gesundheitsfördernden Stämme lebendiger Bakterien mit einer Matrix aus Präbiotika (als Futter für die Bakterien). Aus meiner Erfahrung können sie sich im Darm ansiedeln, krankmachende Arten eliminieren, die Darmschleimhaut heilen und „abdichten“ sowie das Nervengeflecht beruhigen. Diese probiotische Therapie ist die Säule jeder Darmsanierung! Ohne die freundlichen Bakterien, die Kommensalen, ist aus meiner Sicht eine kausale Therapie nicht möglich. Für den Beginn der probiotischen Therapie habe ich meiner Patientin ein Mittel empfohlen, das in der Lage ist, insbesondere nach Antibiotika-Gaben die wichtigsten Bakterien wieder zu reaktivieren und so die krankmachenden Keime zurückzudrängen. Für 14 Tage ist das z. B. OMNi-BiOTiC® 10 (1 Sachet täglich).
- Ich habe meiner Patientin als Anschluss-Therapie das OMNi-BiOTiC® SR-9 empfohlen, das insbesondere einen stressgeplagten Darm beruhigt und nach meiner Erfahrung auch eine positive Wirkung auf die Psyche hat. Am besten fragen Sie in einer Apotheke, die eine Darm-Fachberatung bietet, nach geeigneten Produkten. Achten Sie darauf, dass die Bakterien als Pulver einzeln in Sachets abgepackt sind, denn nur dann können sie im Wasser reaktiviert werden, bevor sie in den Körper gelangen. Das ist entscheidend für die Ansiedelungsfähigkeit!
- Sehr gute Erfahrungen habe ich persönlich mit Caricol®-Gastro gemacht. Es enthält die wertvollen Inhaltsstoffe einer patentierten Bio-Haferzubereitung sowie von Caricol®, einem patentierten Extrakt aus baumgereiften Bio-Papayas. Das Mus wird nach einem alten, ayurvedischen Rezept schonend hergestellt und in praktische Sticks verpackt. Diese habe ich immer in meiner Tasche, das ist insbesondere auf meinen vielen Vortragsreisen sinnvoll. So kann sich ein gereizter Magen beruhigen, der ja häufig mit einem Reizdarm vergesellschaftet ist.
- Ergänzend zur probiotischen Therapie nimmt meine Patientin die Urtinktur Angelica archangelica ein, auch bekannt als „Engelwurz“. Das ist eine der ältesten Heilpflanzen der Welt, die ich gern bei Patienten einsetze, deren Inneres und Äußeres wieder neu verbunden werden sollte, die ihren „Seelenfrieden“ vorübergehend verloren haben. Angelica beruhigt den Verdauungstrakt und das Nervensystem und ist gleichzeitig ein kräftigendes Tonikum – eine wunderbare Ergänzung zur probiotischen Medizin. Auch unsere Bakterien-Freunde verbinden uns mit der Umwelt, mit den anderen Ökosystemen um uns herum. Haben wir nicht die richtigen Bakterien-Freunde, da diese z. B. durch Medikamente zerstört wurden, ziehen wir uns zurück, das Seelenleben wird „gefangen“.
Ich werde berichten, wie es Nicole mit der Therapie ergangen ist.
Bis dahin alles Liebe für Sie und Ihre Billionen Freunde!
Ihre Dagmar Praßler
Meine Apotheken-Vorträge über den Reizdarm
Kürzlich hielt ich in der Wolfs-Apotheke in Bredstedt und in der Klaus-Groth-Apotheke in Bordesholm (beide liegen in der Nähe der Nordseeküste) einen Vortrag über das Thema „Stress als Auslöser des Reizdarms“. Viele der zahlreichen Zuhörer litten seit Jahren an wiederkehrenden Magen-Darmbeschwerden, ohne eine Antwort darauf zu haben, wo die Ursache liegt. Sie waren daher sehr begierig zu erfahren, dass erst eine Ernährungsumstellung und die Einnahme von Multispezies-Probiotika nachhaltig helfen können. Manche Nahrungsmittel stressen einfach den Darm – den einen mehr, den anderen weniger. Und ja, der Stress durch unsere Umwelt spielt natürlich eine große Rolle. Wir können ihn leider meistens nicht einfach abschalten, aber vielleicht hilft die Vorstellung, in einer schützenden Wolke (aus Billionen Freunden ) zu leben, durch die der Stress nicht an uns herankommt, uns nicht attackieren kann. Einen Versuch ist es wert.
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.
© Dagmar Praßler Heilpraktikerin/med. Fachreferentin