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„Die Zöliakie befällt keineswegs ausschließlich Kinder.“ Mit diesem kategorischen Hinweis musste ich meine treue Patientin Debby stoppen, die mir entrüstet von der Zöliakie-Diagnose ihrer besten Freundin berichtete, obwohl diese doch „schon längst erwachsen“ sei.
Früher unterschied man die Kinder-Zöliakie von der Erwachsenen-Sprue. Diese begriffliche Unterscheidung wird heute nicht mehr getroffen.
Nur bei 10 bis 20 % der Betroffenen liegt das Vollbild der Zöliakie vor. 80 bis 90 % haben untypische oder keine Symptome und wissen daher oft nichts von ihrer Erkrankung. Aber was versteht man eigentlich unter einer Zöliakie?
Nicht jedes Erbe kann man ausschlagen
Zunächst: Es handelt sich um eine genetisch vererbbare Erkrankung, bei der das Klebeeiweiß Gluten aus dem Getreide im Dünndarm eine Auto-Immunreaktion auslöst. Verantwortlich dafür sind die Gene HLA-DQ2 und HLA-DQ8. Diese glutensensitive Enteropathie tritt bei 1-2 % der Bevölkerung auf.
Gluten ist bekanntlich ein Sammelbegriff für verschiedene in Getreide vorkommende Eiweiße. So werden die Eiweiße im Weizen Gliadin und Glutenin genannt. Im Roggen heißen die Substanzen Secalin und Secalinin, im Hafer Avenin und Avenalin und in der Gerste Hordein und Hordenin.
„Ach was?“ Debby guckte etwas „bedeppert“ ob dieser Erklärung. Okay, versuche ich es eben nochmal anders: Die Immunzellen im Darm produzieren Antikörper, die einen Bestandteil des Getreides, nämlich das Eiweiß Gluten, im Dünndarm angreifen. Dadurch entsteht eine chronische Entzündung, die Dünndarmzotten nachhaltig schädigt und verkümmern lässt. In der Folge können Nährstoffe nicht mehr in ausreichender Menge über die Darmschleimhaut in den Körper gelangen, es kommt zu Mangelerscheinungen und einer Reihe weiterer Erkrankungen.
Aha, das war verständlich. „Aber man merkt doch schon als kleines Kind, wenn man Weizen nicht verträgt“. Debby runzelte wieder die Stirn.
Erste Zeichen bei kleinen Kindern
Wenn die Zöliakie sich im Kindesalter zeigt – mit Beginn der Breikost –, sind die Symptome meist eindeutig: Ein aufgewölbter Bauch, dünne Extremitäten, Wachstumsstörungen, massige und übel riechende Stühle. Eine Zöliakie kann sich aber durchaus auch erst im Erwachsenen-Alter ausprägen! Die Symptome sind dann vielfältig und nicht auf Anhieb zuzuordnen – das macht diese Erkrankung so schwer greifbar. Außerdem reagiert das Immunsystem nicht nur auf Weizen, sondern auf das Klebeeiweiß in allen Getreidesorten wie Dinkel, Hafer, Roggen, Gerste, Kamut, Emmer und Einkorn!
Die Zöliakie ist also keine Weizenallergie! Diese „echte“ Allergie tritt bei ca. 0,1% der Bevölkerung auf und hier – wer hätte das gedacht – besonders gehäuft bei Bäckern. Die Weizenallergie geht mit allergietypischen Symptomen wie Haut- und Schleimhautreaktionen einher (Jucken, triefende Nase, etc.) und kann in schweren Fällen bis zum anaphylaktischen Schock führen.
„Woran erkennt man als Erwachsener denn eine Zöliakie?“ Debby war noch immer verwirrt, dass die Krankheit bei Ihrer Freundin erst im 30. Lebensjahr diagnostiziert wurde.
Mögliche Symptome im reiferen Alter
Zöliakie zeigt sich wie ein Chamäleon mit unspezifischen Symptomen, die auch für viele andere Erkrankungen stehen können, und die Liste ist lang:
- Müdigkeit
- Blässe, tiefe Ringe unter den Augen
- Eisenmangel
- Zahnschmelzhypoplasie (Unterentwicklung des Zahnschmelzes)
- Fettstühle, Blähungen, Durchfall, aufgetriebener Bauch, Völlegefühl
- Verstopfung
- Trockene Haut
- Knochenschmerzen,
- Nervosität, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen
- Schlafstörungen
- Hashimoto-Erkrankung der Schilddrüse
„Ja, so war es bei Elly auch!“ Jetzt wurde Debby richtig munter. „Die Ärzte dachten immer, die Schilddrüse sei schuld – Elly hat nämlich eine Hashimoto-Erkrankung der Schilddrüse“.
