Agrypnie, Dyssomnie, Insomnie, Hyposomnie – die Wissenschaft weiß zwischen den verschiedenen Ausprägungen einer Schlafstörung fein zu unterscheiden. Fakt ist: Immer mehr Menschen leiden darunter. Hier geht es um mögliche Ursachen und Auswege aus der Misere.
Ob es um Probleme beim Einschlafen geht oder das Durchschlafen ein Traum bleibt – auf Dauer stellen Schlafstörungen eine große Belastung dar, denn schlechte Schlafqualität führt zu Tagesmüdigkeit und chronischer Erschöpfung. Betroffene fühlen sich schon nach kurzer Zeit „wie gerädert“.
Nachts nicht schlafen und tagsüber hundemüde
Davon kann auch meine Patientin Heike* (69) ein Lied singen, die seit ein paar Jahren in Rente ist und seitdem verstärkt über Schlafprobleme klagt: „Mein Mann sagt, dass ich in letzter Zeit so vernehmlich schnarche, dass er dadurch aufwacht. Auch ich wache häufig in der Nacht auf, aber das Schlimmste ist, dass ich tagsüber immer so hundemüde bin.“
So unterschiedlich die Formen einer Schlafstörung sind, so vielfältig sind auch die Ursachen. Äußere Einflüsse wie z. B. unerwünschte Lichtquellen oder Geräuschbelästigung ließen sich ja noch einigermaßen leicht beheben. Wenn aber z. B. mangelnde Schlafhygiene (dazu unten mehr) oder biologische Faktoren die Störung verursachen, wird es schon schwieriger, Abhilfe zu schaffen.
Deshalb wollte ich mir von Heike zunächst etwas mehr über ihren Alltag erzählen lassen. Meine erste Frage galt der Essenszeit am Abend, weil ein spätes Abendessen, vor allem ein fetthaltiges, das Ein- bzw. Durchschlafen unmittelbar beeinträchtigen kann – schließlich muss es ja „im Schlaf“ verdaut werden.
„Da haben Sie mich jetzt aber ertappt“, antwortete Heike. „Wir nehmen uns zwar immer vor, früher zu essen, aber meistens ist dann doch so viel los, dass es uns nicht gelingt.“ Das hörte sich für mich zusätzlich noch nach Stress an – das könnte ein weiterer Grund für die Störung sein. Auf jeden Fall riet ich Heike aufgrund des Schnarchens bzw. Aufwachens in der Nacht, sich einmal beim Arzt durchchecken zu lassen, weil dahinter auch schwerwiegendere Ursachen stecken könnten wie Herz-/Kreislaufstörungen oder Schlafapnoe (Atemaussetzer).
„Auch Langschläfer riskieren auf Dauer ihre schlanke Linie.“
Im Übrigen hat ein gesunder Schlaf auch direkten Einfluss auf unser Körpergewicht: So reichen neueren Untersuchungen zufolge schon zwei Nächte ohne ausreichenden Schlaf, um den Spiegel des Sättigungshormons Leptin abfallen zu lassen, während der des Hormons Ghrelin (ein ausgewiesener Appetitanreger)steigt. Kurioserweise riskieren auch Langschläfer, die mehr als acht Stunden im Bett verbringen, auf Dauer ihre „schlanke Linie“.
Mögliche äußere Auslöser von Schlafproblemen
- Coffein
- Alkohol
- Rauchen
- Jetlag
- Schichtarbeit
- Medikamente
- Stress
- Depressionen
Daneben gibt es natürlich auch körperliche Ursachen:
- Herz- und Kreislaufstörungen
- Atemwegs- und Lungenerkrankungen
- Magen-Darm-Erkrankungen
- Restless-Legs-Syndrom
- Kopfschmerzen, Migräne
- Hormonelle Einflüsse (z. B. in der Menopause)
- Schilddrüsenerkrankung
- Harndrang, Nierenerkrankung, Prostataleiden
- Chronisches Erschöpfungssyndrom
- Schwangerschaft
Sie sehen: Es gibt viele Faktoren, die eine Schlafstörung begünstigen, und dabei haben wir noch nicht einmal über das Mikrobiom gesprochen! Wenn Sie diesen Blog schon länger verfolgen, ist Ihnen sicher nicht entgangen, dass unser Mikrobiom bei praktisch allen Erkrankungen oder Störungen im Körper eine Rolle spielt – natürlich auch in diesem Fall!