Oh, da gibt es durchaus Zusammenhänge: Gluten steht unter Verdacht, bei Hashimoto-Thyreoiditis die Autoimmunreaktion gegen das Schilddrüsengewebe auszulösen und auch den weiteren Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen! Das heißt nicht, dass Hashimoto-Patient*innen auch eine Zöliakie haben müssen, es sollte aber immer untersucht werden! Ich habe meinen Hashimoto-Patient*innen stets empfohlen, eine Weile auf glutenhaltige Nahrungsmittel ganz zu verzichten. Wenn die Symptome dann besser werden, kann Gluten in kleinen Mengen gegessen werden.
Das ist bei einer klassischen Zöliakie natürlich anders! Hier müssen die Betroffenen leider sehr genau darauf achten, auch nicht das kleinste Fitzelchen Gluten zu sich zu nehmen. Mehr noch: Zöliakie-Patient*innen brauchen ihr eigenes Geschirr und Besteck, das sonst niemand aus der Familie benutzt! Dies sollte auch nicht mit in den Geschirrspüler wandern. Auch der eigene Toaster ist unumgänglich, eigene Backformen ebenso. Bei der Ernährung ist streng darauf zu achten, dass die Lebensmittel definitiv nicht mit glutenhaltigen in Berührung kommen.
Auf den Spuren von Gluten oder Getreide
Das betrifft natürlich ganz besonders industriell hergestellte Nahrungsmittel. Steht auf der Verpackung der Hinweis: „Kann Spuren von Gluten oder Getreide enthalten“ ist die Konsequenz: Finger weg! Auch Wurst kann Gluten enthalten, da Weizen gern eingesetzt wird, um die Konsistenz zu verbessern, „es klebt ja so schön“! Also unbedingt nachfragen!
Wie schön, dass es Alternativen gibt!
Statt zu gewöhnlichem Getreide können Betroffene glücklicherweise zu Reis, Mais, Hirse, Quinoa, Amaranth und Buchweizen greifen. Man muss es sich nur bewusst machen!
Diagnostiziert wird die Zöliakie durch einen Bluttest auf Transglutaminase-Antikörper, die sich gegen das Gewebe der Dünndarmzotten richten. Sind diese positiv, ist eine Zöliakie sehr wahrscheinlich. Der letztendliche Beweis ist dann die „Zotten-Biopsie“: Dabei werden winzige Teile des Dünndarms (Duodenums) entnommen und auf Veränderungen hin untersucht. Das geschieht im Rahmen einer Magenspiegelung, bei der die Patient*innen sediert werden – von der Untersuchung bekommen sie nichts mit!
Und was ist mit Diabetes Typ 1?
Leider ist auch der Diabetes Typ 1, also der angeborene, nicht selten mit einer Zöliakie kombiniert. Dieser wird in der Tat meistens im Kindes- oder Jugendalter diagnostiziert, wobei das Risiko fast verdreifacht ist, als Typ-1 Diabetiker*in auch eine Zöliakie zu entwickeln**. Meistens wird der Diabetes als erstes diagnostiziert. Zöliakie tritt aber laut Professor William Hagopian (vom Pacific Northwest Research Institute in Seattle) in der Allgemeinbevölkerung etwa dreimal häufiger auf als Typ-1-Diabetes. Auslöser können durchaus Umweltfaktoren sein.
„Aber Zöliakie wird doch vererbt, dann bekommt man es doch auch in jedem Fall, oder nicht?“ Debby war meinen Ausführungen aufmerksam gefolgt. In der Tat spielt die erbliche Veranlagung eine wichtige Rolle, entscheidend für die Manifestation der Zöliakie ist aber die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms! Bei der Entstehung des Diabetes vermutet man vergleichbare Zusammenhänge.
Untersuchungen bei Tieren und Menschen zeigen, dass ein möglicher Zusammenhang von intestinalen Mikroorganismen im Hinblick auf Insulinresistenz und Diabetes naheliegt. Bakterien spielen bei Entstehung, Prävention und Therapie von Typ-1- und Typ-2-Diabetes oft eine gewisse Rolle.