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Was das Mikrobiom um den Schlaf bringt
So gilt mittlerweile als gesichert, dass eine Dysbiose (also das Ungleichgewicht zwischen guten und schlechten Bakterien in unserem Darm) nicht nur die Schlafqualität verschlechtert, sondern umgekehrt ein schlechter Schlaf auch das Mikrobiom verändert.
Das Mikrobiom folgt einem Rhythmus, der sich an den Zeiten der Nahrungsaufnahme, aber auch an der Ernährung selbst orientiert. Und jetzt raten Sie mal, wer hier das letzte Wort hat – das Mikrobiom oder der Tag-/Nacht-Rhythmus? Letzterer kann sich dem Einfluss durch körpereigene Hormone wie Melatonin und Cortisol mit ihren Auswirkungen auf den Schlaf bzw. das Wachsein natürlich nicht entziehen! Ein gesundes Mikrobiom produziert andererseits auch wichtige Neurotransmitter wie Dopamin oder GABA, die einen guten Schlaf fördern.
Darm und Hirn stehen grundsätzlich in einer sehr engen Verbindung. Daher führt eine Störung in einem der beiden zu Wechselwirkungen im jeweils anderen Organ, denn die Bauchorgane sind u. a. über den Nervus Vagus mit dem Gehirn verbunden. Dieser Nerv wird auch „Ruhe-Nerv“ genannt – seine Verästelungen reichen vom Darm bis ins Ohr! Übrigens heißt er auch „Meditations-Nerv“, weil Meditationen genau diesen Nerv beeinflussen.
„Stimmt, über den Vagusnerv hab’ ich schon mal im Zusammenhang mit Meditation gelesen“, meldete sich Heike hier zu Wort, „ich wollte eigentlich schon vor Jahren mal einen Kurs belegen.“ „Dazu ist es nie zu spät“, sagte ich und ermunterte sie, ihr Vorhaben endlich mal zu konkretisieren.
Nachgewiesen sind zudem auch Zusammenhänge zwischen einer Dysbiose und Stress bzw. Depressionen, die wiederum Schlafstörungen auslösen können. Gut zu wissen also, dass man über die eigene Ernährung und somit über den Darm die Stimmung verbessern kann, worüber ich auch an dieser Stelle schon ausführlich geschrieben habe:
Histaminarm essen, besser einschlafen
Ein weiterer unterschätzter Faktor ist das Histamin. Meistens wird es im Zusammenhang mit allergischen Reaktionen und Atemproblemen genannt, doch spielt es auch bei (schlechtem) Schlaf eine Rolle. Der Neurotransmitter Histamin ist vor allem bei Entzündungsreaktionen aktiv. Allerdings hält Histamin auch wach – deshalb wird man auch nach Einnahme mancher Antihistaminika müde.
Zur Schlafenszeit wird normalerweise der Neurotransmitter GABA gebildet, der Histamin entgegenwirkt und uns leichter einschlafen lässt. Wenn sich aber zu viel Histamin im Körper befindet, kommt GABA nicht dagegen an. Zudem wird das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet, welches den Körper eher aktiv halten will. Aus diesem Grund kann eine histaminarme Ernährung beim besseren Einschlafen helfen.
Über diesen Zusammenhang habe ich an anderer Stelle bereits ausführlicher geschrieben, aber so viel sei gesagt: Histamin befindet sich in größeren Mengen in Käse, Fisch, Fleisch, Bier und Rotwein. Ein abendliches Käsebrot mit einem Glas Rotwein kann empfindsame Naturen also durchaus um den Schlaf bringen. Mehr dazu finden Sie hier:
„Ausgerechnet“, meinte Heike, „Ein Abend ohne Käse und ein Glas Rotwein kann ich mir kaum vorstellen.“ Ich konnte ihre Enttäuschung verstehen, aber für einen gesunden Schlaf würde sie sicher manches opfern.
Warum dies so wichtig ist, haben auch Studien gezeigt, die einen gestörten Schlaf u. a. mit einem höheren Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie z. B. Diabetes Typ-2 in Verbindung bringen.