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert, Diabetologe
Ähnlich verhält es sich bei der Zöliakie! Immerhin haben rund 80% der Menschen, die das Zöliakie-Gen tragen, keine Symptome! Nun heißt keine Symptome zu haben nicht zwangsläufig, dass die Zöliakie nicht aktiv ist. Es passiert durchaus, dass die Dünndarmschleimhaut sich verändert, die Zotten sich zurückbilden und somit auch die ausreichende Nährstoff-Aufnahme nicht gewährleistet ist, ohne dass die Patienten dies bemerken. Das kann für die Gesundheit gefährliche Ausmaße annehmen!
Woran lässt sich eine Zöliakie noch erkennen?
Es gibt eine Reihe weitere Reihe von Symptomen und Erkrankungen, die mit einer Zöliakie einhergehen können:
- Die Hautkrankheit Dermatitis herpetiformis Duhring (DHD)
- Eisenmangelanämie
- Zahnschmelzhypoplasie (Unterentwicklung des Zahnschmelzes)
- Osteoporose
- Arthritis (Gelenksentzündung)
- Chronische Hepatitis (Leberentzündung)
- Neurologische Erkrankungen
- Abortneigung (Fehlgeburt) und Infertilität
„Eine Hautkrankheit durch Zöliakie?“ Debby war verblüfft. Tatsache ist aber, dass sich bei allen DHD-Patienten eine Zöliakie nachweisen lässt, so dass man diese Hauterkrankung als Manifestation der Zöliakie an der Haut auffasst. Also Achtung bei den typischen Symptomen einer Dermatitis herpetiformis Duhring (DHD) – einer chronischen, blasenbildenden Hauterkrankung, die mit starkem Juckreiz einhergeht.
Wenn die dendritischen Zellen Alarm rufen
Man geht davon aus, dass sogenannte dendritische Zellen hier eine wesentliche Rolle spielen. Diese Zellen erkennen Krankheitserreger und präsentieren sie dem Immunsystem, das daraufhin eine Abwehrreaktion auslöst, beispielsweise durch die Bildung von Antikörpern. Dendritische Zellen sind die Alarmzellen des Immunsystems. Sie sitzen vermehrt in der Darmschleimhaut und haben dort ständigen Kontakt mit „den guten und mit den krankmachenden Bakterien“.
Bei einer Dysbiose, also einer Fehlbesiedelung des Darms, sind sie quasi in ständiger Alarmbereitschaft und lösen dabei Entzündungsreaktionen aus. Dabei produzieren sie Interferone, also Botenstoffe, die andere dendritische Zellen im Körper ebenfalls in Alarmbereitschaft versetzen.
Irgendwann …
verliert das Immunsystem den Überblick!
Wenn dieser Punkt erreicht ist, produziert es vermehrt Antikörper, die sich gegen köpereigenes Gewebe richten – oder eben gegen Gluten. Die „Alarmrufer“, die dendritischen Zellen, sitzen auch in der Epidermis der Haut (Oberhaut, äußerste Zellschicht). Dort nennen sie sich „Langerhans-Zellen“ (benannt nach ihrem Entdecker, dem Pathologen Paul Langerhans). Gibt es einen ständigen Alarm der dendritischen Zellen im Darm, drehen auch die Hautzellen irgendwann „am Rad“ – die Haut reagiert mit Entzündungen, Juckreiz und Schwellungen.
Ein ähnliches Phänomen wird auch an anderen Körperorganen vermutet, zum Beispiel an der Schilddrüse! Eine Hashimoto-Thyreoditis ist ja auch eine Autoimmun-Reaktion des Körpers, der sich versehentlich gegen das Schilddrüsengewebe richtet. Auch hier dürfte das Immunsystem im Darm eine entscheidende Rolle spielen!
Debby saß mit großen Augen vor mir und versuchte, die ganzen Zusammenhänge zu verstehen: „Wenn man also genug gesunde Bakterien hat, bekommt man nicht so leicht eine Entzündung der Darmschleimhaut und auch keine Zöliakie, oder?“
Ein gesunder Darm ist der beste Schutz
Nun ja, noch ist nicht endgültig bewiesen, dass bestimmte Darmbakterien eine Zöliakie verhindern können. Aber je gesünder ein Darm ist, desto besser ist er gefeit vor Erkrankungen und Überreaktionen des Immunsystems. Dies gilt natürlich auch für die Zöliakie! Entzündungen vorbeugen können bestimmte Bakterien definitiv.
Insbesondere Lakto- und Bifidobakterien befinden sich im gesamten Verdauungstrakt. Sie produzieren selbst antimikrobielle Stoffe, verhindern Entzündungen, schützen die Schleimhaut und sorgen für eine dichte Barriere zwischen Darm und Körper, sodass keine Toxine und Fremdkörper in den Körper eindringen können. Wie die Darm-Barriere funktioniert, habe ich hier genau beschrieben:
Vorhang auf für Multispezies-Probiotika!