„Das ist ja alles ganz spannend“, kommentierte Heike meine Ausführungen, „und was kann ich ganz konkret tun, um meine Schlafqualität zu verbessern?
Nun, als erstes sollte sie mal ihre „Schlafhygiene“ überprüfen. Den Begriff hatte ich ja oben bereits erwähnt – er klammert alles, was einen gesunden Schlaf fördert.
Zu einer guten Schlafhygiene gehören
- Regelmäßige Schlafenszeiten
- Größerer zeitlicher Abstand zur Abendmahlzeit,
gleiches gilt für Rauchen, Alkohol, Zucker … - Meiden von blauem Licht (Smartphones!) vor dem Zubettgehen
- Keine große körperliche Anstrengung nach ca. 18 Uhr
- Kühles, dunkles, ruhiges, gut belüftetes Schlafzimmer
- WLAN ausschalten!
Dies sind alles einfache Dinge, die jede/r leicht beherzigen kann, doch auch die Ernährung gilt es natürlich nicht zu vernachlässigen. Nicht zu spät das Abendessen einzunehmen heißt nämlich nicht, dass man mit „knurrendem Magen“ ins Bett gehen sollte.
„Heiße Quellen“ für Tryptophan
„Meine Großmutter hat mir als Kind immer eine warme Milch mit Honig gemacht, wenn ich nicht schlafen konnte“, unterbrach mich Heike. „Ist da was dran?“ Ein guter Punkt. Milch enthält nämlich Tryptophan, woraus der Botenstoff Serotonin gebildet wird, der wiederum schlaffördernd ist.
Nun bin ich wahrlich keine Befürworterin des Milchkonsums bei Erwachsenen. Milch ist dafür gemacht, kleine Kinder (und Säugetiere) großzuziehen, punktum. Als Erwachsene brauchen wir diese Wachstumshormone nicht mehr, schon gar nicht von einer fremden Spezies wie der Kuh!
Um an das begehrte Tryptophan zu kommen, kann man nämlich ganz bequem auch auf andere Lebensmittel zurückgreifen, z. B. Linsen, Bananen, Ananas, Avocado, Cashewkerne, Erdnüsse, Datteln, Geflügelfleisch und Sojaprodukte. Aber Vorsicht: Bananen, Ananas und Avocados erhöhen gleichzeitig den Histaminspiegel im Körper, und das raubt uns eher den Schlaf (s. o.)!
Natürlich kennt man auch die verschiedensten Schlaftees etc. – von Kamille bis zur Zitronenmelisse. Bei chronischen Schlafstörungen helfen diese allerdings kaum. Hier spielt die Dosierung eine entscheidende Rolle.
„Und was ist mit Baldrian?“
Mit der Frage kam mir meine Patientin zuvor: Der echte Baldrian (Valeriana officinalis), dessen Wurzeln (Valerianae radix) als Arznei wirksam sind, sollte in einer Dosis von 500mg eingenommen werden, am besten 30 Minuten vor dem Zubettgehen. Die Wirkung tritt allerdings nicht gleich nach der ersten Kapsel ein, sondern erst nach ungefähr 14 Tagen regelmäßiger Einnahme.
Gesteigert werden kann die Wirkung des Baldrians durch die Zugabe von Hopfen: Die natürlichen Bitterstoffe wirken stark beruhigend. Und … sie haben einen positiven Effekt auf den Darm.
Katzen auf Droge
Kleine Kuriosität am Rande: Baldrian ist für Katzen wie eine Droge! Sie werden dadurch quasi in einen „Vollrausch versetzt, was für das Tier lebensbedrohlich sein kann. Vorsicht also bei Baldrian-Tabletten, -Tinkturen, -Saft oder -Tee!
„Katzen habe ich nicht“, stellte Heike klar. Umso besser! Auch wenn dies meine Patientin nicht betrifft, sei hier noch erwähnt, dass auch Schwangeren, Stillenden und Kindern unter 12 Jahren von der Baldrian-Einnahme abgeraten wird. Es gibt schlicht noch keine Erkenntnisse über die Unbedenklichkeit bei diesen Gruppen.
Sehr gut gefallen mir die reinen Pflanzensäfte von Schoenenberger. Zur Besserung leichter Schlafstörungen ist dies der natürlichste Weg, wenngleich auch hier sicherheitshalber die Einschränkung gilt: nicht empfehlenswert für Kinder und Schwangere.
Eine weitere Pflanze mit ausgezeichneter Wirkung auf die Schlafqualität ist die Passionsblume (Passiflora incarnata). Sie wirkt bei nervöser Unruhe und Einschlafproblemen. Das liegt auch an ihrem positiven Einfluss auf den Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA).
Auch hier kommt es auf die Dosierung an: 400 mg Passiflora incarnata sollten es schon sein, die Höchstdosis bei Lioran beträgt 850 mg (2 Dragees). Lioran ist als Mittel gegen Schlafstörungen zugelassen und in der Apotheke erhältlich.
Ebenfalls sehr beliebt ist das Mittel Pascoflair®mit 425 mg Passionsblumenextrakt. Die Passionsblume kann auch bei der Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern eingesetzt werden.
Blaues Licht gehört nicht ins Schlafzimmer!
Unser „Glückshormon“ Serotonin, das vom Körper aus der Vorstufe Tryptophan synthetisiert wird, hat auch eine für den Schlaf wichtige Funktion: Bei Dunkelheit entsteht daraus nämlich das Schlafhormon Melatonin – hier spielen Photo-Pigmente im Auge eine entscheidende Rolle. Wenn nun aber das blaue Licht von einem Fernseher oder Handyauf die Netzhaut trifft, verändert sich der Melatoningehalt im Blut, und die Produktion des Schlafhormons wird unterbrochen.
Meiner Patientin empfahl ich daher erstens, das Smartphone aus dem Schlafzimmer zu verbannen, und zweitens die Kombination aus Griffonia Plus von META-CARE®und einem Melatonin-Einschlafspray, zum Beispiel von Dr. Theiss (zwei Sprühstöße unter die Zunge genügen).
Griffonia Plusenthält die Aminosäure 5-HTP aus der afrikanischen Schwarzbohne, und bei 5-HTP handelt es sich um eine Vorstufe des Glückshormons Serotonin sowie des Schlafhormons Melatonin. Vor dem Schlafen sollte Heike 1-2 Kapseln einnehmen, dazu den oben beschriebenen Baldrianextrakt und die Passionsblume … und sich 14 Tage lang in Geduld üben.
Abgesehen davon können auch Meditations- bzw. Entspannungsübungen helfen, zur Ruhe zu kommen. Wer normalerweise kalte Füße hat, kann auch durch ein warmes Fußbad oder eine Wärmflasche an den Füßen in den Schlaf finden. Wie gut, dass meine Patientin eine Affinität zum Meditieren hat!
Maßnahmen gegen das „Kopfkino“
Noch wichtiger erscheint mir aber, das Darmmikrobiom zur Unterstützung heranzuziehen: Ich empfahl Heike die Einnahme von OMNi-BiOTiC® SR-9 – einem Multispezies-Probiotikum, das einen direkten Einfluss auf den beruhigenden Vagus-Nerv ausübt, der, wie bereits erwähnt, das Bauchhirn mit dem Kopfhirn verbindet. Insbesondere das „Kopfkino“, das gerade nachts für Anspannung sorgt, wird so leichter abgestellt.
Abgesehen davon beruhigt OMNi-BiOTiC® SR-9 den Darm, denn auch Bauchschmerzen und Unruhe im Bauch stören den Schlaf gewaltig. Heike wird nun am Abend ein bis zwei Sachets in etwas Wasser für 1 Minute aktivieren und trinken. Am besten direkt vor dem Schlafengehen.
Für die Tipps bedankte sich Heike mit einem Augenzwinkern „auch im Namen meines Mannes: Sie glauben ja gar nicht, wie sehr der unter meiner nächtlichen Unruhe zu leiden hatte.“ Scherz beiseite: Das Wichtigste – darüber waren wir uns einig – war für sie, sich endlich mal wieder richtig ausgeschlafen zu fühlen.
Auch Ihnen wünsche ich einen gesunden Schlaf, und das möglichst nachts!
Herzlich
Ihre
Dagmar Praßler
* Name geändert
Titelbild: © Netrun78 / shutterstock
weitere Informationen: Schlafstörungen, Stress
Schlafstörung Ursachen
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.