Vor allem regulieren unsere freundlichen Bakterien das Immunsystem! Immerhin sitzen 80% unserer Immunzellen im Darm. Bakterien entscheiden im Darm also über die „orale Toleranz“ und damit über die Fähigkeit, Krankheitserreger von Nahrungsmitteln zu unterscheiden. Reagiert die Darmschleimhaut mit Abwehrmaßnahmen auf Gluten wie auf ein böses Virus, fehlen offensichtlich genau die Bakterien, die das Immunsystem stabilisieren und dabei die Darmschleimhaut schützen. Diese nützlichen Keime können mittels Multispezies-Probiotika eingenommen werden.
Besonders wirksame probiotische Keime haben eine Matrix aus Nährstoffen, die extra ausgewählt werden, um das Bakterium in seiner Ansiedlungsfähigkeit zu unterstützen. Diese muss natürlich frei von Gluten sein!
OMNi-BiOTiC® 6 ist frei von tierischem Eiweiß, Gluten, Hefe und Lactose. Ich gebe es gern Patient*innen mit einem instabilen Immunsystem. 6 humane Bakterienstämme mit mindestens 1 Milliarde Keimen pro 1 g Pulver besiedeln den Dünn- und Dickdarm, also „alles – von oben bis unten“. Sie schützen die Schleimhaut, senken den pH-Wert, sodass sich krankmachende Keime nicht ausbreiten können, und sie balancieren das Immunsystem, vom Darm ausgehend im ganzen Körper.
Eine kleine List mit bakteriellem Einverständnis
Besonders empfindlichen Patient*innen rate ich, die Bakterien in etwas Wasser 30 Minuten zu aktivieren, bevor sie (möglichst morgens nüchtern) getrunken werden. So haben sie die Matrix, also ihr eigenes Futter, gut aufgenommen – der menschliche Körper kann darauf nicht mit Überempfindlichkeit reagieren.
Bei allen entzündlichen Prozessen im Darm, aber auch anderswo im Körper, gebe ich gern OMNi-BiOTiC® SR-9. Die enthaltenen Bakterien sorgen für eine stabile Schleimhaut, verhindern die Ansiedlung pathogener Keime, wirken immunologisch an der Darmwand und regen Botenstoffe an, die anti-entzündlich wirken. Außerdem unterstützen die in OMNi-BiOTiC® SR-9 enthaltenen Bakterien (9 humane Bakterienstämme mit mindestens 7,5 Milliarden Keimen pro Portion) die Darm-Hirn-Achse, also die Verbindung zwischen unseren beiden Gehirnen! Selbstverständlich ist auch hier die Matrix frei von tierischem Eiweiß, Gluten, Hefe und Lactose.
Bei einer Zöliakie empfehle ich meinen Patient*innen, morgens 1 Sachet OMNi-BiOTiC® 6 und abends vor dem Schlafen 1 Sachet OMNi-BiOTiC® SR-9 einzunehmen, dazu für 3 Monate täglich 2 x 1 Kapsel metacare® Darmfit – ein Präparat, das alle wichtigen Nährstoffe für die Darmschleimhaut enthält.
Debby war ganz „meschugge“ von den vielen Informationen. Aber sie ist glücklich und zufrieden aus der Praxis marschiert und wollte ihrer Freundin nun die wichtigen Zusammenhänge erklären und sie für die probiotische Medizin begeistern. Ich unterstütze sie aus vollem Herzen!
Das gleiche gilt für Sie: Bleiben Sie dran an dieser „Medizin der Zukunft“, und gehen Sie aufmerksam mit ihren Billionen Freunden um!
Ihre Dagmar Praßler
* Alle Namen geändert
**Professor William Hagopian/ Pacific Northwest Research Institute in Seattle.
In meinen Blogs beschreibe ich Erfahrungen aus meiner Praxis, insbesondere den Verlauf einiger konkreter Behandlungen. Ich weise darauf hin, dass die beschriebenen Verläufe Einzelfälle sind und keine allgemein verbindlichen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Andere Menschen können anders reagieren, auch wenn sie die gleiche Behandlung erfahren. Es handelt sich um meine subjektiven Wahrnehmungen, ein Heilversprechen ist darin nicht zu sehen. Bei Beschwerden sollten Sie einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Bei meinen Blogs handelt es sich ausschließlich um redaktionelle Beiträge. Neben den beschriebenen Produkten gibt es noch weitere von anderen Herstellern.